Ermittlung und Darstellung der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre in der Praxis

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von Wibke Ullmann und Anna-Maria Brückner
veröffentlicht am 17. Juni 2019

​Umsetzung in der laufenden Steuererklärung

Für die überarbeitete, ab dem Veranlagungszeitraum 2017 zu verwendende Anlage Gem ist die Ermittlung des tatsächlichen Ergebnisses der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre sowie deren konkreten Finanzierungsbedarfs nunmehr zwingend. Die Angaben sind für das aktuelle und die zwei vorangegangenen Veranlagungsjahre zu erklären. Sie dienen der Beurteilung, ob die wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre „des Erwerbs wegen” unterhalten wird. Welches Zahlenmaterial ist als Ermittlungsgrundlage seitens des Steuerpflichtigen hierzu nötig und vorzuhalten?

 

Bereits in unserer letzten November-Ausgabe des Kompass Gesundheit und Soziales (Nr. 11/2018) hatten wir über die Wohlfahrtspflege berichtet. Insbesondere ging es um die gezielte Betrachtung einer möglichen Quersubventionierung von defizitären Bereichen mit gewinnbringenden Tätigkeiten der Wohlfahrtsbetriebe seitens der Finanzverwaltung. Eine genaue Einteilung der Zweckbetriebe sowie die separate Ermittlung des Ergebnisses und des konkreten Finanzierungsbedarfs ist für die Steuererklärungen ab dem Jahr 2017 zwingend für die Betrachtung über einen Zeitraum von drei Jahren erforderlich, um nicht die Steuerbefreiungen zu gefährden. In der Anlage Gem zur Körperschaftsteuererklärung 2017 wurden erstmals konkret die Angaben zu dieser Sphäre abgefragt, die gesetzlich nicht definiert sind. Es ist ausdrücklich zu erklären, dass der Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege nicht des Erwerbs wegen ausgeführt
wird und dass darüber Aufzeichnungen vorliegen.

 

Die Finanzverwaltung hatte mit dem koordinierten Ländererlass vom 6. Dezember 2017 den AEAO erneut angepasst. Es wurde eine wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre eingeführt. Diese umfasst entgegen der bisherigen Auffassung nicht nur die Zweckbetriebe im Sinne des § 66 AO, sondern erweitert diese wie folgt:

 

  • Wohlfahrtspflegeeinrichtungen i.S.d. § 66 AO,
  • Zweckbetriebe i.S.d. § 68 AO, soweit diese auch die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen,
  • Zweckbetriebe i. S. d. § 67 AO sowie
  • Ideelle Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen des § 66 AO vorlägen, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden.

 

Ergänzend ist anzumerken, dass der konkrete Finanzierungsbedarf auch die zulässige Rücklagenbildung i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO umfasst.

 

In der Anlage Gem des Jahres 2018 sind ab Zeile 30ff. nun für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege regelmäßig zu erklären:

 

  • dass mindestens zwei Drittel der Leistungen der Einrichtungen hilfebedürftigen Personen gem. § 53 Nr. 1 und 2 AO zugutekommen. Von der Hilfsbedürftigkeit haben wir uns überzeugt. Aufzeichnungen darüber liegen vor.
  • dass der Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege nicht des Erwerbs wegen unterhalten wird. Aufzeichnungen darüber liegen vor.


Darüber hinaus müssen für die wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre für das aktuelle sowie die zwei vorangegangenen Veranlagungsjahre das tatsächliche Ergebnis sowie der konkrete Finanzierungsbedarf erfasst und gegenüber der Finanzverwaltung erklärt werden.

 

In der laufenden Deklarationstätigkeit bedeutet dies, dass es unerlässlich ist, die Zahlen der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre näher zu ermitteln und diese zu erläutern. Die Einzelergebnisse für den Ideellen Bereich, die Vermögensverwaltung, die einzelnen Zweckbetriebe und ggfs. den einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sollten einer Kostenrechnung mit entsprechenden Kontierungsobjekten für die wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre – sofern diese eingerichtet wurde – entnommen werden.

 

Ergebnis der wohlfahrtspflegerischen

In seinem Beitrag „Die Darstellung der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre in der Praxis” in der Ausgabe DStR 2019, 781 schlägt van Holt eine stufenweise Ermittlung des Zahlenwerks der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre mithilfe von (Teil-)Ergebnissen aus der Kostenrechnung vor. Ausgehend vom tatsächlichen Ergebnis der Zweckbetriebe der „wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre” – aufgeteilt in die o.g. erweiterte Auffassung der Zweckbetriebe i. S. d. des § 66 AO –, bereinigt um unbeabsichtigte Gewinne (z. B. aufgrund von Marktschwankungen) sowie bereinigt um Gewinne aus staatlich regulierten Preisen, ergibt sich die „Summe der relevanten Ergebnisse der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre” (Anlage Gem Zeile 32).
Eine weitere, von uns angewandte Ermittlungsmethode ist Rückrechnung des zugrunde gelegten Gesamtergebnisses auf das Ergebnis der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre:

 

 Rechnung Jahresüberschuss 

 

Im Rahmen der Steuerdeklaration ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Finanzbuchhaltung des Steuerpflichtigen weiterhin unerlässlich. Denn nur durch die Finanzbuchhaltung und die dort gesammelten Informationen können Auswertungen und Zahlenmaterial aus der KHBV, PBV, Kostenrechnung etc. vorgehalten werden, die zu den neuen geforderten Angaben der Anlage Gem führen. 

 

Konkreter Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre

Bei dem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. In Anlehnung an das BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2017 umfasst der konkrete Finanzierungsbedarf die für Zwecke des Inflationsausgleichs sowie die Durchführung notwendiger Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen beabsichtige Gewinnerzielung. Diese wird in Form der Bildung und Entwicklung zweckgebundener Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO abgebildet. Bei der Zuführung zu den Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 AO handelt es sich insoweit um eine Gewinnverwendung, auch aus den Erträgen der Zweckbetriebe der Wohlfahrtspflege.

 

Zur Ermittlung des Finanzierungsbedarfs der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre schlägt van Holt im o. g. Beitrag die Berücksichtigung der verschiedenen Zuführungen zu den Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 AO vor. Nach Berücksichtigung der Mittelweitergabe gemäß §§ 58 Nr. 1 und 2 AO mit Verwendungsauflage ergibt sich als weiteres Ergebnis der erweiterte Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre.

 

Für gemeinnützige Körperschaften ist die Erstellung einer Mittelverwendungsrechnung inklusive Rücklagenbildung unerlässlich. Denn dadurch lässt sich alternativ der benötigte Wert des „konkreten Finanzierungsbedarfs der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre” vereinfacht durch den Unterschiedsbetrag der gesamten Rücklagen zwischen dem laufenden Geschäfts-/Kalenderjahr und dem Vorjahreswert ermitteln und in die Anlage Gem übernehmen.

 

Fazit

Abschließend kann festgestellt werden, dass die primäre Grundlage für die zusätzlich geforderten Angaben eine ordnungsgemäße Buchhaltung ist. Der Aufbau der KHBV und PBV untergliedert sich grundsätzlich in die einzelnen abgerechneten Leistungen (bspw. Krankenhausleistungen, ambulante Leistungen des Krankenhauses, Nutzungsentgelte usw.). Diese sollten im Hinblick auf die ergänzend notwendigen Informationen um eine Aufteilung der Gewinn- und Verlustrechnung in die vier Sphären erweitert werden. Hier bietet sich die Einrichtung einer Kostenrechnung mit Kostenstellen und/oder Kostenträgern an.

 

Für Vereine, Stiftungen und gGmbHs, die nicht zur Buchhaltung nach KHBV, PBV oder anderen Buchführungsverordnungen verpflichtet sind, bietet sich die Nutzung des SKR 49 an. Dieser beinhaltet bereits einen Aufbau in die vier Sphären.

 

Darüber hinaus kann mit der Einführung einer Kostenrechnung zusätzliche Transparenz gewährleistet werden. Auch im Hinblick auf die gestiegenen Nachweispflichten des Steuerpflichtigen, dass eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege i. S. d. § 66 AO  „nicht des Erwerbs wegen” tätig ist, ist eine detaillierte Finanzbuchführung und Kostenrechnung einzuführen. Damit ist der Steuerpflichtige im Rahmen einer mit Sicherheit kommenden Betriebsprüfung gut gerüstet.

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Anna-Maria Brückner

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