Erste höchstrichterliche Entscheidung zu Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen gegen gemeinnützige Krankenhausträger

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​veröffentlicht am 14. März 2022; Autoren: Lorenz Bonkhoff, Christian Höchemer

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Zum Jahresschluss 2021 ist eine erste Entscheidung zu Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen gegen die gemeinnützigen Krankenhausträger wegen überzahlter Umsatzsteuer auf ambulant abgegebene Fertigmedikamente durch das Bundessozialgericht ergangen (BSG, Beschl. v. 10.11.2021 – B 1 KR 5/21 B). Die Nichtzulassungsbeschwerde der klagenden Krankenkasse gegen die abschlägige Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg wird mit ausführlicher Begründung zurückgewiesen.


Bereits im Juli 2013 hatte der BFH in 2 Urteilen (31.7.2013, I R 82/12 und I R 31/12) die ambulante Abgabe von Zytostatika durch steuerbegünstigte Krankenhausträger im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 67 AO zugeordnet. In einer weiteren Entscheidung vom 18.10.2017 (V R 46/16) erweiterte der BFH daraufhin den Gegenstandsbereich des Zweckbetriebes nach § 67 AO abermals, indem er ebenfalls die Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung an Hämophiliepatienten (sog. Faktorpräparate) zur ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung dem Krankenhaus-Zweckbetrieb zuordnete.
 
Viele Krankenkassen sind in Folge der oben genannten Rechtsprechung des BFH und der Änderung des Anwendungserlasses zur Umsatzsteuer durch die Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass die von gemeinnützigen Krankenhausträgern im Rahmen der ambulanten Behandlung abgegebenen Fertigmedikamente zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG von 7 Prozent abgerechnet werden müssen – denn für Umsätze eines Zweckbetriebs greift im Regelfall der ermäßigte Steuersatz.

 

Da die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes aber nicht rechtlich sicher geklärt war, wurden diese Medikamente regelmäßig mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent abgerechnet, sodass sich rechnerisch zugunsten der Krankenkassen ein Rückforderungsanspruch von 12 Prozent ergeben würde.

 

Im Zuge dieser Überzeugung sind von den Krankenkassen, insbesondere den Ersatzkassen, Fragebögen sowie Aufforderungen zur Abgabe von Verjährungsverzichtserklärungen an die Krankenhausträger ausgelaufen und auch Klagen in erheblichem Umfang angestrebt worden.

 

Begründet wurden die Klagen dabei ganz wesentlich unter erheblicher Bezugnahme auf die ähnlich gelagerte Entscheidung des BSG vom 9.4.2019 (B 1 KR 5/19 R) zu den Rückforderungsansprüchen von Umsatzsteuer auf Zytostatikazubereitungen.

 

In zweiter Instanz war jedoch die klagende Krankenkasse mit ihren Anträgen auf Rückzahlung der anteiligen Umsatzsteuer für in den Jahren 2010 bis 2012 abgerechnete Medikamente vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urt. v. 9.12.2020 – L 5 KR 2614/17) unterlegen. Das LSG hatte dabei die Revision nicht zugelassen.

 

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wurde nun mit nicht unerheblichem Argumentationsaufwand durch das BSG zurückgewiesen.

 

Hierbei kommt es im Wesentlichen zu einer Auseinandersetzung mit der Leitentscheidung des BSG vom 9.4.2019 bezüglich der Rückforderung von Umsatzsteuer gegen den Krankenhausträger wegen ambulant abgegebener patientenindividueller Zubereitungen.

 

In der zuvor ergangenen Leitentscheidung des BSG hatte der erste Senat eine Regelungslücke in den zugrundeliegenden § 129 a SGB V-Rahmenverträgen erkannt und eine ergänzende Vertragsauslegung für geboten erachtet (B 1 KR 5/19 R - BSGE 128, 65 = SozR 4-2500 § 129 a Nr. 2, Rn. 16). Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung besteht nach dem Urteil des BSG insofern ein Rückzahlungsanspruch auf zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer soweit die Steuerverwaltung ihre Auffassung über die Umsatzsteuerpflicht bzgl. der betroffenen Medikamente geändert und insoweit eine Umsatzsteuerpflicht auch mit Rückwirkung verneint hat und das beklagte Krankenhaus sich diese Umsatzsteuerüberzahlung auch wieder einfach und risikolos zurückholen kann (BSG, Urt. v. 9.4.2019, B 1 KR 5/19 R, Rn 25).

 

Ungeachtet der Tatsache, dass gerade die Rückabwicklung der insoweit überzahlten Umsatzsteuerbeträge aufgrund unrichtiger Rechnungsausweise (§ 14c UStG) regelmäßig in tatsächlicher Hinsicht weder einfach noch risikolos ist, erkennt das BSG im aktuellen Beschluss vom 10.11.2021 (B 1 KR 5/21 B, BeckRS 2021, 39276 Rn. 8, beck-online) keine analoge Anwendbarkeit der Zytostatika-Rechtsprechung bezüglich der Frage, ob die ambulante Abgabe von Fertigmedikamenten zum Regelsteuersatz von 19 Prozent gleichfalls zu rückerstattungsfähigen Steuerbeträgen führt.

 

Der Senat erkennt im vorliegenden Beschluss weder eine durch die Finanzgerichtsbarkeit endgültig festgestellte fehlerhafte steuerliche Anwendung des Regelsteuersatzes von 19 Prozent, noch eine veränderte Erlasslage der Finanzverwaltung (BSG, Beschl. v. 10.11.2021, a. a. O., Rn. 8, 20) an.

 

Auch sieht das BSG keine Verletzung einer Nebenpflicht zugunsten der Klägerin, wonach eine endgültige Festsetzung der Umsatzsteuer durch Sicherungsmaßnahmen verhindert werden müsste. Hier wird auch nochmal klargestellt, dass keine Prozessführungslast der Krankenhausträger besteht (BSG, a.a.O., Rn 18).

 

Bereits die fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob für die ambulant abgegebenen Fertigarzneimittel bei gemeinnützigen Krankenhausträgern der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent zur Anwendung kommt, widerspräche einer durch das BSG voreilenden steuerlichen Rechtsentscheidung der Alleinzuständigkeit der Finanzgerichte (vgl. ebd., Rn 18).

 

In Folge dessen wurde auch für die Vergangenheit ein Rückforderungsanspruch verneint.

 

Wie die Rechtsanwender mit der Entscheidung des BSG umgehen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Aus Sicht der klagenden Krankenkassen liegt es nahe, die laufenden Prozesse so lange wie möglich zu verzögern und auf eine klärende Änderung der Finanzverwaltungsauffassung zu warten. Ob und wann die Finanzverwaltung ihre Auffassung jedoch ändert, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch völlig offen. Wie wir wissen, liegen entsprechende Anfragen der Interessenvertreter der Krankenhäuser sowie der Krankenkassen bereits seit Längerem bisher unbeantwortet beim Bundesfinanzministerium.

 

Letztlich wird es bis zu einer entsprechenden Änderung weiterhin eine Einzelfallentscheidung der Krankenhausträger bleiben, sich auf die verschleppende Haltung der Krankenkassen einzulassen oder zügig streitige Entscheidungen herbeizuführen oder auf Vergleiche zu drängen.

 

Wir sehen dabei jedoch insbesondere vor dem Hintergrund dieser BSG-Entscheidung eine schwache Position der Krankenkassen, eine für sie günstige Lösung erreichen zu können.

 

Krankenhausträger sollten sich daher fachmännisch beraten lassen. Hierfür stehen auch wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Genau wie  für weitere Fragen und Unterstützung mit unserem interdisziplinären Team.

Kontakt

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Christian Höchemer

Bachelor of Arts, Steuerassistent

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