Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Detail – Anwendungsbereich für juristische Personen des öffentlichen Rechts

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​veröffentlicht am 3. April 2023




Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), besser bekannt unter der verkürzten Bezeichnung „Lieferkettengesetz”, werden verpflichteten Unternehmen umfangreiche neue Pflichten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz in der Lieferkette auferlegt, die sog. „Sorgfaltspflichten”. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist seit dem 1.1.2023 anzuwenden und begründet für verpflichtete juristische Personen dringenden Handlungsbedarf. Um der Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte und von Umweltaspekten entlang der Wertschöpfungskette gerecht zu werden, sieht der Gesetzgeber vor, dass umfangreiche Compliance-Maßnahmen umgesetzt werden. In den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen nicht nur juristische Personen des Privatrechts. Vielmehr dient der Begriff des „Unternehmens” im Lieferkettensorgfaltsgesetz als Oberbegriff und ist rechtsformneutral. Da das Bestehen von menschenrechtlichen Risiken nicht von der gewählten Rechtsform des Unternehmens abhängt, sieht das Gesetz diesbezüglich keinerlei Beschränkungen vor. Somit können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts - unter bestimmten Voraussetzungen – in den Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltsgesetzes fallen.




Details zu den Regelungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Anwendungsbereich im Allgemeinen

Die Pflichten des LkSG betreffen grundsätzlich alle Unternehmen – ungeachtet ihrer Rechtsform – mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung im Inland. 

Der Anwendungsbereich umfasst hierbei im ersten Schritt (seit dem 1.1.2023) Unternehmen einer bestimmten Mindestgröße, mithin müssen mindestens 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt sein. Ab dem Jahr 2024 wird der Anwendungsbereich darüber hinaus bereits auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erweitert.

Für die Ermittlung der Arbeitnehmerschwellen ist die allgemeine Arbeitnehmerdefinition des § 611a BGB anzuwenden. Diese unterscheidet nicht zwischen teilzeitbeschäftigten und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.

Konzernübergreifende Schwellenwertbetrachtung 

Die Berechnung des Schwellenwertes ist nicht nur unternehmensindividuell, sondern auch konzernübergreifend von Relevanz. Gemäß § 1 Abs. 3 LkSG sind nämlich innerhalb von verbundenen Unternehmen die im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zu berücksichtigen (jedoch explizite Ausnahme von Gebietskörperschaften als Obergesellschaft; vgl. hierzu weitere Ausführungen zum Anwendungsbereich jPöR). 

Geschützte Rechtspositionen

Unter § 2 LkSG werden die zu schützenden Rechtspositionen des Gesetzes genannt. Hier wird neben der allgemeinen Bezugnahme auf völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte ein konkreter Katalog von menschenrechtsbezogenen Risiken, die einen typischen arbeitsrechtlichen Bezug aufweisen, definiert. Aufgeführt werden u. a. Kinderarbeit, Zwangsarbeit sowie klassische Aspekte des Arbeitsschutzes (u. a. offensichtlich ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen). 

Aspekte des Umweltschutzes fallen in den Schutzbereich des LkSG, soweit eine Umweltschädigung mittelbar Menschenrechte wie den Gesundheitsschutz berührt oder die in § 2 Abs. 1 LkSG i. V. m. Anlage LkSG benannten internationalen Umweltabkommen ausdrücklich auf den Umweltschutz Bezug nehmen. 

Sorgfaltspflichten 

Gemäß § 3 LkSG sind betroffene juristische Personen dazu verpflichtet – entlang ihres gesamten Wertschöpfungsbereiches - festgelegte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in „angemessener Weise” zu beachten. 

Zentrale Pflicht für Betroffene ist deshalb die Integration gewisser Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik. Hiervon umfasst werden verschiedene, aufeinander aufbauende und miteinander verknüpfte Maßnahmen, unter anderem die Einrichtung eines Risikomanagementsystems, das Vermeidungs-, Präventions-, und Abhilfemaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich, aber auch gegenüber unmittelbaren Zulieferern und ggf. gegenüber mittelbaren Zulieferern beinhaltet. Im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ergeben sich Dokumentations- und Berichterstattungspflichten. 

Die „angemessene Weise” eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt, wird näher in § 3 Abs. 2 LkSG geregelt. Typische Kriterien bei der Bewertung hierbei sind neben der Branche die tatsächlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Dabei gilt, je stärker die Einflussmöglichkeit des Unternehmens und je größer die Risikogeneigtheit der Geschäftstätigkeit (d. h. die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung der geschützten Rechtsposition) ist, desto größer ist der Maßstab, der an die Sorgfaltspflichten anzulegen ist.



Sanktionsrahmen

Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert, wenn Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig bestimmte Pflichten verletzen. Ordnungswidrigkeiten werden mit Bußgeldern bis zu 800.000 Euro (Firmen über 400 Mio. Euro Umsatz sogar bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes) geahndet Zudem können Unternehmen in bestimmten Fällen für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. 

Eingeschränkter Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes für juristische Personen des öffentlichen Rechts

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR), d. h. Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, fallen nur unter das Gesetz, soweit sie unternehmerisch am Markt tätig sind. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des LkSG auf jPöR ist dabei, dass der unternehmerisch tätige Teil der juristischen Person die Voraussetzungen des § 1 LkSG eigenständig erfüllt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jPöR, die überhaupt nicht unternehmerisch am Markt tätig sind, oder deren unternehmerische Tätigkeit nicht die Schwellenwerte des § 1 LkSG erreicht, keine Verpflichtungen aus dem LkSG treffen. 

Entsprechend dieser eingeschränkten Erfassung werden somit nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezählt, die organisatorisch dem unternehmerisch tätigen Teil der jPöR zuzuordnen sind. Anhand dieser Zählweise ist zu bestimmen, ob die Schwelle der 3.000 (ab 2023) bzw. 1.000 (ab 2024) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 1 LkSG erreicht ist. Zu beachten ist, dass Beamtinnen und Beamte hierbei nicht mitgezählt werden, da sie nicht unter die Beschäftigten-Definition des § 611a BGB fallen. 

Gebietskörperschaft (Bund/Länder/Landkreise/Kommunen) werden nicht als Obergesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 LkSG subsumiert, weshalb eine Schwellenwertberechnung im Rahmen einer Konzernbetrachtung - ausgehend von der Gebietskörperschaft als etwaige Muttergesellschaft - nicht einschlägig ist. 

Eine unternehmerische Tätigkeit am Markt liegt vor, wenn die jPöR Dritten (natürlichen Personen, Unternehmen, anderen JPöR) gegenüber eine Dienstleistung oder ein Produkt (auch unentgeltlich) offeriert und dabei das Anbieten der Dienstleistung oder des Produktes in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmenden (anderen Unternehmen und/oder anderen JPöR) geschieht. Eine solche Konkurrenzsituation liegt immer dann vor, wenn die Dienstleistung bzw. das Produkt auch von anderen Marktteilnehmenden angeboten werden kann. Sofern die Schwellenwerte im Rahmen des eingeschränkten Anwendungsbereiches dennoch überschritten werden, obliegen die Pflichten des LkSG auch nur in dem unternehmerisch tätigen Bereich der jPöR.  

Der Einkauf von Leistungen und Produkten ist nur insoweit Bestandteil der unternehmerischen Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts i. S. d. LkSG, als er zum Zwecke der o. g. Marktbetätigung erfolgt.

Für juristische Personen des Privatrechts in öffentlicher Hand gelten keine Besonderheiten. Sie fallen unter den Anwendungsbereich, wenn die Voraussetzungen des § 1 LkSG eigens durch die juristische Person des Privatrechts erfüllt werden. Auch für gemeinnützige Unternehmensformen des Privatrechts gelten keine Besonderheiten – sie fallen ohne Einschränkung in den Anwendungsbereich des Gesetzes.

Fazit

Das LkSG ist ein bedeutendes Compliance-Thema mit hohen Sanktions- und Reputationsverlustrisiken. Mitarbeiterstarke juristische Personen des öffentlichen Rechts sollten die Anwendbarkeit in Bezug auf ihre unternehmerische Tätigkeit überprüfen. Die Definition der unternehmerischen Tätigkeit (i. e. S. die Marktrelevanz von Leistungen und Produkten) erinnert hierbei stark an bekannte - an das Steuerrecht anknüpfende – Prüfmuster (zuletzt gem. § 2b UStG). 

Zwar gilt für jPöR ein eingeschränkter Anwendungsbereich, jedoch können die unter § 1 LkSG definierten Schwellenwerte bei größeren Kommunen und anderen jPöR dennoch schnell überschritten werden. So werden beispielsweise angestellte Erzieherinnen und Erzieher oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Kultur regelmäßig für die Schwellenwertbetrachtung von Kommunen relevant sein, da entsprechende Leistungen auch von anderen Marktteilnehmenden angeboten werden.  

Unabhängig von einer unmittelbaren Verpflichtung zur Anwendung des LkSG werden jPöR und öffentliche Unternehmen im Allgemeinen in einer Vielzahl von Konstellationen für privatwirtschaftliche Unternehmen tätig. Wenn diese Unternehmen unmittelbar durch das LkSG verpflichtet werden, erfolgt hierdurch auch eine mittelbare Bindung für die Unternehmen in der Lieferkette. Die JPöR und Ihre Unternehmen sollten daher (sofern Sie Leistungen auch für Unternehmen der Privatwirtschaft erbringen) davon ausgehen, dass sie zumindest mittelbar durch das LkSG verpflichtet werden.

Durch das LkSG verpflichtete jPöR haben die Sorgfaltspflichten umzusetzen, wenngleich gerade bei Kommunen dem Prinzip der Angemessenheit der Erfüllung der Sorgfaltspflichten (§ 3 Abs. 2 LkSG) eine gewisse Bedeutung in der Praxis zukommen sollte. Die Umsetzung kann konzeptionell im Rahmen von bereits existierenden Compliance-Management-Systemen oder aber eigenständig bewirkt werden.

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