Working Capital Management

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veröffentlicht am 16. November 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg haben bei vielen Unternehmen zu einer Verschlechterung der Liquidationssituation und zu Höchstständen der Kapitalbin­dungs­dauer geführt. Ein ausgewogenes Working Capital Management ist ein wichtiger Hebel zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Liquidität und gewinnt ins­be­son­de­re in Krisenzeiten zunehmend an Bedeutung.



Eine akut eingetretene Krisensituation bedarf in der Praxis zur Erhaltung der operativen Handlungsfähigkeit einer kurzfristigen Cash-Generierung. Dieser Bedarf lässt sich in den meisten Fällen nicht durch externe Fi­nan­zie­run­gen decken. Grund hierfür können die Angst externer Finanzierer vor gestiegenen Ausfallrisiken und die oftmals anherrschende Eilbedürftigkeit des Liquiditätszuflusses sein. Von hoher Bedeutung ist daher in Kri­sen­si­tu­ationen die Innenfinanzierung. Ein wesentliches Instrument der Innenfinanzierung stellt das Working Capital Management dar. Zentrales Ziel des Working Capital Managements ist es, über eine Verringerung der Kapitalbindung Liquidität frei zu setzen und so unmittelbar die finanzielle Situation eines Unternehmens aus sich selbst heraus zu verbessern. Die zusätzliche Liquidität kann bspw. zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit beitragen sowie zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten genutzt werden. Wird durch die Rückzahlung von Verbindlichkeiten der Verschuldungsgrad verringert, kann dies auch einen positiven Effekt auf das Rating von externen Kapitalgebern haben und so letztlich doch den Weg für externe Finanzierungen ebnen.

Aus der Sicht des Managements stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um das Working Capital ihres Unternehmens zu optimieren. Das Working Capital lässt sich grundsätzlich anhand der Differenz des Um­lauf­ver­mö­gens zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten ermitteln. Da in Krisensituationen oftmals schnelle Li­qui­di­täts­ver­besserungen notwendig sind, ist hier insbesondere das Trade Working Capital von hoher Bedeutung. Das Trade Working Capital berücksichtigt abgrenzend nur kurzfristige Vermögensgegenstände und Ver­bind­lich­kei­ten, die unmittelbar mit dem täglichen Geschäftsbetrieb zusammenhängen.

Eine weitere zentrale Kennzahl zur Beurteilung der Effizienz des Working Capital Managements ist der so­ge­nann­te Cash Conversion Cycle (siehe Abbildung 1). Die Kennzahl gibt Aufschluss über die durch­schnittliche Zeitdauer der Kapitalbindung im betrieblichen Wertschöpfungsprozess. Der Cash Conversion Cycle ergibt sich aus der Umschlagsdauer der Lagerbestände (DIO) und Forderungen (DSO) abzüglich der Umschlagsdauer der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (DPO). Zur Reduzierung des Cash Conversion Cycle werden Maßnahmen in dem Bereich der Debitoren, Kreditoren und der Bestände ergriffen:

Abbildung 1: Zusammensetzung Cash Conversion Cycle


Debitorenmanagement

Im Bereich der Forderungslaufzeit besteht oft Optimierungspotenzial. Üblicherweise mangelt es an einem zeit­nahen Forderungseinzug. Ein sorgfältiges und effizientes Forderungsmanagement ist für einen stabilen Zyklus unerlässlich. Sowohl die Prüfung der Zahlungsbereitschaft und Bonität der Kunden als auch eine unverzügliche Rechnungstellung unter Angabe des vertraglich vereinbarten Zahlungsziels sind essenziell für die Sich­er­stel­lung von fristgerechten Liquiditätseingängen. Um die Kunden zu frühzeitigen Zahlungen zu motivieren, ist auch die Gewährung eines Skontoabzugs als Anreiz denkbar. Eine nachhaltige Zahlungsüber­wachung mit ent­spre­chen­dem Mahnwesen bis hin zur Einleitung rechtlicher Schritte ist ebenfalls unver­zichtbar. Darüber hinaus kann ein externes Inkassobüro zur Eintreibung der Forderungen eingeschaltet werden.

Als besonders attraktiv gilt ferner das Factoring, also der laufende Verkauf von kurzfristigen Geldforderungen sowie Forfaitierung, also der Verkauf einzelner mittel- und langfristiger, besicherter Exportforderungen. Beim echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallrisiko der Forderungen, wohingegen dieses beim unechten Factoring beim Verkäufer verbleibt. Im Fall des echten Factorings liegt ein tatsächlicher Forderungsverkauf vor und der Factor ist für die gekauften Forderungen buchführungspflichtig. Durch den Verkauf der Forderungen wird in den Forderungen gebundenes Kapital freigesetzt. Factoringgesellschaften bieten zudem ein um­fas­sen­des Debitorenmanagement an. Das umfasst bspw. die Debitorenbuchhaltung, das Mahnwesen und die Bo­ni­täts­prü­fung. Im Vergleich zu einer Finanzierung über einen Betriebsmittelkredit bietet das Factoring unter anderem den Vorteil, dass ein höheres Finanzierungspotenzial ermöglicht wird, da keine starren Kreditlinien bestehen. Mit steigenden Umsätzen und Forderungen erhöht sich entsprechend auch das mögliche Factoring Volumen, vorausgesetzt die Besicherung des Factors erlaubt den Volumenanstieg. Somit bietet das Factoring kurzfristig die Funktionen der Finanzierung, des Debitorenmanagements und teilweise der Kreditversicherung. Dafür sind Zinsen auf das bevorschusste Volumen zu entrichten, die sich meist an den klassischen Kontokorrentzinsen orientieren.


Kreditorenmanagement

Im Bereich der Kreditoren kann der finanzielle Spielraum durch Verhandlungen mit den Lieferanten und Dienstleistern optimiert werden. Um einen Überblick über die wichtigsten Lieferanten zu bekommen, empfiehlt es sich, eine ABC-Analyse der Kreditoren durchzuführen, bei der die Kreditoren je nach Bedeutung in drei Kategorien unterteilt werden. Im Rahmen der Verhandlungen sollten zur Verzögerung der Zahlungsausgänge möglichst lange Zahlungsziele vereinbart und für den Fall frühzeitiger Zahlungen Skonti ausgehandelt werden. Zur Stärkung der Verhandlungsposition kann die Reduzierung und Bündelung der Lieferanten eine adäquate Maßnahme darstellen. Ebenfalls könnten Einkaufsgemeinschaften gebildet werden, um über größere Ein­kaufs­vo­lu­mi­na und längere Kontrakte verbesserte Konditionen auszuhandeln. Auch die Stellung von geeigneten Bürg­schaf­ten bspw. seitens des Gesellschafters oder des Finanzierungspartners, die nicht zu einer direkten Liquiditätsbindung im Unternehmen führen, können zur Erweiterung von Lieferantenkreditlinien aufgesetzt werden, um die individuellen Zahlungsziele zu erweitern. Daneben können zur Verlängerung der Zahlungsziele ebenso erweiterte Eigentumsvorbehalte mit den Lieferanten vereinbart werden.

Essenziell für ein gutes Kreditorenmanagement ist zudem eine funktionierende und automatisierte Kre­di­to­ren­buch­hal­tung, sodass Rechnungen erst mit Skontofälligkeit oder Fälligkeit bezahlt werden. Hierfür ist eine ggf. automatisierte Prüfung der Rechnungen sowie die Berechnung potenzieller Skontoabzüge erforderlich. Zu­sätz­lich sollte eine Bewertung der Lieferanten hinsichtlich der Liefertreue und Qualität der Lieferungen erfolgen, um Reklamationen zu minimieren und somit eine geringere Kapitalbindung zu erreichen.


Bestandsmanagement

Insbesondere bei Produktions- und Handelsunternehmen bietet das Bestandsmanagement vielfältige Op­ti­mie­rungs­mög­lich­kei­ten. Grundsätzlich wird ein möglichst geringer Vorrats- und Warenbestand angestrebt, da hier­durch Lagerkosten reduziert und die Opportunitätskosten des gebundenen Kapitals minimiert werden können. Es ist jedoch zu beachten, dass trotz der Minimierung der Lagerbestände die Lieferfähigkeit beibehalten wer­den muss.

Bei der Verbesserungsanalyse empfiehlt es sich, Vorräte und Waren mit einem hohen Wertanteil in den Schwer­punkt der Analyse zu rücken. Hierfür könnte ebenfalls eine ABC-Analyse durchgeführt werden. Zunächst soll­ten die Lagerbestände auf Überkapazitäten und nicht betriebsnotwendige Vorräte und Waren überprüft werden. Bei der Entwicklung weiterer Optimierungsmaßnahmen sollte dann der gesamte leistungswirtschaftliche Pro­zess von der Planung bis zum Vertrieb der Produkte berücksichtigt werden. Auf der Ebene der Pro­dukt­pla­nung ist bspw. zu beachten, dass standardisierte Endprodukte und Baugruppen den Vorteil einer höheren La­ger­um­schlags­häu­fig­keit bieten als sehr stark differenzierte Produkte. In Bezug auf die Beschaffung sollte überprüft werden, ob eine Optimierung der Bestellmengen in Frage kommt. Im Bereich der Produktion könnten die Verkürzung von Durchlaufzeiten, Minimierung von Ausschuss, Just-in-Time-Fertigung oder das Outsourcing Ansatzpunkte darstellen, um die Bestände zu reduzieren. Auf der Vertriebsseite bieten detaillierte Ab­satz­pla­nun­gen und Marktanalysen die Basis für weitere Optimierungsmöglichkeiten. Prozessübergreifend könnte durch die Einführung von Konsignationslagern und die Reduzierung von Sicherheitsbeständen der La­ger­be­stand mittelfristig verringert werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Bereich der Bestände mit seiner Komplexität in bestimmten Branchen das höchste Potenzial bietet, um Liquidität freizusetzen. Die Optimierung bedarf aber in jedem Fall einer gezielten Analyse der individuellen Wertschöpfungskette eines Unternehmens.


Fazit

Aktives Working Capital Management ist in einer Krisensituation unerlässlich, um die kurzfristige Hand­lungs­fä­hig­keit eines Unternehmens zu bewahren und somit den Grundbaustein für ein erfolgreiches Sa­nier­ungs­kon­zept zu legen. Hierbei ist ein ganzheitlicher und integrierter Ansatz von zentraler Bedeutung, denn eine isolierte Steuerung des Working Capitals birgt die Gefahr in sich, dass Interdependenzen zwischen einzelnen Maß­nah­men nur unzureichend berücksichtigt und die Geschäftsbeziehung zu wichtigen Kunden oder Lieferanten be­ein­träch­tigt werden könnte. Working Capital Management sollte holistisch unter Berücksichti­gung der in­di­vi­du­ellen Besonderheiten des Unternehmens ansetzen und um einen durchgängigen Controllingprozess ergänzt werden. Transparenz über die Effektivität des Working Capital Managements schafft unter anderem die Eta­blie­rung einer kurzfristigen Liquiditätsplanung auf Wochenbasis und das Controlling des Trade Working Capitals auf Basis von Tagesmeldungen sowie weiterer für den individuellen Fall zu definierender Schlüsselkennzahlen.

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