Wenn’s mal wieder länger dauert: BGB-Anordnungsrecht umfasst keine Änderung der Bauzeit

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​veröffentlicht am 1. August 2025



Wunsch und Wirklichkeit – beide fallen oftmals auseinander, wenn es um die Zeitschiene geht, innerhalb derer ein Bauvorhaben abgeschlossen sein soll. Rund um den VOB/B-Vertrag streitet man seit jeher über die Frage, ob der Auftraggeber im Rahmen seines einseitigen Anordnungsrechts auch Änderungen in zeitlicher Hinsicht bestimmen kann. Für den BGB-Vertrag unter Geltung des mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Bauvertragsrechts hat das OLG Celle dies nun mit Urteil vom 14. Mai 2025 entschieden (Az. 14 U 238/24). Darf er nun oder darf er nicht?​

Zur Ausgangslage: BGB-Bauvertragsrecht

​Seit dem 1. Januar 2018 enthält das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) neue Vorschriften zum Bauvertrag. Dort ist – wie in der VOB/B schon seit jeher – nunmehr geregelt, dass der Auftraggeber auch im BGB-Bauvertrag einseitige Änderungen am vereinbarten Werkerfolg anordnen kann (siehe konkret in § 650b BGB). Früher waren Änderungen am Leistungssoll nur einvernehmlich, d. h. mit Einverständnis des Auftragnehmers möglich. Die Voraussetzungen des Anordnungsrechts sind im BGB zwar anders geregelt, als es in der VOB/B der Fall ist. Grundsätzlich stoßen aber beide Regelungen in dieselbe Richtung: Änderungen des Leistungssolls sind – unter gewissen Anforderungen – auch dann möglich, wenn der Auftragnehmer eben nicht sein Einverständnis hierzu erklärt. Soweit es ihm zumutbar ist, muss er die Anpassungen/Erweiterungen usw. ausführen. Sollten Mehrkosten entstehen, kann er natürlich einen dazugehörigen Nachtrag verlangen. § 650c Abs. 3 BGB ermöglicht es ihm sogar, 80 Prozent der von ihm als korrekt erachteten Nachtragsvergütung als Abschlag in Rechnung zu stellen. Dies gilt auch dann, wenn keine Einigung über die Höhe der Vergütung stattgefunden hat. Eine weitere umstrittene Regelung im neuen Bauvertragsrecht, die uns an dieser Stelle aber nicht weiter belasten soll. 

Der Sachverhalt

​Die Parteien des hiesigen Urteils sind verbunden über einen Vertrag zur Sicherung von Asphaltgruben. Die Auftraggeberin (Beklagte) beauftragte die Auftragnehmerin (Klägerin) mit Maßnahmen zur Erkundung, 
Sicherung und Verfüllung eines ehemaligen untertagigen Stollensystems.

Die VOB/B ist Vertragsbestandteil (!). Baubeginn war im Juli 2023. Bis August 2024 rechnete die Klägerin 
Leistungen in Höhe von insgesamt rund 21 Mio. Euro brutto ab. Mit der streitgegenständlichen neuerlichen Abschlagsrechnung machte sie eine weitere Abschlagssumme in Höhe von insgesamt rund 800.000 Euro 
brutto geltend.

Das war der Beklagten nun doch zu viel: Sie verweigerte die Zahlung der in Rechnung gestellten Abschläge unter anderem für einen Nachtrag, der eine Zulage wegen Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge betraf. Diesen stützte sie auf den oben beschriebenen 80-prozentigen Abschlagsanspruch aus § 650c Abs. 3 BGB. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die Klägerin weniger Silozüge (also LKW-Ladungen) als ursprünglich gedacht pro Tag hatte verfüllen können. Dem Ganzen war eine entsprechende Behinderungsanzeige vorangegangen, die die Beklagte abgelehnt hatte.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Forderung abgelehnt, das zweitinstanzliche sieht es genauso.

Die Entscheidungsgründe

So sich der versierte Leser nun zunächst fragt, weshalb es hier überhaupt auf die Regelungen im BGB ankommt (schließlich liegt ein VOB/B-Vertrag vor!), sei angemerkt, dass der Mehrvergütungsanspruch des § 650c Abs. 3 BGB nach mittlerweile recht gefestigter Rechtsprechung auch im VOB/B-Vertrag gilt. Der Wortlaut der Regelung steht einer solchen Erstreckung nicht entgegen. Die VOB/B enthält allgemeine Vertragsbedingungen und modifiziert, wenn sie Bestandteil eines Bauvertrages geworden ist, die gesetzlichen Regelungen. Die VOB/B selbst enthält jedoch gerade keine Regelung, die § 650c Abs. 3 BGB entspricht.

§ 16 Abs. 1 VOB/B formuliert zwar Vorschriften zur Abschlagszahlung, aber kein vorläufiges einseitiges Preisbestimmungsrecht des Unternehmers. Damit stellt die VOB/B in Bezug auf § 650c Abs. 3 BGB keine Modifikation dar. Die Vorschrift bleibt daher anwendbar.

Im Hinblick auf die Reduzierung der täglichen Verfüllmenge, die zu einer Effizienzminderung und damit einer Kostenerhöhung aufseiten der Klägerin geführt hatte, lag nach Ansicht der Richter bereits kein Änderungsbegehren der Beklagten im Sinne von § 650b Abs. 1 BGB vor. Die Anwendbarkeit von § 650b BGB wiederum wäre jedoch Voraussetzung dafür, sich auf § 650c Abs. 3 BGB zu berufen.

Der Reihe nach:

Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Verfüllmenge von arbeitstäglich 260 m3 pro Baustelleneinrichtungsfläche (= 7,6 Silozüge) vereinbart war oder die entsprechende Angabe in der Leistungsbeschreibung nur die geforderte Leistungsfähigkeit des Bieters beschreiben sollte. Die Beantwortung dieser Frage konnte aber dahinstehen. Die von der Klägerin insoweit behauptete Anordnung der Beklagten, die tägliche Verfüllmenge zu reduzieren, unterfällt jedenfalls nicht dem § 650b Abs. 1 BGB.

Der Besteller kann nach § 650b Abs. 1 S. 1 BGB zwei Arten der Vertragsanpassung begehren, nämlich eine Veränderung des vereinbarten Werkerfolgs (Nr. 1) und eine Änderung der zur dessen Erreichung notwendigen Leistungen (Nr. 2). Werkerfolg in diesem Sinne ist der funktionale Bauerfolg. Die Änderungen müssen damit die bautechnischen Leistungen, den sog. Bauinhalt betreffen. Nicht erfasst werden Änderungen, die sich lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen.

Für ein solches Verständnis spricht die Entstehungsgeschichte der Norm: Im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz war noch vorgesehen, dem Besteller unter engen Voraussetzungen die Befugnis einzuräumen, Anordnungen zur Bauzeit und zur Ausführung der Bauleistungen zu erteilen. Ein solches Anordnungsrecht hat der Gesetzgeber schließlich, obwohl ein solches im Rahmen von § 1 Abs. 3 VOB/B bereits seit langer Zeit umstritten ist, nicht übernommen. Dafür, dass er dem Besteller ein ähnliches Recht nun gleichwohl unausgesprochen unter Verzicht auf die ursprünglich vorgesehenen Voraussetzungen zubilligen wollte, ist nichts ersichtlich. Die (behauptete) Anordnung, die tägliche Verfüllmenge zu reduzieren, betrifft – wie die Klägerin selbst in einem Schriftsatz ausführte – die Bauausführung und die Bauzeit. Der Anwendungsbereich der §§ 650b, 650c BGB ist daher nicht eröffnet.

Deshalb kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Verfüllmenge aufgrund der Bodenverhältnisse oder, wie die Beklagte behauptet, nur deshalb nicht erreicht werden konnte, weil die Klägerin wegen unzureichender Förderung der Baumaßnahme, mangels Erhöhung der Anzahl der Arbeitskräfte und Bohrgeräte in Verzug geraten ist. Unerheblich ist ferner, dass die Beklagte zunächst selbst vom Vorliegen einer Leistungsänderung und dem Erfordernis einer Nachtragsvereinbarung ausgegangen ist. Liegt – wie hier – objektiv bereits kein Änderungstatbestand nach § 650b Abs. 1 BGB vor, geht eine etwaige Anordnung des Bestellers als sog. Putativnachtrag ins Leere und ist daher nicht geeignet, einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 650c BGB zu begründen.


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