Beide Vertragsparteien kündigen - Welche Erklärung beendet den Bauvertrag?

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veröffentlicht am 01. August 2019

 

​Das Oberlandesgericht Düsseldorf äußerte sich zu der Frage, wie die das Ende des Bauvertrages herbeiführende Kündigung zu ermitteln ist, wenn sich beide Parteien vom Vertrag lösen wollen (Urteil vom 12. April 2019, Az.: 22 U 62/18).

 

Die Ausgangslage 

Das Werkvertragsrecht sieht – sowohl im BGB- als auch im VOB-Vertrag – für beide Seiten des Vertrages ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund vor. Ist einer Vertragspartei das weitere Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar, kann sie sich vom Vertrag lösen. Die Frage, wann ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, ist dabei nicht immer einfach zu beantworten.

 

Daneben hat (nur) der Besteller ein jederzeitiges Kündigungsrecht. Er kann den Vertrag zu jedem erdenklichen Zeitpunkt einseitig beenden. Anders als im FalleRichterhammer und Holzklötze einer Kündigung aus wichtigem Grund hat er dem Auftragnehmer dann allerdings in gewissem Umfang eine Vergütung auch für die nicht erbrachten Leistungen zu zahlen. Treffen nun beispielsweise eine ordentliche Kündigung des Bestellers und eine außerordentliche Kündigung des Unternehmers zeitlich eng aufeinander, stellt sich die Frage, welche Kündigung das Vertragsverhältnis tatsächlich beendet und welche Rechtsfolgen (Vergütung nicht erbrachter Leistungen oder nicht) sich hieran anschließen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte einen solchen Fall zu entscheiden. Die dortige Klägerin und Auftragnehmerin hatte eine Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen aus einem vorzeitig beendeten VOB-Vertrag geltend gemacht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wandte sich in seinen Urteilsgründen insbesondere gegen die bisherige Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin.

 

Das Urteil 

Die Kernaussage des Oberlandesgerichts Düsseldorf liegt darin, dass bei der Prüfung von vertragsrelevanten (insbesondere vertragsändernden bzw. vertragsbeendenden) Erklärungen von Werkvertragsparteien eine chronologische Prüfungsmethode anzuwenden sei.

 

Die anderslautende Auffassung des Kammergerichts Berlin (vgl. Urteil vom 16. Februar 2018, Az.: 21 U 66/17) sei hingegen nicht überzeugend. Das Kammergericht habe ausgeführt, dass eine „materielle Gesamtbetrachtung” durchzuführen sei. Dies führe zur überzeugendsten Lösung, wenn beide Werkvertragsparteien den Vertrag (sukzessive, d. h. zu unterschiedlichen Zeitpunkten) aus wichtigem Grund gekündigt hätten. Es könne dann nur die Kündigung derjenigen Partei erfolgreich sein, die bei einer „materiellen Gesamtbetrachtung” als vorrangig anzusehen sei. Maßgeblich sei also nicht der „zeitliche Vorrang”, sondern der „materielle Vorrang”. Denn wenn sich jede Vertragspartei zu Recht auf einen Umstand berufen könnte, der sie zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtige, sei es nicht richtig, nur die zuerst erklärte Kündigung als berechtigt und maßgeblich anzusehen. Dadurch würde vielmehr ein Wettlauf der Kündigungen ausgelöst. Dessen Ausgang wäre wiederum entweder von Zufälligkeiten oder aber davon abhängig, welche Vertragspartei zuerst weitere Kooperationsversuche ablehne und energischer auf die Beendigung der Zusammenarbeit dränge. Dies sei nach Ansicht des Kammergerichts keine überzeugende Wertung für den Kündigungskonflikt.

 

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist hingegen allein maßgeblich, welche von zwei sukzessive (d. h. eben nicht unmittelbar zeitgleich) erfolgten Kündigungen als erste auf wirksame Weise das Vertragsverhältnis für die Zukunft – im Sinne der rechtsgestaltenden Wirkung einer Kündigung – beendet habe. Dies ergebe sich schon aus den allgemein anerkannten systematischen Grundsätzen im allgemeinen Schuldrecht bzw. zu Rechtsgeschäften und Willenserklärungen bzw. rechtsgestaltenden Erklärungen. Zudem sei ein Vertrag nach Zugang der wirksamen Erklärung einer nach den maßgeblichen vertraglichen bzw. gesetzlichen Regelungen statthaften und sachlich/inhaltlich begründeten Kündigung rechtlich für die Zukunft („ex nunc”) überhaupt nicht mehr existent. Er könne demzufolge nur noch Rechtwirkungen für die Vergangenheit (d. h. den Zeitraum bis zur Wirksamkeit der Kündigung) entfalten.

 

Soweit sich das Kammergericht Berlin auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11. Februar 1981, Az.: VII ZR 312/79) bezieht, geht dies nach dem Verständnis der Düsseldorfer Richter fehl. Denn in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs gehe es nicht um den Vorrang innerhalb einer Mehrzahl von Kündigungen, sondern ausschließlich um die Frage, ob eine Vertragspartei wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages außerordentlich kündigen kann, wenn beide Parteien schuldhaft die Vertragsgrundlage zerrüttet haben. Die Entscheidung könne daher mangels Vergleichbarkeit nicht herangezogen werden.

 

In dem zu entscheidenden Fall sah das Oberlandesgericht schlussendlich eine ordentliche Kündigung des Bestellers als die entscheidende, vertragsbeendende Erklärung an. Somit hatte der Auftraggeber der Auftragnehmerin die eingeklagte Vergütung für nicht erbrachte Leistungen zu zahlen.

 

 

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Dr. Julia Müller

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