Reform der Europäischen Insolvenzverordnung – Ein Weg in Richtung Konzerninsolvenzrecht in Europa?

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von Rainer Schaaf
 
In Deutschland wird der Entwurf des Bundesjustizministeriums für ein „Konzerninsolvenzrecht” breit diskutiert. Auch auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, dem Bedürfnis nach einer effizienteren Durchführung des Insolvenzverfahrens bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, welche bei Konzernen häufig vorzufinden sind, Rechnung zu tragen. Am 12.12.2012 hat die EU-Kommission dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für eine Reform der EuInsVO vorgelegt. Ziel ist die Etablierung einer „EU-Rettungs- und Sanierungskultur” für Unternehmen in der Krise. Die Reform setzt an den Schwachpunkten der Verordnung an. Denn bislang fehlen darin insbesondere öffentliche Bekanntmachungs- oder Registrierungspflichten über eröffnete Insolvenzverfahren in den Mitgliedstaaten sowie ein einheitlich geregelter Verfahrensablauf bei Insolvenzen internationaler Konzerne. Dies erschwert die effiziente Verwaltung der „gesamten Masse” über die für jede Konzerngesellschaft einzeln zu führenden Verfahren hinweg.
 

Eckpunkte der Reform

Im Zentrum der Reform steht die Harmonisierung der Abläufe der für jede Konzerngesellschaft einzeln zu führenden Verfahren. Bezugspunkt der hierfür vorgesehenen Art. 42a ff. EuInsVO-E ist die Definition der Unternehmensgruppe, nach welcher eine solche aus mindestens einer Mutter- sowie einer Tochtergesellschaft besteht. Eine effizientere Durchführung der Einzelverfahren soll technisch durch eine Verbesserung der Koordination der Verfahren sowie der Kooperation der Gerichte und Insolvenzverwalter erreicht werden. Während das nationale Gesetzesvorhaben hierfür u.a. die Einführung eines Gruppen-Gerichtsstandes vorsieht, beschränkt sich die Reform auf europäischer Ebene auf eine konzernübergreifende Verfahrensoptimierung im Koordinationswege. Ferner sollen Insolvenzverwaltern Mitwirkungsrechte in den Verfahren der anderen Konzerngesellschaften eingeräumt werden, z.B. ein Teilnahmerecht an Gläubigerversammlungen, Antragsrechte sowie das Recht zur Vorlage eines Sanierungsplans für den gesamten Konzern.
 
Des Weiteren sollen nach dem Entwurf Missbrauchsmöglichkeiten im Hinblick auf das „Centre of Main Interests” (COMI) für die Zuständigkeitszuweisung begrenzt werden. Die Vermutung, dass der satzungsmäßige Gesellschaftssitz auch deren COMI ist, soll nur dann widerlegt werden können, wenn sich der Mittelpunkt der Verwaltung und Kontrolle der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Befinden sich die Verwaltungs- und Kontrollorgane hingegen am Gesellschaftssitz und werden dort die Verwaltungsentscheidungen in für Dritte feststellbarer Weise getroffen, kann nach den Erwägungsgründen der Reform eine Widerlegung der Vermutung und somit eine bewusste Zuständigkeitsverlagerung nicht erfolgen. Hat also eine Gesellschaft in Deutschland ihren satzungsmäßigen Sitz und auch ihre Hauptverwaltung, kann der COMI z.B. nicht, wie bislang denkbar, aufgrund anderer Indizien nach England für die Anwendung des dortigen Insolvenzrechts verlegt werden.
 

Kritikpunkte der Reform

Die geplante Reform ist ein guter Schritt in Richtung Anpassung der EuInsVO an die praktischen Bedürfnisse bei Konzerninsolvenzen. Auch eine weitere Präzisierung der Kriterien für die Bestimmung des COMI ist als positiv zu bewerten. Gleichwohl sind einzelne Punkte kritisch zu sehen. So ist eine Koordinierung der Einzelverfahren mit Drittstaaten nicht vorgesehen. In Zeiten der Globalisierung scheint dies nicht interessengerecht. Da dem Insolvenzverwalter die Rechte, in Verfahren anderer Konzerngesellschaften mitzuwirken, unabhängig von Größe und Bedeutung der Gesellschaft innerhalb des Konzerns zustehen sollen, könnte die Effektivität der Verfahrensdurchführung z.B. dadurch gefährdet werden, dass ein Insolvenzverwalter mit einer „kleinen” Konzerngesellschaft intensiv seine Rechte ausübt. Ob und wie ein länderübergreifendes Koordinierungs-System als Kernstück der Reform realisierbar ist, bleibt abzuwarten.
 
zuletzt aktualisiert am 03.09.2013

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