Bundesgerichtshof (BGH): Neue Auslegung des 5. Strafsenats zur Zahlungsunfähigkeit bei Insolvenzverschleppung – Eine Verschärfung der Haftung?

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veröffentlicht am 1. März 2021


Für die Frage ob eine Verbindlichkeit bei der Beurteilung zur Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO zu berücksichtigen ist, gab es bislang ein simples Prüfungsschema, das drei Kontrollfragen umfasste. Ist die Verbindlichkeit fällig im Sinne des § 271 BGB? Liegen rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einreden vor? Ist die Forderung ernstlich eingefordert? Der 5. Strafsenat macht die Sache nun komplizierter, indem er – anders als der BGH in Zivilsachen – das ernstliche Einfordern nicht mehr für nötig erachtet. Auf diese unterschiedliche Behandlung ist künftig zu achten.

 

Status Quo

Seit Monaten existieren umfangreiche Maßnahmenpakete, mit denen Unternehmen, welche durch die Covid-19-Pandemie in die Krise geratene sind, geholfen werden soll. Ein Bestandteil des Maßnahmenpakets ist das vielfach diskutierte Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, das seit März 2020 mit unterschiedlichen Verlängerungen die unterschiedlichen Insolvenzantragspflichten aussetzt. Strafbar wegen Insolvenzverschleppung macht sich grundsätzlich, wer einen Insolvenzantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig stellt (vgl. § 15a InsO). Es handelt sich bei der Insolvenzverschleppung um ein sogenanntes Sonderdelikt, das nur bestimmte Personen begehen können. Als tauglicher Täter kommt regelmäßig in Betracht, wer nach § 15a InsO verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies sind insbesondere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder.

 

Normalerweise besteht eine Insolvenzantragspflicht, sobald ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Dann ist der Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern” zu stellen.

 

Aktuell besteht bis zum 30. April 2021 keine Antragspflicht für Unternehmen, wenn die Gründe für die Insolvenzreife pandemiebedingt sind und eine Aussicht darauf besteht, das Unternehmen unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder auf andere Weise wieder auf Kurs zu bringen. Zur Klarstellung: Die Aussetzung gilt nicht für alle Unternehmen, sondern nur unter den zuvor genannten Voraussetzung!

 

Ungeachtet der Herausforderung, dass künftig in Strafverfahren oder auch in Haftungs- und Anfechtungsauseinandersetzungen mit dem Insolvenzverwalter streitig werden wird, ob und inwieweit Gründe für die Insolvenzreife pandemiebedingt sind und ob eine Aussicht darauf bestand, dass das Unternehmen unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder auf andere Weise saniert werden kann, verschärft der BGH das Risiko der Insolvenzverschleppung.


Geschäftsleiter sollten sich unter Risikomanagementgesichtspunkten daher frühzeitig mit den Risiken eines womöglich verspäteten oder nicht richtig gestellten Insolvenzantrags auseinandersetzen. 


Urteil des BGH: Was ändert sich?

In seiner aktuellen Entscheidung vom 29. Oktober 2020 (5 StR 618/19) äußert sich der BGH – abweichend zur der bisherigen Rechtsprechung der Straf- und Zivilsenate des BGH – dahingehend, dass es nicht mehr notwendig ist, dass Zahlungen, die das Unternehmen zu leisten hat, auch tatsächlich ernsthaft eingefordert wurden. 

 

In seinem Urteil führt der BGH aus:

„Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen […]. Wird […] ein befristetes Darlehen durch Zeitablauf fällig, ist die Tilgungsverpflichtung des Schuldners bei der Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn der Darlehensgeber ihn nicht im Sinne eines Einforderns konkret zur Rückzahlung aufgefordert hat […].”

 

Ferner weist der BGH darauf hin, dass das Merkmal des „ernstlichen Einforderns” nur dem Zweck dient, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also ohne rechtlichen Bindungswillen oder nach außen erkennbare Erklärung – gestundet sind.


Dies hat Auswirkungen auf die Liquiditätsplanung. Denn in dieser sind aus Vorsichtsgesichtspunkten nun sämtliche Verbindlichkeiten aufzunehmen, für die keine ausdrückliche Stundungsvereinbarung vorliegt. Das betrifft insbesondere Verbindlichkeiten, die zwar nach der Rechnung fällig sind, aber vom Gläubiger noch nicht ernstlich gefordert wurden. Was ist, wenn die Rechnung keinen Fälligkeitszeitpunkt ausweist? Dann ist die Verbindlichkeit sofort fällig, § 271 BGB. Auch das ist bei der Planung zu berücksichtigen. 
 

Praxistipp: Klare Dokumentation und konkrete Stundungsvereinbarungen mit dem Gläubiger vereinbaren!

Wie kann der Vorwurf der Insolvenzverschleppung letztendlich entkräftet werden? Durch eine konsequente rollierende 13-Wochen-Liquiditätsplanung mit entsprechender Dokumentation der Grundlagen für die Planung. Sollen z.B. in eine Planung bestimmte Verbindlichkeiten nicht einfließen, wäre ein geeigneter Weg, die Fälligkeit der Verbindlichkeit zu beseitigen. Dies kann durch entsprechende Stundungsvereinbarungen erfolgen. Grundsätzlich können Stundungsvereinbarungen jederzeit auch mündlich getroffen werden. Zu Beweis Zwecken ist es jedoch ratsam diese mit dem Gläubiger schriftlich zu vereinbaren. Im Laufe der Geschäftsbeziehung können sich Meinungen und Verhältnisse zwischen Parteien schnell ändern. Und da wäre es ärgerlich, wenn der Gläubiger sich an eine einmal mündlich vereinbarte Stundung nicht mehr erinnern würde.

 

Kontakt

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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