M&A Vocabulary – Experten verstehen „Retention Amount”

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In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

Ein Haftungsanspruch ist letztlich nur dann etwas wert, wenn er auch realisiert werden kann. Auf dieser Erkenntnis beruht das Konzept der Vereinbarung eines „Retention Amount” (auch „Holdback”) beim Unternehmenskauf – also des zeitlich beschränkten Einbehalts eines Teils des Kaufpreises zur Sicherung von möglichen Garantie- und Freistellungsansprüchen des Käufers gegen den Verkäufer. Zur Sicherung solcher Ansprüche stehen diverse Gestaltungsmittel zur Verfügung. Neben dem Kaufpreiseinbehalt sind etwa Garantien dritter Parteien in diversen Formen (z.B. Bürgschaften oder Bankgarantien) zu nennen. Zunehmend populärer werden insbesondere für großvolumige Transaktionen W&I Versicherungen (Warranty & Indemnity Insurances), die Haftungsansprüche aus Garantieverletzungen und Freistellungsverpflichtungen versichern.


In Abgrenzung zum Earn-Out ist das Entstehen des Anspruchs auf den entsprechenden Teil des Kaufpreises grundsätzlich nicht bedingt auf das Eintreten zukünftiger Bedingungen (z.B. Erreichen bestimmter KPI). In der Regel entsteht der Anspruch bereits im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung, wobei die tatsächliche Auszahlung erst zu einem kalendarisch fixierten oder auf den Eintritt eines Ereignisses bedingten Zeitpunkt in der Zukunft fällig wird. Das ermöglicht es dem Käufer mit seinen bis dahin entstandenen Ansprüchen gegen den Verkäufer, z.B. aus Garantieverletzung oder aus Freistellungen, aufzurechnen. Die Formulierung der genauen Bedingungen unter denen der einbehaltene Betrag (noch) nicht auszuzahlen ist (z.B. bei einem noch rechtshängigen Gerichtsverfahren) sowie die Voraussetzungen für eine solche Aufrechnung bzw. die Konsequenz einer nachträglichen Kaufpreisanpassung stellen für den Transaktionsanwalt (oft in Abstimmung mit den Steuerexperten) wesentliche Herausforderungen bei der Gestaltung der Einbehaltsvereinbarung dar.


Gelegentlich werden auch mehrere Einbehalte mit unterschiedlichen Bedingungen für verschiedene Risiken bzw. Haftungsansprüche vereinbart.


Ein Sicherungseinbehalt ist ein sehr wesentliches Element der Kaufpreisstruktur. Zugleich ist er die grundsätzlich für alle Beteiligten am einfachsten zu realisierende Sicherungsform, da keine dritten Personen einbezogen werden müssen. Es stellt für den Käufer das stärkste – und entsprechend für den Verkäufer das am meisten belastende – Sicherungsmittel dar. Deshalb wird der Käufer in der Regel nur aus einer sehr starken Verhandlungsposition heraus mit der Forderung nach einem pauschalen Sicherungseinbehalt für abstrakte eventuelle Haftungsansprüche erfolgreich sein.


Dabei ist ein bloßer Verweis auf die ohnehin meist gegebene Informationsasymmetrie beim Erwerb regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr wird er nur dann erwarten können mit seiner Forderung beim Verkäufer Gehör zu finden, wenn er den möglichen Anspruch selbst und die Gefährdung der Durchsetzung substantiieren und dessen Höhe sogar quantifizieren kann. Bei Verhandlungen über das ob und die Höhe eines Sicherungseinbehalts sind deshalb grundsätzlich zwei Aspekte von Bedeutung und von der Käuferseite als meist kumulative Argumente für eine entsprechende Gestaltung anzuführen:

 

  1. Konkrete Erkenntnisse zu den Grundlagen der Unternehmensbewertung und Kaufpreisermittlung und die diesbezüglichen Risiken, insbesondere aus der Due Diligence;
  2. Anhaltspunkte für eine zukünftig nicht ausreichende Haftungsmasse beim Verkäufer oder andere vorhersehbare Hindernisse für eine erfolgreiche Vollstreckung im Haftungsfall.


Potentielle Haftungsansprüche

Beispiele für identifizierte Haftungsrisiken sind etwa Ansprüche von Behörden auf Rückerstattung von Fördermitteln, sich abzeichnende Produkthaftungsansprüche von Kunden, eventuelle Kartellstrafen, noch zu klärende steuerliche Sachverhalte, die in Steuernachforderungen resultieren könnten.


Der Käufer wird in Kenntnis solcher Risiken bei wesentlichen Beträgen und relevanter Eintrittswahrscheinlichkeit in Erwägung ziehen müssen, den Kaufpreis anzupassen oder sogar vom Erwerb Abstand zu nehmen. Bei einer moderateren Risikobewertung oder um in einem fortgeschrittenen Verhandlungsstadium keinen Verhandlungsabbruch zu riskieren, kann der Käufer stattdessen etwa die Aufnahme einer Freistellungsverpflichtung in den Vertrag fordern und zur Sicherung einen Kaufpreiseinbehalt in angemessener Höhe verlangen. Der Einbehalt würde dann z.B. bis zum Ablauf der Verjährung von Steueransprüchen oder der rechtskräftigen Entscheidung in einem Verfahren bestehen.


Vorhersehbar wird der Verkäufer eine abweichende Risikobewertung vornehmen, so dass es in diesem Verhandlungsstadium nicht selten zum Austausch von entsprechenden rechtlichen und steuerlichen Gutachten kommt. Die relevanten Themen sollten deshalb möglichst frühzeitig im Rahmen der Due Diligence identifiziert und der Argumentationsführung antizipiert werden.


Kritische Verkäufereigenschaften

Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende bzw. nicht zugreifbare Haftungsmasse beim Verkäufer sind z.B. eine haftungsarme Verkäufer-Vehikel Holdingstruktur, Off-shore Ansässigkeit, intransparente Eigentümerstruktur oder eine schwache Finanz- und Vermögenslage.


Verhandlungsoptionen

In Pattsituationen kann der Vorschlag von Milderungs- und Kompromissgestaltungen dazu führen, dass sich der Verkäufer doch noch auf einen Kaufpreiseinbehalt einlässt. Denkbar sind hier etwa eine attraktive Verzinsungsregelung und/oder die Hinterlegung des einbehaltenen Kaufpreises auf ein Treuhandkonto, wodurch der Käufer keinen unmittelbaren Zugriff mehr auf den Kaufpreiseinbehalt hat.


Spätestens jetzt kann auch eine W&I Versicherung als Option in die Verhandlungen eingeführt werden. In diesem Fall empfiehlt sich vorab zumindest vorläufig zu klären, ob das Risiko versicherbar ist.


Vorsicht bei insolvenzgeneigten Verkäufern

Beim Erwerb von einem Verkäufer, der sich in einer finanziellen Schieflage befindet, können Sicher-heitseinbehalte ein oft übersehenes Risiko schaffen.


Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet, kann der Insolvenzverwalter entscheiden, ob er am Unternehmenskaufvertrag weiterhin festhalten möchte, wenn zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht wenigstens eine Partei den Vertrag bereits vollständig erfüllt hat. Dabei kommt es nicht nur auf die Hauptpflichten, sondern auch auf die ergänzenden Nebenpflichten an. Kaufpreiseinbehaltsvereinbarungen können in diesem Kontext – ebenso wie Kaufpreisanpassungs- oder Earn-Out-Klauseln – zum Einfallstor werden.


Fazit

Gerade für den „starken” Käufer und bei kleinen bis mittleren Transaktionsvolumina mit „riskanter” Verkäuferseite ist ein teilweiser Kaufpreiseinbehalt ein meist einfach und kostengünstig zu realisierendes und zugleich effektives Mittel zur Sicherung von Haftungsansprüchen.

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Tobias Kohler

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