Finanzierungssystem des VRR von Kommission abgesegnet

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Die Europäische Kommission hat in der Entscheidung zum Verkehrsverbund Rhein-Ruhr die Querverbundfinanzierung als beihilferechtlich relevante Maßnahme eingestuft, die im konkreten Fall allerdings beihilfekonform ausgestaltet war. In diesem Zusammenhang mussten verschiedene Rechtsfragen in Bezug auf die VO 1370 beantwortet werden.

Die für den gesamten ÖPNV wichtige Entscheidung der Kommission (Beschluss v. 24.02.2011, C 58/206) zeigt Lösungswege und Handlungsbedarf für die beihilfekonforme Finanzierung öffentlicher Verkehre auf.
 

Aus dem Beschluss können für die Praxis vier wesentliche Erkenntnisse gezogen werden:

  • Die Voraussetzungen der VO 1370 stellen auch für Altfälle den wesentlichen Prüfungsmaßstab dar, die VO 1370 wird also rückwirkend angewandt. Ab dem 3.12.2009 gelten alle Beihilfen als neue Beihilfen und werden nach der VO 1370 beurteilt.
  • Die beihilferechtlichen Voraussetzungen der VO 1370 finden auch für Mittel aus dem steuerlichen Querverbund Anwendung. Die Anforderungen können eingehalten werden, wenn entsprechende Rückzahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden.
  • Die vergaberechtliche Übergangsregelung für Verkehre, die unter die Verordnung fallen, z.B. Dienstleistungskonzessionen, kann auch ohne Tätigwerden des Gesetzgebers durch die Behörden angewandt werden.
  • Die Kommission bewertet die personenbeförderungsrechtliche Liniengenehmigung ausdrücklich als „ausschließliches Recht” im Sinne der VO 1370.
 

Sachverhalt

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr finanziert sich über ein Umlagesystem von seinen Gebietskörperschaften, die ihm die Ausgestaltung der Finanzierung der Verkehrsunternehmen übertragen haben. Die Kommission beschränkte ihre Entscheidung auf die Ausgleichsleistungen der Jahre 2006 bis 3.12.2009. Davor geleistete Ausgleichsleistungen sah sie als sogenannte bestehende bzw. nicht mehr anzugreifende Beihilfen an.
 
Im Hinblick auf den geprüften Zeitraum unterschied die Kommission zwischen der Finanzierung der Verkehrsunternehmen unmittelbar durch den VRR und der Finanzierung der Verkehrsunternehmen durch die städtischen Holdinggesellschaften der Stadt Monheim und der Stadt Düsseldorf.
 

Beschluss der Kommission

Bei der Prüfung, ob es sich um eine unzulässige Beihilfe handelt, stellt die Kommission zunächst fest, dass die Zahlungen im Querverbund wesentlich über die Aufsichtsräte gelenkt werden, in welchen die Städte jeweils einen hinsichtlich der Zahlung maßgeblichen Einfluss ausüben und die Zahlung den Städten zuzurechnen ist.
 
Anschließend prüft die Kommission, ob das Vorliegen der Voraussetzungen des Altmark-Trans-Urteils den Tatbestand einer unzulässigen Beihilfe entfallen lässt:
 
  • Für die Betrauung (1. Altmark-Trans-Kriterium) mit der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung sieht die Kommission die dreiteilige Betrauung aus Genehmigung, Nahverkehrsplan und Zuwendungsbescheid als ausreichend an, auch wenn sie anmerkt, dass ein einzelner Gesamtbetrauungsakt die Transparenz erhöhen würde.
  • Als problematisch bewertet die Kommission jedoch die Erfüllung des dritten Altmark-Trans Kriteriums – „Keine Überkompensation”. Zum einen moniert sie, dass für den Ausgleich, der für die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen in Schwachverkehrszeiten geleistet wird, die Erlöse aus lukrativen Verkehren in Spitzenzeiten völlig unberücksichtigt bleiben. Zum anderen bemängelt sie, dass es kein Instrument gebe, welches zur Rückforderung der Differenz zwischen dem für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erforderlichen Ausgleich und der über den steuerlichen Querverbund naturgemäß unbegrenzten Verlustausgleichszahlung berechtige. Letztendlich bejaht die Kommission jedoch auch das dritte Altmark-Trans-Kriterium, da es sich bis zum 3.12.2009 um eine bestehende Beihilfe handele.
  •  Das Vorliegen der Anforderungen nach dem vierten Altmark-Trans Kriterium wird durch die Kommission verneint. Nach diesem Kriterium ist als Korrektiv auf die Kosten eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens abzustellen. Zum wiederholten Male stellt die Kommission damit sehr hohe Anforderungen an die herangezogenen statistischen Daten. Diese Daten müssten auch belegen, dass es sich um die Kosten eines durchschnittlich gut und rentabel arbeitenden Unternehmens handelt. Die meisten Unternehmen im VRR würden weiterhin nicht zu den Kosten produzieren, die dem Lohnniveau wettbewerbsfähiger Verkehrsunternehmen entsprächen. Eine beihilferechtliche Absicherung nach den Altmark-Trans-Kriterien kam daher auch aufgrund des hohen Kostenansatzes für Löhne, die über dem Marktniveau liegen, nicht in Betracht.

 

Die Kommission wendet dann jedoch die Verordnung 1370 auf den vor dem 3.12.2009 liegenden Sachverhalt an und prüft, ob die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 1 VO 1370 vorliegen. Danach sind als Maßstab der Überkompensationskontrolle nicht mehr die Kosten eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens sondern die Ist-Kosten des jeweiligen Unternehmens maßgeblich. Eine Überkompensation nach der VO 1370 ist nur dann erfüllt, wenn der Ausgleichsbetrag die Ist-Kosten des Unternehmens für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung übersteigt. Für die „ergänzende” Anwendung der VO 1370 auf Sachverhalte die vor der Geltung der VO 1370 liegen, führt sie an, dass die alte Verordnung 1191/69 außer Kraft getreten ist und die VO 1370 unmittelbar gelte. Im Ergebnis sieht die Kommission sodann die beihilferechtlichen Regelungen der VO 1370 einschließlich des Anhangs als erfüllt an.
 
In vergaberechtlicher Hinsicht führt die Kommission aus, dass die Voraussetzungen der Vergabe nach Art. 5 der VO 1370 gemäß der Übergangsregelung des Art. 8 Abs. 2 VO 1370 erst ab 2019 anzuwenden sind, auch wenn der Mitgliedstaat Maßnahmen für die schrittweise Umsetzung treffen soll. Damit steht die Kommission im Gegensatz zu den Feststellungen des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 2.11.2011, Az.: VII-Verg 48/10). Dieses hatte die Meinung vertreten, dass die vergaberechtlichen Regelungen des Art. 5 VO 1370 sofort gelten, wenn der Mitgliedsstaat nichts anderes regelt.
 
Fast nebenbei stellt die Kommission fest, dass die Genehmigung nach § 13 PBefG ein ausschließliches Recht zur Bedienung der Strecke darstelle für dass das Verkehrsunternehmen Verkehrsleistungen nach dem in der Genehmigung niedergelegten Bedingungen erbringt. Es bleibt abzuwarten, ob diese Auffassung Auswirkungen auf die Neufassung des PBefG haben wird.
 
Der Beschluss bietet den Kommunen wichtige Hinweise, ihre Finanzierung beihilfekonform zu gestalten. Er zeigt aber auch Handlungsbedarf auf, wenn eine Anpassung an die VO 1370 noch nicht erfolgt ist.
 
 
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