AGG-Hopper: Rechts­miss­bräuch­liches Entschädigungsverlangen bei Diskriminierung

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zuletzt aktualisiert am 17. Juni 2020 | Lesedauer ca. 1 Minute


Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 sieht sich die Arbeitswelt immer wieder mit dem sog. „AGG-Hoppern” konfrontiert.



 

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 11. August 2016, Az. 8 AZR 4/15, entschieden, dass ein Bewerber, der sich systematisch und zielgerichtet auf Stellen­ausschrei­bungen bewirbt, um mit den an­schließ­enden geltend gemachten Ent­schädi­gungs­ansprüchen einen Gewinn zu erzielen, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen kann (§ 242 BGB).

Während das BAG in seinen früheren Entscheidungen verlangte, dass ein Bewerber, der eine Entschädigung für die Nicht­ein­stellung nach § 15 Abs. 2 AGG forderte darlegen muss, dass er trotz einer bestehenden Eignung nicht ausgewählt wurde, änderte es mit seiner Entscheidung vom August 2016 seine Rechtsprechung zur „ob­jek­tiven Geeignetheit” eines Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle. In der neuen Entscheidung erweitert das BAG den Kreis der möglichen Anspruchsteller u.a. mit der Begründung, eine Stellenanzeige benenne oft nur Qualifikationen, die sich ein Arbeitgeber wünscht, aber auch ohne solche Quali­fikationen könnten Bewerber eingestellt werden.

Weiter änderte das BAG das bisherige „subjektive” Kriterium, nachdem sich ein Bewerber ernsthaft auf eine Stelle bewerben müsse. Nach neuer Rechtsprechung ist entscheidend, ob der „Bewerber” sich den Status als Bewerber (§ 6 Abs. 1, S. 2, Alt 1 AGG) unter einem Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erschlichen habe.

Im vorliegenden Fall hatte das BAG über die Klage eines abgelehnten Stellenbewerbers zu entscheiden, der sich schon auf mehrere Stellen beworben hatte und stets nach dem Eingang der Absage eine Entschädigung forderte. Dabei hat das BAG das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) aufgehoben und zur weiteren Sach­verhalts­auf­klärung, neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das BAG vollzog in seiner Ent­schei­dung nicht nur einen Rechtsprechungswandel, sondern übertrug die wesentliche Beweislast auch auf den potenziellen Arbeit­geber. Den bisherigen Vortrag der Beklagten/des potenziellen Arbeitgebers hat das BAG bislang nicht für aus­reichend erachtet, um in einer Gesamtschau zu einem rechts­miss­bräuch­lichen Verhalten des Bewerbers zu gelangen.

Zumindest die Rechtsprechungsänderung des BAG im Hinblick auf das Vorliegen der „objektiven Geeignetheit” wurde in Folgeentscheidungen von ihm bestätigt.


Fazit

Bei Stellenausschreibungen gilt es weiterhin, ein besonderes Augenmerk auf Formulierungen zu legen, die mög­licher­weise mit Blick auf Diskriminierungstatbestände falsch verstanden werden könnten. Auch gilt es schon während des Bewerbungsprozesses, Entscheidungsgründe zu dokumentieren, um eventuelle Ent­schä­di­gungs­­for­de­r­ungen schnell und erfolgreich abzuwehren. Durch die BAG-Entscheidungen wird es „AGG-Hoppern” künftig leichter gemacht, ohne dass ihnen der Einwand des Rechtsmissbrauchs ent­gegen­ge­halten werden kann.

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Cornelia Schmid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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