Der Unternehmenskauf in der Krise – Chancen und Risiken

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Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stürzen zahlreiche Unternehmen in die Krise. Doch die aktuelle wirtschaftliche Situation bietet Finanzinvestoren und expandierenden Unternehmen auch Chancen. Diese können sie sich durch einen Kauf von Unternehmen aus der Krise, einen schnellen Zugang zu Know-how, Personalkapazitäten, neuen Kundenstämmen und Märkten verschaffen. Erst jüngst haben der Verkauf des Wirecard-Kerngeschäfts an die spanische Bank Santander sowie der Verkauf einer Wirecard-Tochter an einen US-Konzern eindrucksvoll gezeigt, wie Unternehmensteile durch einen Verkauf aus der Insolvenz saniert und fortgeführt werden können. 

Für den Investor bieten sich im Umfeld einer Insolvenz verschiedene Erwerbsalternativen. Je nach Krisenstadium sind diese mit unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Chancen und Risiken verbunden.

Geschäftsanteilskauf (Share Deal)

Die Anteile an einem insolvenzbedrohten Unternehmen zu erwerben, bedeutet für den Erwerber ein wirtschaftliches Risiko, denn die Verbindlichkeiten haften dem erworbenen Rechtsträger weiterhin an. Es ist ein genaues Augenmerk auf die Finanzen des Unternehmens zu richten, ob möglicherweise bereits ein Insolvenzgrund vorliegt oder demnächst eintritt und wie groß der zusätzliche Kapitalbedarf des Unternehmens künftig sein wird. Bei hohen Verbindlichkeiten und schlechter. Liquiditätssituation kann ein Share Deal wirtschaftlich uninteressant werden. Außerdem sollten die Krisenursachen hinterfragt werden, ob weitere Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind. Das verlangt umfangreiche Untersuchungen im Rahmen einer Due Diligence, ggf. auch ein Sanierungskonzept, und dies benötigt eine gewisse Zeit. Steht der Eintritt des Insolvenzgrundes aber nahe bevor, reicht die Zeit oft mit Blick auf die Insolvenzantragsfristen nicht mehr aus. 

Eine solche Transaktion im unmittelbaren Vorfeld einer Insolvenz ist für beide Seiten daher nur machbar, wenn Überbrückungsmaßnahmen mit Banken und Gläubigern vereinbart werden können.

Asset Deal vor Insolvenz

Im Rahmen eines Asset Deals werden die Aktiva des Unternehmens in der Regel auf eine neu gegründete Zielgesellschaft des Erwerbers übertragen. Bei der veräußernden Gesellschaft verbleiben dabei vor allem die Verbindlichkeiten, aber keine relevante Haftungsmasse für die Gläubiger außer dem Verkaufserlös. Es besteht die Gefahr einer Gläubigerschädigung. Ein Asset Deal ist für die Beteiligten bei drohender Insolvenzreife daher oft mit erheblichen Risiken verbunden:

Stellt das veräußernde Unternehmen nach Vertragsschluss, aber vor vollständiger Abwicklung des Geschäfts Insolvenzantrag, steht die gesamte Vertragserfüllung auf dem Spiel. Außerdem können für den Erwerber später Anfechtungsrisiken bestehen. 

In bestimmten Konstellationen kann es zu gravierenden Haftungsfolgen wegen Existenzvernichtung und/oder der Begehung von oder Teilnahme an Insolvenzstraftaten wie Insolvenzverschleppung oder Bankrott, Schuldner- oder Gläubigerbegünstigung kommen. Denn die Gefahr, die Gläubiger des Unternehmens durch das Geschäft zu schädigen bzw. ihren Schaden zu vertiefen, ist groß. 

Daneben existieren weitere Haftungstatbestände wie z.B. die zivilrechtliche Haftung des Erwerbers für Verbindlichkeiten bei Firmenfortführung (§ 25 HGB) oder die steuerrechtliche Haftung des Erwerbers bei Betriebsübernahme (§ 75 AO). 

Vor diesem Hintergrund ist bei Asset Deals im Vorfeld einer Insolvenz auf beiden Seiten erhöhte Vorsicht und Sorgfalt geboten, ob und zu welchen Konditionen eine solche Transaktion noch ausgeführt werden kann und darf.

Unternehmenskauf aus der Insolvenz

Eine in der akuten Krise für die Käuferseite risikoärmere Option stellt der Erwerb des Unternehmens im Rahmen eines bereits laufenden Insolvenzverfahrens dar.

Bei einer solchen „übertragenden Sanierung” findet ebenfalls ein Asset Deal statt. Hierbei verbleiben die Schulden in der insolventen Gesellschaft und werden nach Abschluss des Verfahrens durch quotale Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger getilgt. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist eine bloß teilweise Befriedigung der Gläubiger schlichtweg unzulässig und haftungssanktioniert. Die Übernahme der bloßen Assets ohne die Passiva aus der Insolvenz kann daher wirtschaftlich eine interessante Alternative darstellen. 

Darüber hinaus entfällt bei einer übertragenden Sanierung die oben beschriebene Nachhaftung des Käufers für Altverbindlichkeiten und durch Mitwirkung des Insolvenzverwalters auch das Insolvenzanfechtungsrisiko. 

Fazit

Bei der Übernahme von Unternehmen in der Krise oder aus der Insolvenz ist ein besonderes Augenmerk auf die Haftungssituation der Beteiligten zu legen. Es muss sorgfältig abgewogen werden, welche Transaktionsart mit Blick auf das tatsächliche Krisenstadium und die Haftungssituation geeigneter ist (Share Deal oder Asset Deal). Auch der Erwerb aus einer laufenden Insolvenz heraus kann wirtschaftlich und haftungsrechtlich eine sinnvolle Alternative sein.

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