Erbschaftsteuer 2016: Gesetzentwurf mit Tücken

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Das Bundesfinanzministerium hat den Entwurf der Neuregelung zur Erbschaft- und Schenkungsteuer vorgelegt. Die Verschonung bei der Nachfolge wird künftig bei großen Unternehmen deutlich restriktiver gehandhabt. Eine erste Analyse. 
 
Im Dezember 2014 stellte das Bundesverfassungsgesetz den Gesetzgeber vor die Aufgabe, eine Reform des Erbschaftsteuergesetzes einzuleiten. Die zur Überprüfung gestellte Betriebsvermögensbegünstigung wurde grundsätzlich als zulässig beurteilt, es gibt jedoch Nachbesserungsbedarf an einigen zentralen Punkten. Seitdem läuft eine fachliche und politische Auseinandersetzung darüber, wie die Erbschaftsteuer gleichzeitig verfassungskonform und ohne unangemessene Belastung von Familienunternehmen umzugestalten ist. Gegensätzliche Positionen ziehen sich durch alle beteiligten Institutionen und Parteien und stehen einander zunehmend unversöhnlich gegenüber. Die letzte Runde eines Annäherungsversuchs, nämlich die Bund-Länder-Konferenz der Finanzminister am 7. Mai 2015, ist ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen.

In diese Situation der verhärteten Fronten hinein hat das Bundesfinanzministerium am 2. Juni 2015 seinen Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts” veröffentlicht und setzt damit seine in den „Eckpunkten” vom Februar 2015 bereits vorgegebene und heftig kritisierte restriktive Linie zur Neufassung der Betriebsvermögensbegünstigung beinahe unverändert um. Die politischen Zeichen stehen damit in den nächsten Wochen auf Konflikt. Es ist nicht anzunehmen, dass die Länder, denen die Erbschaftsteuer zusteht, sowie die Wirtschaftspolitiker verschiedener Parteien die Vorgaben aus dem Hause Schäuble so hinnehmen werden. Selbst aus den eigenen Reihen von CDU/CSU erntete der Entwurf bereits Kritik. Der Bundesfinanzminister wird mit dem vorgelegten Referentenentwurf die Debatte nicht beherrschen können, sondern sie eher noch befeuern. Noch weiß niemand, wie die Regelungen zur Erbschaftsteuer im Jahr 2016 tatsächlich aussehen werden. Die BMF-Vorstellungen einer reformierten Betriebsvermögensbegünstigung werden wohl das Gesetzgebungsverfahren aber nicht ohne wesentliche Änderungen und Ergänzungen passieren können.
 
Vor diesem Hintergrund stellen wir Ihnen im Folgenden den Referentenentwurf in den wesentlichen Punkten vor.
 

1. Grundprinzip

Die Betriebsvermögensbegünstigung bleibt grundsätzlich weiter erhalten. Wer ein gewerbliches oder freiberufliches Unternehmen, einen land- und fortwirtschaftlichen Betrieb oder eine qualifizierte Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (> 25 Prozent) erbt oder im Rahmen einer vorweggenommenen Nachfolge unentgeltlich erwirbt, erhält bei der Erbschaftsteuer weiterhin eine weitgehende Verschonung, wenn er den Betrieb innerhalb vorgegebener Fristen in bestimmtem Umfang fortführt.

Bei der Regelverschonung wird – wie bisher – 85 Prozent des begünstigten Vermögens von der Erbschaftsteuer verschont. Wird die Optionsverschonung gewählt, ist – ebenfalls wie bisher – eine 100 prozentige Verschonung des begünstigten Vermögens von der Steuer möglich.

Die Voraussetzungen der Betriebsvermögensbegünstigung werden jedoch verschärft, ihr Umfang eingeschränkt. Sog. nicht-begünstigtes Betriebsvermögen fällt nicht mehr in die Begünstigung und ist regulär zu versteuern. Auch kleine Unternehmen mit mehr als 3 Mitarbeitern müssen zukünftig den Umfang der Fortführung anhand eines Lohnsummentests nachweisen. Große Unternehmen unterliegen einer Bedürfnisprüfung und erhalten einen Erbschaftsteuererlass oder eine Stundung der Erbschaftsteuer nur noch insoweit, als dies zur Sicherung der Fortführung des Unternehmens und im Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erwerbers erforderlich ist.
 

2. Besteuerung des nicht-begünstigten Betriebsvermögens

Es wird unterschieden in begünstigtes, weil notwendiges Betriebsvermögen, das von der Erbschaftsteuer verschont wird, und nicht-begünstigtes Betriebsvermögen, das, unabhängig von seiner Höhe, der regulären Erbschaftsteuer unterworfen wird.

Das begünstigte Betriebsvermögen wird positiv definiert: das Betriebsvermögen muss dem Hauptzweck der gewerblichen, freiberufliche oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dienen. Es darf also nicht „herauslösbar” sein, ohne die betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Daneben wird auch originär nicht begünstigtes Vermögen wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit es nur geringfügig ist und wertmäßig 10 Prozent des begünstigten Vermögens nicht übersteigt.

Den Begriff des Verwaltungsvermögens enthält der Referentenentwurf nicht mehr, ebenso wie den bisherigen Verwaltungsvermögenstest. Die Quote des Verwaltungsvermögens bei einem Unternehmen hat in Zukunft keine Auswirkung mehr auf die Gewährung einer Betriebsvermögensbegünstigung und ihren Umfang.

Um die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Gestaltungsmöglichkeiten zur Mitbegünstigung von Verwaltungsvermögen in Konzernen zu beseitigen, wird das nicht-begünstigte Vermögen in Unternehmensgruppen im Rahmen einer konsolidierten Betrachtung ermittelt.
 

3. Lohnsummenprüfung auch für kleine Unternehmen

Die bisherige Grenze für die Anwendung der Lohnsummenprüfung für Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern wird deutlich reduziert. Nur noch Kleinst-Unternehmen mit nicht mehr als 3 Arbeitnehmern erhalten als Vereinfachung die Betriebsvermögensbegünstigung, ohne anhand der Lohnsumme den Umfang der Unternehmensfortführung nachweisen zu müssen.
 
Für Unternehmen zwischen 4 bis 10 Arbeitnehmern wird eine gestaffelte Regelung eingeführt; die Mindestlohnsumme beträgt 250 Prozent bei der Regelverschonung und 500 Prozent in Fällen der Optionsverschonung. Für größere Unternehmen, nun jedoch bereits ab 10 Mitarbeiter, gelten die bisherigen Grenzen fort.
 

4. Bedürfnisprüfung für große Unternehmen

Die bisherige Betriebsvermögensbegünstigung (im Regelfall 85 Prozent Verschonungsabschlag auf den Steuerwert des unternehmerischen Erwerbs, im Optionsmodell 100 Prozent) wird nur noch für kleine und mittlere Unternehmen gewährt. Große Unternehmen müssen dagegen im Rahmen einer Bedürfnisprüfung nachweisen, ob und in welchem Umfang eine Verschonung erforderlich ist.

Die Größengrenze für die neu eingeführte Verschonungsbedarfsprüfung wird bei einem Wert des erworbenen Vermögens von 20 Mio. Euro gezogen. Sie gilt bezogen jeweils auf den einzelnen Erwerber. Erwerbe von Anteilen an demselben Unternehmen von demselben Übertragenden innerhalb von 10 Jahren werden zusammengerechnet. Es handelt sich dabei um eine Freigrenze, d.h. auch nur bei geringfügigem Überschreiten muss sich das Unternehmen in vollem Umfang der Bedürfnisprüfung stellen.

Der Wert von 20 Mio. Euro verdoppelt sich auf 40 Mio. Euro, soweit der Gesellschaftsvertrag nur sehr restriktive Entnahme-/Ausschüttungsmöglichkeiten vorsieht und ein Ausscheiden bzw. die Veräußerung der Beteiligung oder des Anteils einschränkt. Weiterhin müssen diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen über einen Zeitraum von 10 Jahren vor und 30 Jahre nach Entstehung der Steuer bestehen.

Für die Bedürfnisprüfung wird die Erbschaftsteuer, die ungeschmälert auf das begünstigte Betriebsvermögen anfällt, den zu ihrer Finanzierung beim Erwerber zur Verfügung stehenden Mitteln gegenübergestellt. Zur Finanzierung sind heranzuziehen:
  • 50 Prozent des mit der Erbschaft/Schenkung übergegangenen Vermögens, das nicht begünstigtes Betriebsvermögen ist, sowie
  • 50 Prozent des weiteren (bisherigen) Vermögens des Erwerbers, soweit dieses nicht selbst begünstigtes Vermögen darstellt.
 
Soweit die rechnerische Erbschaftsteuer aus diesen Mitteln gezahlt werden kann, ist sie festzusetzen, andernfalls wird sie unter Erfüllung weiterer Fortführungsvoraussetzungen erlassen. Die festzusetzende Steuer kann jedoch zur Vermeidung von Härten ganz oder teilweise bis zu 6 Monaten gestundet werden.
 

5. Weitere Änderungen

Neu enthalten im Referentenentwurf ist ein Verschonungsabschlag bei Erwerben von Anteilen oder Beteiligungen an großen Unternehmen (Überschreiten der Grenze von 20 bzw. 40 Mio. Euro). Wenn der Erwerber keine Verschonungsbedarfsprüfung durchführen möchte, kann er auch einen sog. (verminderten) Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen. Dabei verringert sich der Verschonungsabschlag bei einem Erwerb zwischen 20 und 110 Mio. Euro kontinuierlich um 1 Prozentpunkt je 1,5 Mio. Euro. Ab einer Grenze von 110 Mio. EUR gilt ein konstanter Abschlag von 25 Prozent (bei Regelverschonung) bzw. 40 Prozent (bei Optionsverschonung).
 

6. Inkrafttreten

Die Neuregelung soll  nach dem Referentenentwurf am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Eine rückwirkende Anwendung ist (bisher) nicht vorgesehen.

Nach dem bisherigen Zeitplan war ein in Kraft treten der Neuregelung zum 1. Januar 2016 geplant. Aufgrund der erheblichen Widerstände in Politik und Wirtschaft erscheint es allerdings fraglich, ob dieser Zeitplan tatsächlich einhaltbar ist. Es gibt gerade aus den Bundesländern Stimmen, die ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2016 für unrealistisch und teilweise sogar den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Termin 30. Juni 2016 für sehr ambitioniert halten.

Sollte sich das Gesetzgebungsverfahren jedoch über den Jahreswechsel hinziehen, kann aus heutiger Sicht nicht sicher vorhergesehen werden, ob sich auch der Anwendungstermin ins neue Jahr verschiebt oder die Neuregelung auf den 1. Januar 2016 zurückbezogen wird.
 

7. Kritikpunkte

Insbesondere in der Kritik stehen folgende Punkte: Einbeziehung des Privatvermögens im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung – auch wenn dies nur bis zu 50 Prozent erfolgen soll. Es wird kritisiert, dass es hier zu einer „heimlichen” Vermögensteuer komme, indem bereits versteuertes Vermögen für die Zahlung der Erbschaftsteuer herangezogen wird.

Die Größengrenze von 20 Mio. Euro stand auch bereits länger in der Kritik. Die Abstufung von 40 Mio. Euro wird hieran auch nichts wesentlich ändern, da eine Grenze von 100 Mio. Euro oder mehr gefordert wurde.
Auch die Abgrenzung von begünstigtem Vermögen zu nicht begünstigtem Vermögen dürfte in der Praxis in Einzelfällen zu Schwierigkeiten oder unliebsamen Ergebnissen führen. Hier wird sich anhand von Fallbeispielen Klärungsbedarf zeigen.

In einem Punkt scheint es jedoch kaum Widerstand zu geben. Dies betrifft die Größenabgrenzung bei der Lohnsummenregelung bei kleinen, mittleren und größeren Unternehmen. Hier wird es wahrscheinlich nicht zu weiter reichenden Änderungen kommen.
 

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