Mediation oder die berühmte halbe Zitrone? – eine Einführung

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​veröffentlicht am 02. Mai 2017

 

Während typische gerichtliche Alles-oder-Nichts-Entscheidungen oder Vergleiche in der Regel mindestens eine unzufriedene Partei zurücklassen, bietet Mediation die Chance, dass die Parteien selbst Win-win-Lösungen entwickeln. Besonders eignen sich Konflikte zwischen langfristig miteinander verbundenen Beteiligten wie beispielsweise Mietvertragsparteien oder Wohnungseigentümer(-gemeinschaften).

 

​Mediation – das Zitronen-Beispiel

Jeder, der schon einmal mit dem Thema Mediation befasst war, wird sie kennen – die Geschichte der geteilten Zitrone.

 

Auf den ersten Blick mag die berühmte Mediations-Zitrone abgegriffen erscheinen, doch findet sich kaum ein besseres Beispiel, die Vorteile der Mediation abstrakt und in einem einzigen Bild greifbar zu machen. Aus diesem Grund soll sie auch an dieser Stelle einen Gastauftritt erhalten.


Zwei Geschwister streiten sich um eine Zitrone. Der hinzukommende
Vater sieht dem Streit zunächst zu. Als der Konflikt zu eskalieren droht, greift er sich die Zitrone, teilt sie gerecht in zwei Hälften und gibt jedem Kind eine Hälfte. Daraufhin fangen beide Kinder an zu weinen. Angesichts der augenscheinlich gerechten Lösung irritiert den Vater die Reaktion der Kinder sehr. Auf Nachfrage erklärt das eine Kind, es habe die Schale der ganzen Zitrone für eine Bastelaufgabe in einem Stück benötigt. Die halbe Schale sei hierfür nicht ausreichend. Das andere Kind ist verärgert, wollte es doch aus dem Saft der gesamten Zitrone eine heiße Zitrone zubereiten. Beide hätten – das wird im Rückblick deutlich – ihr Ziel vollständig erreichen können, hätte der Vater nicht im Gedanken, eine gerechte Lösung zu schaffen, die Zitrone vorschnell
geteilt, sondern den Kindern geholfen, dem jeweils anderen die eigenen Pläne zu vermitteln.


Anhand des Beispiels wird sehr schnell klar, dass die scheinbar gerechte Lösung eines Dritten im Einzelfall nicht zwangsläufig dazu führen muss, bei Beteiligten ein Gefühl von Gerechtigkeit und Zufriedenheit zu erzeugen.


Mediation – im Wirtschaftsleben

Im Gegenteil: Obwohl augenscheinlich eine gerechte Lösung herbeigeführt wurde, sind die Konfliktparteien mit dem erzielten
Ergebnis vielfach nicht zufrieden. Gerade wenn die Parteien in einer langfristigen (Vertrags-)Beziehung miteinander verbunden sind, schwelen Konflikte weiter und erzeugen Folgeprobleme. Zu beobachten ist dieses Phänomen zwischen Unternehmen und guten Geschäftspartnern einerseits sowie zwischen Mietvertragsparteien, einzelnen Wohnungseigentümern und/oder der Wohnungseigentümergemeinschaft oder Parteien von Bau-/Architektenverträgen andererseits.


Herkömmliche Konfliktlösung

Vertragspartner, die in bilateralen Gesprächen nicht zu einer
einvernehmlichen Lösung gelangen, suchen derzeit regelmäßig eine Entscheidung durch Befassung der Zivilgerichtsbarkeit. Im gerichtlichen Urteil wird allerdings entweder ein sogenanntes Entweder-Oder-Ergebnis herbeigeführt, womit zumindest eine Partei den Gerichtssaal unzufrieden verlässt, oder es wird ein Vergleich geschlossen, der regelmäßig der nur scheinbar gerechten Zitronen-Beispiel-Lösung entspricht oder ihr sehr nahekommt. Auch die zweite Alternative hinterlässt vielfach ungeklärte Fragen bzw. trägt nicht dem eigentlich Erstrebten Rechnung und erzeugt damit einen schalen Beigeschmack bei den Parteien.


Hinzu kommt, dass die nicht selten für die Entscheidung, den Gerichtsweg zu beschreiten, zumindest auch maßgeblichen Interessen
und Befindlichkeiten im gerichtlichen Verfahren gerade kein Gehör finden, da das befasste Gericht zwangläufig ausschließlich auf die Rechtsebene, aber gerade nicht auf eine darunterliegende Sach-, Interessens- oder Beziehungsebene abstellt.


Mediation – Alternative und Chance

Die Mediation aber setzt gerade an diesem Punkt an und nimmt
– im anglo-amerikanischen Rechtsraum längst etabliert – insbesondere
infolge des Inkrafttretens des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung am 26. Juli 2012 nun auch in Deutschland als echte Alternative zur herkömmlichen Streitbeilegung merklich Fahrt auf.


In § 1 Abs. 2 Mediationsgesetz ist die Mediation begrifflich definiert
als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung eines Konflikts
anstreben.


Die Mediation ist folglich ein nicht öffentliches und sehr klar strukturiertes Verfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens suchen und entwickeln die Beteiligten mit Unterstützung eines neutralen Dritten (Mediator) eine einvernehmliche Lösung, die ihren Bedürfnissen und Interessen Rechnung trägt und dienlich ist. Die erarbeitete Lösung soll vordergründig den bestehenden Konflikt einer Lösung zuführen, hintergründig aber einen verbindlichen und zukunftweisenden Konsens
schaffen, der die weitere Zusammenarbeit auf eine stabile Grundlage stellt.


Maßgeblich dabei ist, dass die Parteien gemeinsam ihre eigene Lösung finden und ihnen gerade nicht eine (scheinbar) gerechte Lösung von einem neutralen Dritten (beispielsweise einem Gericht) auferlegt wird. Vielfach ist zu beobachten, dass die Beteiligten dabei den ursprünglichen Entweder-Oder-Ansatz aufgeben und vollkommen neue Erwägungen anstellen, die sie mitunter sogar über den ursprünglichen Streitgegenstand hinweg gewinnen lassen. Im Erfolgsfall produziert die Mediation eine sogenannte Win-win-Lösung.


Die Mediation bietet den Parteien also die Möglichkeit, kreative und selbstbestimmte Lösungen zu erzielen. Dabei besteht eine sehr hohe Erfolgschance, eine Einigung herbeiführen zu können; so enden eingeleitete Mediationsverfahren durchschnittlich in 80-90 Prozent der Fälle mit einem positiven Ergebnis. Zudem zeichnen sich Mediationsverfahren durch eine hohe Flexibilität und unbürokratische, auch kurzfristige Terminfindung aus. Zugleich bieten Mediationsverfahren – gerade im Vergleich zu gerichtlichen Verfahren – eine hohe Zeit- und Kostenersparnis.


Mediation – die Beteiligten

Eine wesentliche, unterstützende Rolle kommt im Rahmen des Verfahrens dem Mediator zu. Laut Definition in § 1 Abs. 2 Mediationsgesetz ist der Mediator nämlich eine unabhängige und neutrale Person, ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die
Mediation führt. Das heißt, der Mediator hat die vornehmliche Aufgabe, beide Parteien darin zu unterstützen, eine eigenständige Lösung zu entwickeln. Hierzu hat er insbesondere die Dialogfähigkeit zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen und die Verhandlungsfähigkeit zu stärken.


Aufseiten der Parteien können – auch wenn im Rahmen der Mediation keine Rechtsfragen erörtert werden – mediationserfahrene Rechtsanwälte am Verfahren beteiligt werden. Dies trägt auf der einen Seite dazu bei, dass sich gerade mediationsunerfahrene Parteien im Mediationsverfahren sicherer fühlen, auf der anderen Seite kann gerade auch über die rechtliche Einschätzung die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Konfliktlösung geschärft und gefördert werden.


Mediation – in jedem Fall geeignet?

Grundsätzlich kann in nahezu allen Konfliktsituationen ein Mediationsverfahren sinnvoll sein und zur Befriedung des Konflikts führen.

 

Als nicht sinnvoll erscheint Mediation allerdings dann, wenn zwischen den Parteien ein extremes und auch durch den Mediator nicht auszugleichendes Machtgefälle besteht, eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder die Parteien keinerlei Bereitschaft zeigen, eine sinnvolle gemeinsame Lösung zu entwickeln.


Mediation ist aber insbesondere dann sinnvoll, wenn die Beteiligten auf lange Sicht miteinander verbunden sind und schnelle und kostengünstige Lösungen gefragt sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Parteien durch einen lang laufenden Geschäftsraummietvertrag weiterhin zusammenarbeiten müssen; ebenso, wenn Wohnungseigentümer aufgrund ihres Eigentumsrechts aneinander gebunden und fortlaufend gezwungen sind, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Gerade wenn der Gesprächsfaden bereits gerissen ist, die Parteien einen Gesichtsverlust fürchten und Konflikte sehr komplex, verworren oder aber stark emotionalisiert sind, ist das Mediationsverfahren ein probates Mittel.


Mediation – eine Win-win-Lösung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit der Durchführung eines Mediationsverfahrens – sofern im konkreten Fall geeignet – eine Win-win-Lösung generiert werden kann. Zum einen können Streitigkeiten ohne Verlierer beigelegt werden. Zum anderen kann ein langfristiges (Vertrags-)Verhältnis auf eine positive Grundlage gestellt fortgesetzt werden.


Sie finden die aufgezeigte Win-win-Lösung charmanter als eine halbe Zitrone?


Gerne beraten wir Sie, ob Mediation für Ihren konkreten Streitfall eine geeignete Alternative darstellt oder begleiten Sie als Parteivertreter im Mediationsverfahren oder vor dem Gütegericht. Sprechen Sie uns außerdem einfach an, wenn Sie auf der Suche nach einem Mediator sind.

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Ester Thanner LL.M.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsmediatorin (MuCDR), Zertifizierte Mediatorin

Manager

+49 911 9193 3530

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