USA nach den Präsidentschaftswahlen: Überlegungen zur künftigen US-Steuerpolitik

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veröffentlicht am 9. November 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Dr. Dagmar Möller-Gosoge und Janine Kickler-Kreuz

  

Zum Stand 8. November 2020 steht nach einem anfänglichen Kopf-an-Kopf-Rennen der Sieger der US-Präsidentschaftswahlen fest. Somit befindet sich der Heraus­for­derer Joseph R. Biden, Jr. auf dem Weg, am 20. Januar 2021 zum 46. Präsidenten der USA vereidigt zu werden. In einigen wenigen US-Bundesstaaten ist die Stimmaus­zählung zu wiederholen. Erfahrungsgemäß wird sich aber daran, dass der President-elect die erforderliche Mehrheit der Wahlleute des Electoral College erreicht hat, nichts ändern.

  

      

Eine weitere Hürde ist zu überwinden, da der amtierende Präsident Donald J. Trump damit begonnen hat, juristische Mittel einzusetzen (u.a. Klagen auf vermeintlichen Wahlbetrug), um den Machtwechsel zu verhin­dern. Gemäß dem US-Wahlrecht müssen derartige Rechtsverfahren (inkl. einer eventuellen letztinstanzlichen Entscheidung des U.S. Supreme Court) bis zum 8. Dezember 2020 abgeschlossen sein. Sofern dann nichts entgegensteht, geben die Wahlleute am 14. Dezember 2020 ihre Stimmen ab, die am 6. Januar 2021 vom US-Kongress gezählt und bekanntgegeben werden.

 

Diese Ausgangssituation vorangestellt, lassen sich auf der Basis der aus dem Wahlkampf bekannten Steuer­pläne von Biden und deren künftige politische Durchsetzbarkeit relevante Perspektiven für das deutsche Investment in den USA für die nächsten zwei bis vier Jahre erkennen.

 

Steuerpläne von Biden

Bidens Pläne beinhalten u.a. die Anhebung des Steuersatzes bei der US-Bundeskörperschaftsteuer (KSt) von 21 auf 28 Prozent sowie eine Mindeststeuer für Buchgewinne ab 100 Mio US-Dollar. Auch ein Made-in-America Tax Credit von 10 Prozent sowie die Verlängerung von Tax Credits im Bereich der Erneuerbaren Energien ist enthalten. Bei natürlichen Personen ist – allerdings nur für Einkommen über 400.000 US-Dollar – die Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der US-Bundeseinkommensteuer (ESt) von 37 auf 39,6 Prozent vorge­sehen sowie bei der Payroll Tax die Verdoppelung der Sozialversicherungsbeiträge (jeweils beim Arbeitgeber- und beim Arbeitnehmeranteil) von 6,2 auf 12,4 Prozent. Bei Einkommen über 1 Mio. US-Dollar pro Jahr soll der ESt-Satz für langfristige Veräußerungsgewinne und für Dividenden von 20 auf 39,6 Prozent angehoben werden. 

 

Im Erbfall sieht der Biden-Plan im Prinzip eine zweistufige Ermittlung der US-Bundesnachlasssteuer vor. Demnach gilt in der 1. Stufe das US-steuerliche Nachlassvermögen zum Todestag als veräußert, sofern der fiktive Veräußerungsgewinn (Resultat aus Verkehrswert abzgl. Buchwert) insgesamt den Betrag von 400.000 US-Dollar überschreitet. Der fiktive Veräußerungsgewinn zum Todestag unterliegt der ESt mit dem Steuersatz von 20 Prozent (derzeitiger Satz für langfristige Capital Gains), aber nur sofern er unter 1 Mio US-Dollar liegt. Bei einem fiktiven Veräußerungsgewinn ab 1 Mio. US-Dollar wird die ESt-Tabelle angewendet, deren Spitzensteuersatz dann 39,6 Prozent beträgt. Bei US-Personen käme noch die (auch schon bisher bestehende) Net Investment Tax von 3,8 Prozent hinzu.

  

In der 2. Stufe unterliegt das restliche Nachlassvermögen (also Verkehrswert abzgl. der vorgenannten ESt-Verbindlichkeit für den fiktiven Veräußerungsgewinn) der Nachlasssteuer mit Steuersätzen von 18 bis 45 Prozent, wobei der Spitzensteuersatz von 40 auf 45 Prozent angehoben wird. Der allgemeine Nachlass­steuer­freibetrag für US-Personen sinkt im Biden-Plan von den bisherigen 11,58 auf 3,5 Mio. US-Dollar; er gilt grundsätzlich nicht für beschränkt steuerpflichtige Nachlässe. 

 

Politische Durchsetzbarkeit

Ob überhaupt, wann im Zeitablauf und in welchem Ausmaß die Biden-Steuerpläne politisch durchsetzbar sind, hängt vor allem davon ab, wie sich die Mehrheitsverhältnisse im House of Representatives und im Senat gestalten. Im House haben die Demokraten eine bequeme Mehrheit. Im Senat sieht es anders aus: Von insgesamt 100 Sitzen fallen gegenwärtig (8. November 2020) 48 auf die republikanische Partei (Grand Old Party, kurz: GOP), 46 auf die Demokraten und 2 auf parteiunabhängige Senatoren (die sich erfahrungsgemäß den Stimmen der Demokraten anschließen). 4 Sitze sind derzeit noch nicht vergeben. In Alaska und in North Carolina läuft die Stimmauszählung noch, wobei dort die GOP-Kandidaten führen. Die restlichen 2 Sitze aus Georgia können erst am 5. Januar 2021 in einer Stichwahl vergeben werden. Ein mögliches Szenario wäre also eine Pattsituation im Senat, sofern die beiden in der Stichwahl ermittelten Sitze an die Demokraten gehen würden. Bei einem Patt hat die Vizepräsidentin der USA die entscheidende Stimme und das wäre in der Biden/Harris Legislaturperiode die gerade gewählte Kamala D. Harris. Würde nur einer der beiden Sitze aus der Stichwahl an die GOP fallen, würde diese die Mehrheit im Senat behalten. Die nächsten Senatswahlen finden erst in zwei Jahren statt.  

 

Ein von der GOP beherrschter Senat wird Biden dazu bringen, mit seinem Programm mehr in die politische Mitte zu rücken. Somit werden mindestens harte Kompromisse notwendig sein. Die von Biden geplanten Verschärfungen bei der Nachlasssteuer sind daher eher unwahrscheinlich, solange die GOP die Mehrheit im Senat behält. Fraglich wird auch sein, welche Priorität die Steuerpolitik gegenüber den anderen drängenden Problemen der USA einnehmen wird, wobei z.B. die Erhöhung der KSt zur Haushaltssanierung notwendig werden könnte. 

 

Perspektiven für deutsches Investment in den USA

Auf der Basis der oben angedeuteten Biden-Steuerpläne könnten sich im Fall der Anhebung der US-Ertrag­steuersätze folgende potenzielle Steuerbelastungswirkungen für deutsches Investment in den USA (Spitzentarife, angenommener US-Bundesstaatensteuersatz von 6 Prozent, vereinfachte Kalkulation) ergeben: 

  • Bei natürlichen Personen (Direktinvestment oder mittels US- bzw. dt. Personengesellschaft): von bisher 41 auf 43 Prozent 
    • Bei Kapitalgesellschaften (Direktinvestment oder über US-Corporation):
      • bei Gewinnthesaurierung in den USA: von bisher 25,7 auf 32,3 Prozent
      • bei Gewinnausschüttung bis zur deutschen Mutterkapitalgesellschaft: von bisher 26,8 auf 32,8 Prozent
      • bei Gewinnausschüttung bis zu den Gesellschaftern der deutschen Muttergesellschaft resultiert wegen der deutschen Abgeltungssteuer bzw. des Teileinkünfteverfahrens eine höhere Ertragsteuerbelastung

 

Ebenfalls auf der Basis der oben angedeuteten Biden-Steuerpläne könnten sich im Fall der Verschärfung bei der US-Nachlasssteuer folgende potenzielle Steuerbelastungswirkungen für deutsches Investment in den USA (bei vorausgesetzter beschränkter US-Nachlasssteuerpflicht) ergeben: 

  • Bei US-steuerlichen Nachlässen mit einem fiktiven Veräußerungsgewinn bis zu 400.000 US-Dollar wird der fiktive Veräußerungsgewinn nicht besteuert, so dass sich eine max. US-Nachlasssteuer von 45 Prozent ergibt, die sich im Fall der Vererbung an Ehegatten aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland/USA drastisch verringern kann.
  • Bei US-steuerlichen Nachlässen mit einem fiktiven Veräußerungsgewinn von mehr als 400.000 US-Dollar kann sich aufgrund der Kumulierung von fiktiver Veräußerungsgewinnbesteuerung und Nachlassbesteuerung des Restbetrags im Einzelfall eine höhere Gesamtsteuerbelastung des Nachlasses ergeben, nämlich bis zu 56 bzw. 67 Prozent je nach im Steuerplan vorgesehener Einkommenskategorie. Die Höhe der Mehrbelastung über die bisherigen max. 40 Prozent hinaus hängt insbesondere vom Verhältnis von Veräußerungsgewinn zum Verkehrswert des Nachlasses und von der Höhe des Freibetrags ab (erbende Ehegatten erhalten einen weitaus höheren Freibetrag als andere Erben).

 

Denkbare Handlungsalternativen zur Minimierung bzw. Vermeidung sowohl der US-ertragsteuerlichen als auch der US-nachlasssteuerlichen Nachteile wären im Fall von Familienunternehmen der Weg von der steuerlich transparenten US/deutschen Beteiligungsstruktur mit Personengesellschaften in die steuerlich intransparente Struktur mit Kapitalgesellschaften.  Als sich im Einzelfall ggf. anbietende, u.U. vorteilhaftere Alternative sollte eine Struktur in Betracht gezogen werden, bei der die US-Tochtergesellschaft in der Rechtsform der Limited Partnership von der Muttergesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG gehalten wird und die Muttergesellschaft nach dem Check-the-box-Wahlrecht zur US-steuerlichen Behandlung als Corporation optiert. Diese Vorgehensweise eignet sich im Einzelfall auch für US-Immobilieninvestitionen vermögender Privatpersonen.

 

Auch ein Vorziehen einer Schenkung oder eines Verkaufs von US-Assets – idealerweise noch vor dem 31. Dezember 2020 – könnte zur Vermeidung der ggf. höheren Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn und der ggf. höheren US-Nachlassteuer in Betracht gezogen werden.           

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