Kein Arbeitsvertrag ist auch keine Lösung

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veröffentlicht am 18. August 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Früher half es, einfach die Augen geschlossen zu halten. Was ich nicht sehe, ist nicht da und kann auch nicht schlimm sein. So plakativ ist die Vogel-Strauß-Methode im Geschäftsleben selten. Gelegentlich kann man sie jedoch im Rahmen der Due Diligence beobachten, wenn man genauer hinsieht.

 

Mitunter besteht die Vorstellung, Probleme lassen sich dadurch umgehen, dass etwas nicht geschehen ist: Über einen Preis haben wir nicht gesprochen, es gibt dazu nichts Schriftliches, mich hat niemand gesehen.

Zwar gibt es durchaus rechtliche Formvorschriften, bei deren Ignorieren ein Erfolg nicht eintritt: Beispielsweise muss die Abtretung von GmbH-Anteilen notariell beurkundet werden und die Beendigung von Arbeitsverträgen schriftlich erfolgen. Verstöße hiergegen lassen den Erfolg dann (meist) nicht eintreten: Wenn Beschäftigte selbst geschriebene und unterschriebene Kündigungen abfotografieren und per WhatsApp an die Arbeitgeberin schicken, ist eine „schriftliche” Kündigung nicht zugegangen und das Arbeitsverhältnis besteht erst einmal fort.
 

Falschbezeichnung schadet nicht

Dennoch ist der genaue Wortlaut einer Vereinbarung nicht immer maßgeblich. Sofern Parteien übereinstimmend eine Sache meinen, kann es egal sein, welche Bezeichnung sie dafür wählen: Wer die Übernahme der „Unkosten” vereinbart, kann mit der Kostentragung belastet werden, wer eine Standardsoftware für die dauerhafte Nutzung kostenpflichtig „lizensiert” hat dennoch einen Kaufvertrag geschlossen. Da das „übereinstimmend Gemeinte” zu einem Beweisproblem werden kann, sind präzise formulierte Verträge dennoch hilfreich und streitvermeidend.

Das gilt auch umgekehrt: Regelungen lassen sich nicht allein dadurch vermeiden, dass Vorgänge lediglich anders bezeichnet werden. Zwar wird ein als „Arbeitsvertrag” bezeichnetes Dokument nur in Ausnahmefällen kein Arbeitsverhältnis beschreiben (etwa, wenn es den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers regelt). Umgekehrt wird ein Arbeitsverhältnis jedoch nicht allein durch eine andere Vertragsbezeichnung vermieden.
 
So stellt sich im Arbeitsrecht beim Einsatz Externer im Unternehmen immer die Frage, ob die so Tätigen als eigene Arbeitnehmer anzusehen sind. Dafür ist nicht maßgeblich, dass mit den Personen selbst „Beratungsverträge” geschlossen sind – dennoch kann eine Scheinselbständigkeit vorliegen. Wenig hilfreich ist auch, dass die Tätigen bei einem dritten Unternehmen angestellt sind, mit dem ein so bezeichneter „Dienst-” oder „Werkvertrag” geschlossen wurde – dennoch kann dann eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.
 
Maßgeblich ist vielmehr, wie die Leistungen tatsächlich erbracht werden und ob die im Unternehmen tätigen Externen dabei in das Unternehmen eingegliedert sind.
 

Indizien für eine Arbeitnehmerstellung

Für eine Eingliederung und damit eine Arbeitnehmerstellung spricht insbesondere, wenn 
  • Weisungen an die Externen tätigkeits- und arbeitsbezogen erfolgen können, auch hinsichtlich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung,
  • Weisungen Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer oder Ort der Tätigkeit betreffen,
  • die Externen im Unternehmen weisungsunterworfen oder weisungsbefugt sind,
  • die bereitgestellte Infrastruktur des Unternehmens durch die Externen genutzt wird,
  • eine Zusammenarbeit mit eigenen Mitarbeitern des Unternehmens erfolgt oder sogar eine vergleichbare Tätigkeit erbracht wird,
  • die persönliche Leistungserbringung geschuldet ist oder
  • die zu erbringende Leistung kaum vertraglich festgelegt ist und Änderungen der Leistung leicht durch die Erteilung von Weisungen erfolgen kann.
Umgekehrt wird eine Arbeitnehmerstellung nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass die Tätigkeit lediglich befristet ist (auch mit Angestellten sind – selbst projektbezogene – Befristungen möglich) oder nur einen geringen Umfang hat (Angestellte können in Teilzeit – auch bei verschiedenen Unternehmen parallel – tätig sein).

Insbesondere am Umfang der vereinbarten, zu erbringenden Leistung zeigt sich auch, dass ein Indiz in beide Richtungen gehen kann: Die Vereinbarung von Time-and-Material-Verträgen, also die Abrechnung nach Zeitaufwand, mit einer hohen Stundenabnahmeverpflichtung soll vermeintlich wie bei Angestellten eine wirtschaftliche Sicherheit vermitteln. Dann soll kein Bedürfnis mehr nach einer weiteren Akquise bestehen, was deshalb ebenfalls ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis darstellen kann.
 
Die Beurteilung erfolgt schließlich durch eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung der verschiedenen Indizien, die für und gegen eine arbeitnehmerähnliche Stellung sprechen können.
 

Folgen einer Arbeitnehmerstellung

Stellt sich dabei heraus, dass der vermeintlich Selbständige tatsächlich in das Unternehmen eingegliedert ist, so ist er in der Folge als Arbeitnehmer zu behandeln.

Selbst in Zeiten des Fachkräftemangels stellt eine solche Erhöhung der eigenen Mitarbeiterzahl keinen Grund zum Jubeln für die Unternehmen dar. Neben den Ansprüchen der Beschäftigten auf beispielsweise Urlaub (regelmäßig seit Aufnahme der Tätigkeit, also auch viele Jahre rückwirkend und ohne Beachtung einer Verjährungsfrist) sind die Beiträge zur Sozialversicherung („SV” -Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) vom Unternehmen bis zu vier Jahre rückwirkend abzuführen, ein Regress bei den Beschäftigten scheidet im Regelfall aus. Zudem kommt eine Strafbarkeit wegen Nichtabführung der Lohnsteuer und verspäteter Abführung der SV-Beiträge in Betracht.
 
Gelegentlich werden Selbständige aus dem europäischen Ausland mit A1-Bescheinigungen (die sie als Selbständige ausweisen) wie Arbeitnehmer eingegliedert in Deutschland eingesetzt. Der sozialversicherungsrechtliche Status ist in diesen Fällen verbindlich, eine Nachzahlung von SV-Beiträgen droht nicht. Nach Auffassung der Rechtsprechung kommen dennoch Pflichtverstöße außerhalb des Sozialversicherungsrechts in Betracht. Entschieden ist das beispielsweise für Bußgelder im Rahmen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Vergleichbares droht jedoch auch für die Nichtabführung der Lohnsteuer.

War der Vertrag vom Unternehmen nicht mit dem Externen direkt, sondern mit dessen Arbeitgeber geschlossen, so stellt die Eingliederung eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung dar. Eine solche ist für das Unternehmen (also den „Entleiher”) für jeden Einzelfall mit Bußgeldern von bis zu 30.000 EUR bedroht.

Fazit

Der Einsatz von Fremdpersonal im Unternehmen ist gefahrgeneigt und sollte bereits im Vorfeld sorgfältig geprüft und fortlaufend überwacht werden.

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Alexander von Chrzanowski

Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht

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