BGH: Kein Angebotsvergleich bei Anwälten und Gutachtern

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 7.10.2025 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 18.07.2025, Az.: V ZR 76/24
 
Wohnungseigentümergemeinschaften sind vor Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Gutachters nicht verpflichtet, Vergleichsangebote einzuholen.

Die Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft aus München beauftragte wegen drohender Verjährung von festgestellten Baumängeln zunächst drei Sachverständige und anschließend eine Anwaltskanzlei, jeweils ohne vorherigen Beschluss. In einer späteren Eigentümerversammlung wurden die Beauftragungen nachträglich genehmigt, und die Verwalterin erhielt die Ermächtigung, Stundensätze von bis zu 300 € für Anwälte und 150 € für Sekretariatsstunden zu vereinbaren. Die Klägerin, zugleich Bauträgerin der Wohnanlage und Mitglied der Gemeinschaft, erhob schließlich Anfechtungsklage gegen diese Beschlüsse.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass bei der Beauftragung von Rechtsanwälten und Gutachtern keine Alternativangebote erforderlich sind und Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung derartige Maßnahmen des Verwalters nachträglich genehmigen können. Viele Instanzgerichte halten zur Vorbereitung entsprechender Beschlüsse mindestens drei Alternativangebote für erforderlich; höchstrichterlich ist dies jedoch nicht bestätigt. Im vorliegenden Fall kommt es nach Ansicht des BGH auch nicht darauf an, da die Beauftragung von Rechtsanwälten und Gutachtern nicht mit der von Handwerkern vergleichbar ist. Vergleichsangebote dienen dem Zweck, die Stärken und Schwächen verschiedener Leistungen zu erkennen – dieser Zweck wird bei Anwälten und Sachverständigen nicht erreicht. Ein Vergleich mehrerer Angebote bringt daher keinen echten Erkenntnisgewinn hinsichtlich Qualität oder Wirtschaftlichkeit. Bei Abrechnung nach gesetzlichen Gebühren gibt es ohnehin keine Preisunterschiede, und selbst bei stundenbasierter Abrechnung lässt sich der Endbetrag aufgrund von Dauer und Komplexität eines Gerichtsverfahrens vorab nicht genau beziffern. Anwälte und Gutachter schulden – anders als Handwerker – keinen Erfolg, sondern nur eine fachgerechte und ergebnisoffene Tätigkeit. Entscheidend sind fachliche Kompetenz und die persönliche Vertrauensbeziehung zwischen Mandanten und Anwalt, die sich aus einem Angebotsvergleich nicht ableiten lassen.

Die Ermächtigung der Eigentümergemeinschaft, mit der Kanzlei ein Stundenhonorar von bis zu 300 € für Anwälte und 150 € für Sekretariatsstunden zu vereinbaren, hält der Bundesgerichtshof ebenfalls für zulässig. Eigentümer dürfen Kosten und Nutzen abwägen und müssen nicht das niedrigste Honorar wählen, solange die Vergütung innerhalb ihres Ermessens liegt. Auch die nachträgliche Genehmigung der Aufträge an Anwälte und Gutachter ist rechtmäßig, sofern die Maßnahmen selbst ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Angesichts der drohenden Verjährung war die Beauftragung der Gutachter und der Kanzlei angezeigt und sachlich gerechtfertigt.
 

Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs erleichtert die Arbeit von Wohnungseigentümergemeinschaften und Verwaltern, insbesondere wenn schnelles Handeln erforderlich ist oder die Einholung mehrerer Vergleichsangebote schwierig wäre. Ob die Beauftragung – auch von Rechtsanwälten oder Gutachtern – und die entsprechende Vergütung ordnungsgemäß ist, bleibt letztlich eine Frage des Einzelfalls und muss unter Berücksichtigung von Kosten, Nutzen und den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts geprüft werden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen.​

Autorin

Julia Nagel


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