Wahlrecht bei der Erbschaftsteuer: Verschonungsbedarfsprüfung vs. Abschmelzmodell

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von Hugo Meichelbeck und Bernd Frenzel

   

Erwerbe großer Familien­unternehmen mit einem Wert des begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. Euro werden künftig bei der Erbschaft­steuer nur noch durch einen Steuer­erlass verschont, soweit der Erwerber nachweist, dass die anfallende Schenkung- bzw. Erbschaft­steuer nicht aus dem Privat­vermögen beglichen werden kann („Ver­schonungs­bedarfs­prüfung”). Hierbei sind 50 Prozent des bereits vorhandenen bzw. des erworbenen nicht begünstigten Vermögens Zahlung der Steuer heranzuziehen. Alternativ zur Ver­schonungs­­bedarfs­prüfung kann auf Antrag das sog. Abschmelzmodell in Anspruch genommen werden.
 

Der reguläre Verschonungsabschlag sinkt dabei für je 750.000 Euro, die der Wert des be­günstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. Euro übersteigt, um jeweils 1 Prozentpunkt.

 

Beispiel 1:

Bei einem (begünstigten) Unternehmens­wert von 50 Mio. Euro konnte unter Anwendung der Options­verschonung bisher ein Verschonungs­abschlag von 100 Prozent in Anspruch genommen werden. Der Verschonungs­abschlag wird sich nunmehr um 32 Prozentpunkte [(50 Mio. Euro – 26 Mio. Euro) / 750.000 Euro] verringern und somit nur noch 68 Prozent betragen, der auf den steuer­pflichtigen Betrag von 50 Mio. Euro anzuwenden wäre. Im Ergebnis wäre ein Betrag von 16 Mio. Euro steuerpflichtig.

 

Die Verschonungsbedarfsprüfung im Detail

Für die Frage, ob die Grenze von 26 Mio. Euro für begünstigtes Vermögen überschritten ist und somit grundsätzlich kein Verschonungs­abschlag mehr gewährt wird, ist auf den Erwerber (Erbe oder Beschenkter) abzustellen. Hierbei sind alle Erwerbe der letzten 10 Jahre zu addieren. Wird in der Summe der Schenkungen bzw. Erbschaften von der gleichen Person die Grenze von 26 Mio. Euro überschritten, entfällt rück­wirkend auch der bisherige Verschonungs­abschlag für die Vor­schen­kungen. Hiervon ausgenommen sind Zuwendungen, die vor dem 1. Juli 2016 erfolgten und wirksam geworden sind.

 

Die Steuer wird teilweise oder voll­ständig erlassen, wenn sie nicht aus dem verfügbaren Ver­mögen des Erwerbers gezahlt werden kann. Zu dem zur Steuer heran­­zu­z­iehenden verfüg­baren Vermögen zählt 50 Prozent des gesamten nach dem ErbStG nicht begünstigten Vermögens. Neben dem Privatvermögen also auch sog. junges Verwaltungsvermögen und sonstiges Verwaltungsvermögen, wenn es mehr als 10 Prozent des festgestellten Unter­nehmens­­wertes ausmacht. Das gilt sowohl für den Betrieb, dessen Übergang gerade besteuert werden soll, als auch für begünstigungsfähiges Betriebs­vermögen, das der Erwerber bereits hält. Verwaltungs­vermögen im Rahmen eines begünstigungsfähigen Betriebsvermögens sind insbesondere fremd vermietete Grundstücke, Wertpapiere und Beteiligungen an Kapital­gesell­schaften mit einer Beteiligungs­quote < 25 Prozent Es kann aber auch ein sog. Cash-Über­bestand im Betriebs­vermögen zu Verwaltungs­vermögen führen, der dann für die Zahlung der Erbschaft- oder Schen­kung­steuer einzusetzen wäre. Es ist sowohl das Privat­vermögen einzubeziehen, das bereits vor dem Erwerb vorhanden war, als auch solches, das durch den Erwerb hinzugekommen ist. Außerdem wird in die Verschonungs­bedarfs­prüfung weiteres „verfügbares Vermögen” einbezogen, das der Erwerber innerhalb von 10 Jahren nach dem begünstigten Erwerb durch Schenkung oder von Todes wegen erhält. 50 Prozent des verfüg­baren Vermögens müssen für die Erbschaftsteuerzahlung auf das begünstigte Betriebsvermögen eingesetzt werden, eine darüber hinausgehende Steuerschuld wird erlassen. Insbesondere wenn Familienvermögen in mehreren Schritten auf die Nachkommen übergehen, können sich hieraus nicht zu unterschätzende Nachteile ergeben, da vorhandenes Privatvermögen ggf. mehrfach zur Steuerzahlung heranzuziehen ist.

 

Sollte keine Bedürftigkeit vorliegen, kann die anfallende Steuer über einen Zeitraum von 6 Monaten gestundet werden. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn für die Steuerzahlung ein Kredit aufgenommen oder Vermögen veräußert werden muss. Für die Stundung fallen allerdings Stundungszinsen i.H.v. 6 Prozent p.a. an. Lässt sich der Erbe eines großen Firmenvermögens auf die Verschonungs­bedarfsprüfung ein, muss er sein Privatvermögen lückenlos offenlegen. Nur dann kann er die Steuerbegünstigung nutzen.

 

Das Abschmelzmodell im Detail

Wer das nicht will, kann stattdessen auf ein „Abschmelzmodell” zurückgreifen. Dabei wird zwar noch ein Ver­schonungs­abschlag gewährt, mit wachsendem Firmenvermögen wird aber ein immer größerer Teil des Betriebs­vermögens versteuert. Die Ver­schonung sinkt mit der Größe des Unternehmens­vermögens. Ab einem Erwerb des begünstigten Vermögens von 90 Mio. Euro ist kein Verschonungs­abschlag mehr möglich. Der ursprüngliche Verschonungs­abschlag von 85 Prozent (bzw. 100 Prozent bei Anwendung der Options­verschonung) sinkt um jeweils 1 Prozent­punkt je volle 750.000 Euro, die der Wert von 26 Mio. Euro überschritten wird. Wendet man das Abschmelzmodell an, werden auch frühere, in den letzten 10 Jahren erfolgte Erwerbe davon erfasst. Im Ergebnis können somit frühere Erwerbe, die unter Anwendung der Optionsverschonung bereits zu 100 Prozent steuerbefreit waren, nachträglich zumindest teilweise der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegen. Erwerbe, für die die Steuer erlassen wurde, bleiben dagegen weiterhin steuerfrei.

 

Beispiel 2:

Im Jahr 2017: Schenkung 1 = 7 Mio. Euro unter Anwendung der Optionsverschonung; dadurch zunächst vollständig steuerfrei.

Im Jahr 2018: Schenkung 2 = 25 Mio. Euro unter Anwendung des Abschmelzungsmodells

      

Lösung:

  • Die beiden Erwerbe werden zusammengerechnet = 32 Mio. Euro.
  • Die Freigrenze von 26 Mio. Euro ist um 6 Mio. Euro überschritten.
  • Der Verschonungsabschlag sinkt um 8 Prozent (6 Mio. Euro / 750.000 Euro) und beträgt nun 92 Prozent.
  • Der Verschonungsabschlag wird auf beide Schenkungen angewandt: 32 Mio. Euro x 92 Prozent = 29,44 Mio. Euro.
  • Die Schenkung ist insgesamt in Höhe von 2,56 Mio. Euro steuerpflichtig. Es ergibt sich eine Schenkung­steuer von ca. 486.000 Euro (Steuerklasse I; ohne Berücksichtigung von Freibeträgen).

 

Ohne Anwendung des Abschmelz­modells würde in dem oben genannten Beispiel 2 die 1. Schenkung ebenfalls in die Steuer­berechnung einbezogen werden. Der früher gewährte Verschonungsabschlag würde rückwirkend entfallen. Da die Zuwendungen innerhalb des 10-Jahreszeitraums mehr als 26 Mio. Euro betragen, würde die 2. Schenkung rückwirkend ebenfalls keinen Verschonungs­abschlag mehr erhalten und wäre in voller Höhe steuerpflichtig. Die Schenkung­steuer würde 9,6 Mio. Euro betragen. Hier wäre zu prüfen, inwieweit das verfügbare Vermögen ausreicht, die Schenkungsteuer zu begleichen oder ob die Steuer ggf. vollständig oder zumindest teilweise erlassen wird.

 

Vorteile können sich insbesondere in einer 10-jährigen Über­gangs­phase ergeben. Für begünstigte Erwerbe, die vor dem 1. Juli 2016 erfolgten, entfällt der Verschonung­sabschlag nicht rückwirkend, sondern bleibt weiterhin bestehen. Somit würden lediglich die unter die Neuregelung fallenden Folgeübertragungen, durch die sich die Gesamt­zuwendungen der letzten 10 Jahre über die Grenze von 26 Mio. Euro bewegen, dem allgemeinen Steuersatz oder dem Abschmelz­modell unterliegen. Unterstellt man in dem oben dargestellten Beispielsfall 2, dass die 1. Schenkung vor dem 1. Juli 2016 erfolgt ist, würde sich die Schenkung­steuer wie folgt berechnen:
  • Die Grenze von 26 Mio. Euro ist um 6 Mio. Euro überschritten.
  • Der Verschonungsabschlag reduziert sich um 8 Prozent und beträgt dann 92 Prozent.
  • Der Verschonungsabschlag für die 1. Schenkung bliebe bestehen.
  • Die 2. Schenkung ist zu 92 Prozent von der Schenkungsteuer befreit = 25 Mio. Euro x 92 Prozent = 23 Mio. Euro.
  • Die Schenkung ist in Höhe von 2 Mio. Euro steuerpflichtig. Es ergibt sich eine Steuer von 380.000 Euro.
     

Ohne Anwendung des Abschmelzmodells wäre die 2. Schenkung in voller Höhe steuerpflichtig. Die Schenkungsteuer würde 6,75 Mio. Euro betragen.

 

Sowohl das Abschmelzmodell als auch die Verschonungs­bedarfs­prüfung müssen vom Steuer­pflichtigen beantragt werden. Der Antrag für die Anwendung des Abschmelzmodells schließt eine Verschonungs­bedarfs­prüfung aus und ist unwiderruflich. Bei Anwendung des Abschmelzmodells gelten die bisherigen Behaltefristen sowie Lohnsumme, Überentnahmen und Veräußerungs­beschränkungen. Bei einem Steuererlass gilt eine Behaltensfrist von 7 Jahren mit den erhöhten Kriterien des Optionsmodells.

  

zuletzt aktualisiert am 13.07.2016 

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Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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