Unterschiedliche Bewertung von Pensions-verpflichtungen: ein Systemproblem?

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zuletzt aktualisiert am 20. September 2017

Seit der Einführung des BilMoG (Bilanzrechts­moderni­sie­rungs­gesetz) existieren nunmehr 3 verschiedene Konzepte für die Bewertung von betrieblichen Pensionsverpflichtungen nebeneinander.
 


 

Während das Steuerrecht mit § 6 a EStG unverändert vom Teilwertverfahren und einem Diskontierungs­zinssatz von 6 Prozent p.a. ausgeht, favorisieren die meisten HGB-Gutachter inzwischen analog zu den IFRS (International Financial Reporting Standards) das PUC-Verfahren (Projected-Unit-Credit-Methode bzw. Anwartschaftsbarwertverfahren). Einigkeit zwischen HGB und IFRS besteht auch bei der Berücksichtigung von Gehalts- und Rententrends sowie der Fluktuation. Zudem wurde nach IFRS inzwischen auch die sog. Korridormethode abgeschafft.
 
Nachdem sich der deutsche Gesetzgeber am Ende aber doch nicht vollständig den internationalen Bewertungsmethoden anschließen wollte, ergibt sich ein wesentlicher Unterschied in der Ermittlung des Diskontierungszinssatzes. Hier verlangt IAS 19 (International Accounting Standards) eine prospektive Betrachtungsweise der künftigen Zinserträge aus Industrieanleihen bester Bonität, wohingegen das HGB von einer strikt retrospektiven Betrachtungsweise von Staatsanleihen ausgeht.
 
In der Folge ergeben sich bei IFRS-Bilanzen im derzeitigen Zinsumfeld ständige Schwankungen, wobei in den Handelsbilanzen der Zinssatz dem tatsächlichen Rückgang der Umlaufrendite um Jahre hinterherhinkt und auch auf eine Erholung der Wertpapierrenditen wieder nur mit jahrelanger Verzögerung reagieren wird. Ab 2016 hat sich der Verzögerungszeitraum durch die verlängerte Durchschnittsbildung noch von 7 auf 10 Jahre verlängert. Auf den ersten Blick scheint es sich bei dieser Diskrepanz um ein bilanztheoretisch motiviertes Systemproblem zu handeln.
 
Dem ist aber nicht so. Vielmehr besteht das Problem darin, die künftige Entwicklung der Zinssätze zu schätzen. Und während IAS 19 offen die Schätzung vorschreibt, setzt das konservativere deutsche Handelsrecht darauf, dass der Durchschnitt der Vergangenheit – sei es nun der Durchschnitt von 7 oder von 10 Jahren – die beste Schätzung für die Zukunft ist. Was sich jedoch bei beiden Ansätzen offenbart, ist die Unmöglichkeit, die künftige Entwicklung von Zinssätzen zuverlässig vorherzusagen – also ein klassisches Zinsänderungsrisiko.
 
In dem Zusammenhang sind und waren sich viele Unternehmen zum Zeitpunkt der Erteilung einer Pensions­zusage nicht im Klaren, dass sie neben den sowieso schon enormen Langlebigkeitsrisiken auch noch erhebliche Zinsänderungsrisiken eingegangen sind. Sie sind noch viel kritischer zu sehen, wo doch die überwiegende Zahl an Neuzusagen ausschließlich aus Gehaltsumwandlungen resultiert. Mit anderen Worten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer wetten nicht nur auf die Gesundheit des Arbeitnehmers, sondern auch noch auf die künftige Zinsentwicklung.
 

Was ist also zu tun?

Jedes Unternehmen, das betriebliche Pensionsverpflichtungen eingegangen ist oder plant (oder gezwungen ist), betriebliche Pensionsverpflichtungen einzugehen, muss sich darüber im Klaren sein, dass Bewertungs­schwankungen nicht das Problem, sondern die Auswirkung des Problems sind. Das Problem selbst besteht in dem Versprechen einer Leistung, deren zugehöriger Aufwand nicht zuverlässig vorhersehbar ist. Abhilfe kann somit nur mit der Ausgestaltung des Versprechens geschaffen werden.
 
Ein erster Ansatz ist der Wechsel von einer leistungs- zu einer beitragsorientierten Pensionszusage. Die neu geschaffene „Nahles-Rente” kann hier ein aussichtsreicher Ansatz sein. Der Wechsel muss aber nicht zwangsläufig zu einem Mittelabfluss in einen teuren und möglicherweise nicht gewollten versicherungs­förmigen Durchführungsweg führen. Auch Kontenmodelle können denselben Zweck erfüllen. Solche Kontenmodelle sind sowohl für arbeitgeberfinanzierte als auch für arbeitnehmer- bzw. mischfinanzierte Direktzusagen einsetzbar. In Verbindung mit einer festgeschriebenen Verzinsungs­vereinbarung und einer Kapitalauszahlung, die ggf. auch in mehreren Raten erfolgen kann, lassen sich die kalkulatorischen Risiken fast vollständig vermeiden.
 
Auch wenn eine Rentenzahlung unvermeidbar sein sollte, kann der Berechnungszeitpunkt zumindest auf den Zeitpunkt der Pensionierung verschoben und damit die Übernahme des Langlebigkeits- und des Zinsänderungsrisikos bis dahin vermieden werden.
 
Selbst eine Transformation eines bestehenden Versorgungswerks mit leistungsorientierten Versorgungszu­sagen ist rechtlich und technisch in den meisten Fällen möglich und für die Versorgungsberechtigten allemal besser als die Schließung des Versorgungswerks.
 
Bei geschickter Gestaltung der Pensionszusage wird die Verpflichtung in allen 3 Bewertungssystemen mit demselben Bilanzwert angesetzt werden können.

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Norbert Steinle

Dipl.-Wirtschaftsmathematiker (Univ.), Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Aktuar (DAV)

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