Mediation im Mietrecht – eine Chance zur effektiven Streitbeilegung

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veröffentlicht am 02. Februar 2018


In den letzten Jahren erfährt Mediation als Möglichkeit der alternativen und außergerichtlichen Streitbeilegung eine immer höhere Wahrnehmung. Dass Mediation auch im Bereich des Mietrechts geeignet ist, nachhaltige und effektive Lösungen zu generieren, soll der folgende Beitrag anhand eines konkreten Praxisbeispiels vermitteln.

 

Vorteile der Mediation im Allgemeinen

Das Mediationsverfahren bietet den Parteien die Möglichkeit, ihr jeweiliges Problem inhaltlich eigenständig zu lösen. Mediation ist sozusagen ein Verfahren der Hilfe zur Selbsthilfe. Ohne Unterstützung von außen gelingt es den Parteien aus verschiedenen, mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen vielfach nicht, die Vielzahl von in aller Regel zur Verfügung stehenden Lösungsvarianten zu erkennen und – auch zunächst als abwegig verworfene Ideen – ergebnisoffen zu erwägen. Die Mediation bietet den Parteien eine feste Struktur zur Erforschung solcher alternativen Lösungen. Der Mediator unterstützt die Parteien dabei lediglich mit seinem Fachwissen und seiner Persönlichkeit bei der Ausarbeitung einer Lösung.

 

Da die Parteien mit Unterstützung des Mediators sowie der Methoden der Mediation im Rahmen des Mediationsverfahrens selbst eine Lösung entwickeln, stehen sich die Parteien nach Abschluss des Verfahrens nicht als Sieger und Verlierer, sondern – weiterhin – als Partner gegenüber.

 

Dies versetzt die Parteien in die komfortable Situation, sich auch nach einem Konfliktfall mit Respekt und ohne Gesichtsverlust begegnen zu können. Gerade bei langfristigen Vertragsverhältnissen ist dieser Aspekt, der auch anschließend eine konstruktive und friedliche Zusammenarbeit ermöglicht, ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

 

Bezug zum Mietrecht

Gerade Mietverhältnisse zeichnen sich vielfach durch ihre langfristigen Bindungen der Vertragsparteien aus. Insbesondere Gewerbemietverhältnisse werden ganz überwiegend für eine über mehrere Jahre dauernde Festlaufzeit, vielfach mit der Option auf ein- oder mehrmalige Verlängerung, geschlossen. Während der vereinbarten Vertragslaufzeit sind die Parteien nahezu untrennbar aneinander gebunden.

 

Bei diesen lang laufenden Vertragsverhältnissen ist eine effektive, interessensgerechte und vor allem gesichtswahrende Konfliktlösung nahezu unerlässlich. Zudem ist eine abschließende Streitbeilegung elementar. Andernfalls drohen jahrelange Querelen oder (Rechts-)Streitigkeiten die Vertragsdurchführung erheblich zu beeinträchtigen. Gerade die damit einhergehende Frustration macht ein vertrauensvolles und konstruktives Miteinander praktisch unmöglich. Exakt dieses Problemfeld zeigt der nachfolgende Beispielfall aus der Beratungspraxis auf:

 

Konfliktfeld Gewerbemietrecht

Der Konflikt rankt sich um eine als Seniorenwohnheim genutzte, ca. 40 Jahre alte Immobilie.

 

Im Rahmen einer Sale-and-Lease-back-Transaktion veräußerte der heutige Mieter – zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer – die Immobilie und mietete diese sodann vom neuen Eigentümer zurück. Der Gewerbemietvertrag weist insbesondere eine sehr weitreichende Instandhaltungs- und Instandsetzungsklausel auf, worin die Instandhaltungs- und Instandsetzungslast vollumfänglich auf den Mieter übertragen wird. Zunächst blieb diese Regelung unbeachtet und damit unproblematisch.

 

Im Zuge der Jahre später folgenden Weiterveräußerung der Immobilie beauftragte der neue Eigentümer ein Gutachten, in welchem der Zustand der Immobilie ausgiebig durchleuchtet wurde. Das Gutachten ergab einen erheblichen Instandhaltungsrückstau und einen damit einhergehenden langen Maßnahmenkatalog.

 

Der neue Vermieter forderte den Mieter unter Bezugnahme auf die Instandhaltungsklausel im Mietvertrag zur sofortigen Abarbeitung des vom Gutachter erarbeiteten Maßnahmenkatalogs auf. Das zu erwartende Auftragsvolumen wurde dabei auf mehrere Millionen Euro (im unteren zweistelligen Bereich) geschätzt.

 

Der Mieter berief sich daraufhin auf die Unwirksamkeit der Instandhaltungsklausel. Nach Ansicht des Mieters ist eine derartig weitreichende Überwälzung der Instandhaltungs- und Instandsetzungslast im Rahmen einer als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizierenden Vertragsklausel unzulässig; die Klausel daher unwirksam.

 

Da sich der Mieter fortgesetzt gegen die Vorstellungen des Vermieters zur Wehr setzte, erhob der Vermieter Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der streitigen Vertragsklausel. Der Streitwert wurde mit 8,5 Millionen Euro veranschlagt. Der Rechtsstreit beschäftigte in der Folgezeit drei Instanzen. Trotz Obsiegens des Vermieters in zwei Instanzen (die Entscheidung des BGH steht noch aus) kann er nur sehr partiell triumphieren.

 

Selbst wenn nämlich die Frage der Wirksamkeit der Vertragsklausel nunmehr zu seinen Gunsten geklärt sein sollte, wird der Vermieter – so hat es die Mieterseite bereits angekündigt – zukünftig jede einzelne Instandhaltungsmaßnahme einklagen müssen. Angesichts der explosiven Gesamtsituation wird der Mieter jede einzelne Maßnahme auf ihre Sinnhaftigkeit und Erforderlichkeit hin hinterfragen und erst nach gerichtlicher Verpflichtung durchführen.

 

Die zehnjährige Restlaufzeit wird folglich von wechselseitigen Vorhaltungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen geprägt sein. Dass vor diesem Hintergrund die Option auf Verlängerung des Vertragsverhältnisses gezogen wird, ist – obwohl beide Parteien daran grundsätzliches Interesse haben – äußerst fraglich.

 

Waren Einigungsalternativen überhaupt denkbar?

Dass zumindest einige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sinnvoll sind bzw. werden, war zwischen den Parteien während des gesamten Gerichtsverfahrens sowie in den Verhandlungen davor wenig streitig. Sehr streitig war einerseits die Erforderlichkeit einer Vielzahl der aufgelisteten Punkte, die Verantwortlichkeit und vor allem der für die Ausführung gesteckte zeitliche Rahmen.

 

Während des laufenden gerichtlichen Verfahrens wurde ein Vorstoß zur gütlichen Einigung unternommen. Dieser zielte darauf, jede einzelne im Gutachten aufgelistete Maßnahme im Hinblick auf ihre Erforderlichkeit, Eilbedürftigkeit und Verantwortlichkeit zu bewerten. Auf diese Weise hätte parallel zu einem Maßnahmenkatalog ein zeitlicher Fahrplan festgelegt werden können.

 

Eine gütliche Einigung scheiterte schlussendlich bereits im Ansatz mitunter daran, dass das gerichtliche Verfahren bis dahin sehr hart und kompromissfrei geführt worden war. Beide Parteien konnten – obwohl der Kompromissvorschlag grundsätzliche Zustimmung fand – die bereits erfahrenen Anschuldigungen und Bewerfungen nicht überwinden.

 

Was hätte ein Mediationsverfahren erreichen können?

Wären die Parteien allerdings nach dem Scheitern ihrer vorgerichtlichen Verhandlungen übereingekommen, einen Mediator anzurufen, hätten mit dessen Hilfe die den Forderungen zugrunde liegenden Interessen und darauf aufbauend die verschiedenen – zweifelsohne vorhandenen – Einigungsalternativen erarbeitet und weiterverfolgt werden können. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Point of no Return noch nicht erreicht, die Fronten noch nicht vollständig verhärtet gewesen, sodass die Parteien noch dazu bereit gewesen wären, eine einvernehmlichen Lösung zu entwickeln.

 

Erspart hätten sich die Parteien dadurch zum einen einen extrem kostenintensiven, über drei Instanzen andauernden, gerichtlichen Rechtsstreit. Zum anderen hätte das Mietverhältnis voraussichtlich ungestört, jedenfalls aber nicht durchsetzt von Folgerechtsstreitigkeiten rund um die Instandhaltungs- und Instandsetzungsklausel fortgesetzt werden können.

 

Praxistipp für Mietvertragsparteien:

Sie sind Mieter oder Vermieter? In Ihrem Mietverhältnis treten Unstimmigkeiten auf oder ein Konflikt droht zu eskalieren?

Wir prüfen für Sie gerne als Parteivertreter, ob ein Mediationsverfahren im konkreten Fall sinnvoll ist. Außerdem können wir Ihnen auch die Durchführung des Mediationsverfahrens anbieten. Sprechen Sie uns hierzu jederzeit gerne an!

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Ester Thanner LL.M.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsmediatorin (MuCDR), Zertifizierte Mediatorin

Manager

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