Keine Verschwiegenheitspflicht kommunaler Aufsichtsräte gegenüber dem Gemeinderat

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​​​​​​veröffentlicht am 5. März 2025


 

Mit Urteil vom 18.09.2024 (BVerwG 8 C 3.23) stellt das Bundesverwaltungsgericht klar, dass entgegen der bisher wohl herrschenden Meinung Aufsichtsratsmitglieder, die als Vertreter der Kommune im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft sitzen, zu Berichten auch gegenüber dem Gemeinderat verpflichtet sind. Auf ein besonderes Maß der Vertraulichkeit des Berichtempfängers kommt es dabei eben nicht an.


Weiterhin stellt das Gericht fest, dass kommunalrechtlich geregelte Auskunftspflichten taugliche Rechtsgrundlage für eine Einschränkung des aktienrechtlichen Vertraulichkeitsgrundsatzes darstellen.


Insbesondere aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen bundesrechtlichen Schweigepflichten und landesrechtlichen Informationspflichten darf dieses Urteilen nicht unbeachtet gelassen werden.


Um was geht es?

Streitpunkt des Urteils ist der Konflikt zwischen dem Aktienrecht auf Bundesebene, das eine Verschwiegenheitspflicht für Aufsichtsratsmitglieder vorgibt, und den Kommunalordnungen auf Landesebene, die den kommunalen Vertretern im Aufsichtsrat Auskunftspflichten auferlegen. Auf Bundesebene können die kommunalrechtlichen Auskunftspflichten die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht des AktG nur gem. § 394 AktG durchbrechen.

 

Sachverhalt

Ausgangslage der Entscheidung war eine Streitigkeit im Rat der Stadt Mönchengladbach, bei dem es um ein Informationsgesuch des Gemeinderats zu einer Aufsichtsratssitzung des kommunalen Beteiligungsunternehmens ging. Fraktionen des Gemeinderats forderten vom Oberbürgermeister, der die Stadt im Aufsichtsrat vertrat, Einsicht in die mit der Aufsichtsratssitzung in zusammenhängende Korrespondenz nebst Aktenvermerke und Protokoll. Der Oberbürgermeister negierte das Gesuch unter Bezugnahme auf die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht.

 

Wie haben die Gerichte entschieden?

Das zuständige Verwaltungsgericht hatte erstinstanzlich auf die Klage der Fraktionen hin, dem Informationsgesuch weitestgehend stattgegeben und den Beklagten Oberbürgermeister verurteilt, Einsicht in die Korrespondenz nebst Aktennotizen der Aufsichtsratssitzung zu gewähren, soweit nicht andere Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder Informationen über vertrauliche Berichte und Beratungen enthalten sind.


Das mit der Berufung des Beklagten angerufene Oberverwaltungsgericht Münster änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts in dem Sinne, dass es den Beklagten verpflichtete, den Klägerinnen durch namentlich benannte Ratsmitglieder Akteneinsicht zu gewähren, soweit nicht andere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Informationen über vertrauliche Berichte und Beratungen enthalten sind.


Auch hier musste sich das OVG bereits mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das aktienrechtliche Schweigerecht durch § 394 AktG suspendiert ist, damit der Akteneinsichtsanspruch der Klägerinnen gem. § 55 Abs. 4 S. 1 GO NRW gewährleistet ist. Hierbei wurde insbesondere die Frage diskutiert, ob § 394 f. AktG voraussetze, dass ein besonderes Maß an Vertraulichkeit bei dem Empfänger der Information (Gemeinderat) notwendig sei.


BVerwG: kommunalrechtliches Informationsverlangen überwiegt

Gegen die Berufungsentscheidung wurde Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt, welches sich den rechtlichen Ausführungen des OVG anschloss und zu Gunsten der Klägerinnen entschied. Damit hat das oberste Verwaltungsgericht die bisher herrschende Meinung in Hinblick auf die Vertraulichkeit des Empfängers i.S.d. § 394 AktG „zu den Akten“ gelegt.


Nach einer systematischen, historischen, logischen und wörtlichen Auslegung des § 394 AktG kommt das BVerwG zu dem Ergebnis, dass sich der Norm kein Anhaltspunkt entnehmen lasse, dass ein besonderes Maß an Vertraulichkeit des Berichtsempfängers gewährleistet sein müsse. Insofern schließe die Norm eine größere Zahl von Berichtsempfängern wie den Rat einer Kommune von vornherein nicht aus.


Nach den Grundsätzen des Demokratieprinzips gem. Art. 20 Abs. 1, 2 GG überwiege das Regelungsziel einer demokratischen Kontrolle von Kommunalunternehmen durch die zuständigen Gemeindeorgane vor der Verschwiegenheitspflicht. Insofern sein Vertreter der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat kommunaler Beteiligungsgesellschaften stets gegenüber der Verwaltung berichtspflichtig.


Weiterhin lässt das BVerwG offen, inwieweit eine Rechtsgrundlage der Berichtspflicht auf Landesebene ausgestaltet sein muss. Vorliegend wurde die landesrechtliche Berichtspflicht auf § 394 S. 3 AktG i.V.m. § 113 Abs. 5 S. 1 GO NRW gestützt, welcher lediglich unter Verwendung von unbestimmten Rechtbegriffen („Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“) zur Berichterstattung verpflichtet. Hierbei ist zu befürchten, dass die Kommunalverwaltung dies als generalklauselartiges Einfallstor der Informationserlangung nutzt.


Praktische Konsequenzen

Das Bundesverwaltungsgericht stellt damit das kommunalrechtliche Informationsverlangen über die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht. Zum Wohle der Demokratie ist der Gemeinderat tauglicher (ehemals: vertrauensvoller) Empfänger von Aufsichtsratsinformationen. Dass damit zwar eine wohlmögliche höhere Transparenz von kommunalen Beteiligungsunternehmen gewährleistet wird, mag positiv auffallen, allerdings ist auch ein Blick darauf zu werfen, dass das Gesellschaftsrecht grundsätzlich keinen Geheimnisschutz vor dem Aufsichtsrat kennt.

 

Es besteht mithin die Gefahr einer Offenlegung jedweder sensiblen Information der kommunalen Beteiligungsgesellschaft und damit einer Aushöhlung des § 394 S.2 AktG.


Erhebliche Folgen könnte die Entscheidung durch eine solche Umgehung der gesetzlich gesicherten Grenze für die Aufsichtsratsvertreter haben. Durch ihre kommunale Pflichterfüllung können sich diese gegenüber der Aktiengesellschaft schadenersatzpflichtig machen, insofern die Informationen zu weitreichend erteilt werden.

 

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