Pflegedienst muss Personal mit Qualifikation nach Kassenvereinbarung einsetzen

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Vereinbart ein Pflegedienst mit der Kranken- und Pflegekasse für eine häusliche Pflege den Einsatz besonders qualifizierten Personals, so muss er Personal mit dieser Qualifikation auch einsetzen. Andernfalls machen sich die Betreiber des Pflegediensts wegen Abrechnungsbetrugs strafbar. Zugleich verliert der Pflegedienst den Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen.

In dem vom BGH am 16. Juni 2014 (4 StR 21/14) entschiedenen Fall hatte die Angeklagte, die Betreiberin eines privaten Pflegediensts, mit der Kranken- und Pflegekasse zu einer genehmigten 24-stündigen häuslichen Krankenpflege vertraglich vereinbart, dass der Pflegedienst sicherstellt, „dass er die (…) Vertragsleistungen nur von dazu fachlich qualifizierten und berufsrechtlich legitimierten Pflegekräften durchführen lässt. Dazu gehört, dass er genügend fachlich weitergebildete Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-innen für Intensivpflege und Anästhesie bzw. genügend Krankenpfleger/-innen und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatrische Intensivpflege beschäftigt. (…) Der Pflegedienst hat dafür zu sorgen, dass die Pflege auch bei Abwesenheit von Pflegekräften wegen Verhinderung, Krankheit oder Urlaub durch leistungsfähige, gleich qualifizierte Vertretungen gewährleistet ist.”

 
Der den Vertrag aufseiten der Kranken- und Pflegekasse abschließende Leiter der Leistungsabteilung und die Angeklagte verstanden diese Vereinbarung übereinstimmend dahingehend, dass der Pflegebedürftige ausschließlich durch Personal mit der angegebenen Zusatzqualifikation gepflegt werden oder zumindest das eingesetzte Personal engmaschig durch bei der Angeklagten beschäftigte Personen, die über diese Zusatzqualifikationen verfügen, eingearbeitet, unterstützt und überwacht werden muss.

 

In der Folgezeit setzte die Betreiberin des Pflegediensts zu keinem Zeitpunkt Personal ein, das über die in der vertraglichen Vereinbarung beschriebene Qualifikation verfügte, sondern vielmehr examinierte Krankenschwestern, Altenpfleger/-innen, Altenpflegehelfer/-innen und Auszubildende zur Krankenschwester. Auch wurde das Personal nicht durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte, die im Pflegedienst der Angeklagten auch nur kurzzeitig beschäftigt waren, eingearbeitet oder überwacht. In den Rechnungsstellungen gegenüber der Kranken- und Pflegekasse gab die Angeklagte überhöhte Arbeitsstunden an, die Unterschriften unter den beigefügten Leistungsnachweisen waren in 91 Fällen gefälscht.
 
Mit seiner Revisionsentscheidung bestätigte der BGH das Vorliegen strafbarer Urkundenfälschungen und des Abrechnungsbetrugs. Hinsichtlich des Tatbestandes der Urkundenfälschung bedurfte dies keiner näheren Darlegung. Aber auch der Tatbestand des (Abrechnungs-)Betrugs war erfüllt, da die Angeklagte mit den Abrechnungen konkludent wahrheitswidrig vorgab, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies.
 
Zwar fordert das SGB V bezüglich der häuslichen Krankenpflege keine besondere Qualifikation der von den Leistungserbringern eingesetzten Personen. Die Krankenkassen sind jedoch berechtigt, den Abschluss eines Vertrages über die Leistung häuslicher Krankenpflege von einer bestimmten formalen Qualifikation des Pflegepersonals abhängig zu machen. Wird eine solche Vereinbarung getroffen, bildet sie neben den gesetzlichen Bestimmungen die Grundlage der Leistungsbeziehung und soll sicherstellen, dass sich die Pflege nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht.
 
Der für den (Abrechnungs-)Betrug als Tatbestandvoraussetzung erforderliche Vermögensschaden der Kranken- und Pflegekasse lag vor, da das Unterschreiten der nach dem Vertrag vereinbarten Qualifikation nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs führt, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden („streng formale Betrachtungsweise”).  Dem Leistungserbringer steht daher für Leistungen, die er unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen bewirkt, auch dann keine Vergütung zu, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht sind (BSG, B. v. 17. Mai 2000, B 3 KR 19/99 B). Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in diesen Fällen aus.
 
Der strafbare (Abrechnungs-) Betrug war damit schon dadurch erfüllt und der Vergütungsanspruch schon dadurch entfallen, dass die Angeklagte als Betreiberin des Pflegediensts Personal mit geringerer als der vertraglich vereinbarten Qualifikation einsetzte. Dass der Pflegezustand des Pflegebedürftigen während des gesamten Tatzeitraums gut war und nicht festgestellt werden konnte, dass Krisen oder Krankenhausaufenthalte während dieser Zeit durch eine unzureichende Pflege seitens des von der Angeklagten eingesetzten Personals verursacht wurden, war für die Entscheidung ohne Belang.

 

 
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