Betriebssicherheitsverordnung – ist der private Pkw ein Arbeitsmittel?

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Mit der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung war das Ziel verbunden, bestehende Auslegungsschwierigkeiten zu beenden. Dies scheint nur bedingt gelungen zu sein. Die Diskussion hält an und eine erneute Novellierung der Verordnung wurde bereits in Aussicht gestellt. Warum das so ist, wird anhand der Frage aufgegriffen, ob ein privater Pkw ein Arbeitsmittel im Sinne der Verordnung sein kann.

 

​Die Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung mit Inkrafttreten im Juni 2015 war ein bedeutender Schritt für den Arbeitsschutz (vgl. dazu auch unseren Beitrag im Fokus Immobilien 11/2015). Die umfassend überarbeitete Neufassung sollte die Erfahrungen aus der ersten Dekade der Betriebssicherheitsverordnung aufgreifen und den Arbeitsschutz in Deutschland weiter optimieren. Das kann ohne Weiteres in vielen Bereichen als gelungen angesehen werden und doch sind die Diskussionen über das „Grundgesetz des technischen Arbeitsschutzes” nicht beendet – im Gegenteil. Auf der von Rödl & Partner geleiteten Bundesfachtagung Betreiberverantwortung in Frankfurt/ Main wurde Anfang des Jahres deutlich, welche Interpretationsmöglichkeiten auch der neue Verordnungstext eröffnet und welche praktischen Schwierigkeiten weiterhin mit der Anwendung bestehen. Vieles liegt dabei nach wie vor an den Verständigungsschwierigkeiten zwischen Juristen und Technikern – der Klassiker im FM-Recht.
  
Für die Diskussion über die BetrSichV ist der Begriff des Arbeitsmittels von zentraler Bedeutung. Arbeitsmittel sind nach der Verordnung „Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen” (§ 2 Abs.1 BetrSichV). Schon die Frage, ob diese Aufzählung abschließend ist oder ob Arbeitsmittel nach dieser Definition auch dann nach den Regeln der BetrSichV behandelt werden müssen, wenn von ihnen keinerlei Gefährdungen ausgehen (der Radiergummi wird da gerne als Beispiel herangezogen), ist umstritten. Aber auch wenn ein Gegenstand (scheinbar) eindeutig unter die Definition fällt und auch Gefahren von ihm ausgehen, bleiben Fragen offen. All das hätte der Verordnungsgeber durch eindeutigere Formulierungen vermeiden können, wenn die Verständigung zwischen den Disziplinen besser funktionieren würde.
 

Das dienstlich oder geschäftlich genutzte Privatfahrzeug – ein Arbeitsmittel?

So zeigt sich z.B. in der aktuellen Diskussion über die Frage, ob ein dienstlich oder privat genutzter Pkw als Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung zu behandeln ist, das ganze Dilemma des technischen Arbeitsschutzes. Da wird zunächst der Standpunkt vertreten, ein Pkw sei eine Maschine im Sinne der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Bei dem Pkw handelt es sich richtigerweise um ein „Gerät mit durch Antriebssysteme bewegten Teilen” (die exakte Definition der Maschine findet sich in Art. 2 lit a) der Richtlinie). Auf dieser These aufbauend wird dann eine umfassende Diskussion darüber geführt, wann ein Pkw als Arbeitsmittel im Sinne der BetrSichV zu qualifizieren ist und wann nicht. Man wird sicher sagen müssen, dass ein privater Pkw, mit dem der Monteur nach der morgendlichen Besprechung am Firmensitz zur Baustelle fährt, „für die Arbeit verwendet wird“. Es sei deshalb für die Frage, ob die Pflichten der Betriebssicherheitsverordnung zu beachten sind, entscheidend, ob der Arbeitgeber die Nutzung des privaten Fahrzeugs gestattet hat (§ 5 Abs. 4 BetrSichV) oder nicht. Für andere ist entscheidend, ob man den Fahrer (als Verwender/Bediener des Arbeitsmittels) im Blick hat oder einen Beifahrer.
 

Der Teufel steckt im Detail – das Recht des technischen Arbeitsschutzes ist komplex

Diese Diskussion ist typisch für den technischen Arbeitsschutz – und führt eventuell dennoch in die Irre. Es ist unstreitig richtig, dass ein Pkw eine Maschine nach der technischen Definition und auch nach der Definition der europäischen Maschinenrichtlinie ist. Allerdings gilt die europäische Maschinenrichtlinie ausdrücklich nicht für Kraftfahrzeuge im Sinne der Richtlinie 70/156/EWG. Diese regelt die europäischen Anforderungen an „alle zur Teilnahme am Straßenverkehr bestimmten vollständigen oder unvollständigen Kraftfahrzeuge, mit mindestens vier Rädern und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h” – also den privat genutzten Pkw unseres Monteurs.
  
Um festzustellen, ob der privat genutzte Pkw ein Arbeitsmittel ist, muss also zunächst entschieden werden, ob die Aufzählung der Arbeitsmittel in § 2 der Betriebssicherheitsverordnung abschließend ist oder nicht. Dafür spricht zunächst einmal die Formulierung. Auch die Argumente, die für eine nicht abschließende Aufzählung aus der Historie der Betriebssicherheitsverordnung abgeleitet werden, überzeugen nicht. Rödl & Partner vertritt deshalb die Auffassung, dass die Aufzählung abschließend ist und man bei der Interpretation nicht u.a. noch ein „und betrieblich genutzte, private Pkw” ergänzen muss.
   
Anwendbarkeit der BetrSichV auf Pkw. Aber auch hier könnte der Pkw unseres Monteurs außen vorbleiben. Das wäre dann der Fall, wenn die BetrSichV nur für solche Maschinen gelten sollte, die nicht nur unter die Definition der Richtlinie, sondern auch in deren Anwendungsbereich fallen. Das wäre für Pkw wie dargestellt der Fall. Die Begründung der Verordnung ist insoweit nicht eindeutig.
  
Ein Argument, den Begriff der Maschine im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung auf solche Maschinen zu reduzieren, die in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie fallen, könnte der mangelnde Regelungsbedarf sein. Andere Vorschriften – von der Typenzulassung über die gesetzlichen Halterverpflichtungen bis zu den vorgeschriebenen regelmäßigen Hauptuntersuchungen durch zugelassene Überwachungsstellen – regeln die Sicherheit von Pkw bereits umfassend und so könnte die Frage gestellt werden, ob der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer noch zusätzlich vor seinem eigenen Pkw schützen muss.

 
Der betrieblich genutzte, private Pkw ist (k)ein Arbeitsmittel?!

Die Tatsachen, dass die einschlägige Unfallverhütungsvorschrift DGUV 70 nicht für dienstlich oder geschäftlich genutzte Privatfahrzeuge gilt (§ 1 Abs. Ziff. 12), der mangelnde Regelungsbedarf, der eine Einbeziehung dieser Pkw in den Anwendungsbereich möglicherweise ausschließt und nicht zuletzt eine pragmatische Sicht auf die Dinge, stehen für eine einschränkende Interpretation der Betriebssicherheitsverordnung. Die Tatsache, dass ein Pkw nach der reinen Definition in der Maschinenrichtlinie eine Maschine ist und dass bspw. auch eine TRBS bei den zu treffenden Schutzmaßnahmen den Pkw, an dem etwa Abstandswarner hilfreich sein können (TRBS 2111 Teil 1 S.5), erwähnt, sind Argumente für die Einbeziehung des betrieblich genutzten, privaten Pkw in den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung. Die Frage, ob ein betrieblich genutzter, privater Pkw ein Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung ist, muss im Ergebnis derzeit deshalb wohl noch offen bleiben. Jeder Unternehmer sollte sich mit dem Thema deshalb intensiv beschäftigen und wohl abgewogen seine individuelle Entscheidung dazu treffen.
  
Unabhängig davon bleibt die Herausforderung, weiterhin umfangreiche „Übersetzungsarbeit” zwischen der Welt der Juristen und der Welt der Techniker zu leisten. Das wird nur gemeinsam gelingen.
 
Rödl & Partner versucht im Mandat und in der Verbandsarbeit Brücken zu bauen und diese wichtige „Übersetzung” zu erarbeiten. Damit kann mittelfristig viel Unsicherheit beseitigt werden und ein rechtssicherer Gebäudebetrieb zu vertretbaren Kosten umgesetzt werden.
  
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Ulrich Glauche

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