Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19.10.2021 – Nebenjob als Notärztin oder Notarzt ist regelmäßig als versicherungspflichtig anzusehen

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veröffentlicht am 4. November 2021


Der Streit um die Sozialversicherungspflicht bei einer Nebentätigkeit als Notärztin oder Notarzt ist beendet. Am 19.10.2021 entschied das Bundessozialgericht in drei Fällen (Aktenzeichen: B 12 KR 29/9 R, B 12 R 9/20 R und B 12 R 10/20 R), dass eine Sozialversicherungspflicht gegeben ist, da eine abhängige Beschäftigung besteht. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflichtigkeit der Beschäftigten, sondern hat auch Relevanz für die Frage der Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes. 
 
Am 19.10.2021 entschied das Bundessozialgericht in drei Fällen aus den Jahren 2014 und 2016, dass eine Sozialversicherungspflicht bei einer notärztlichen Nebentätigkeit gegeben ist.

Die vorinstanzlichen Gerichte bewerteten diese Frage zuvor unterschiedlich.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte zuvor in zwei der drei Fälle eine Sozialversicherungspflicht bejaht (Aktenzeichen: L 4 BA 2288/18 und L 4 BA 3646/18). Zur Begründung führte es aus, dass eine Eingliederung in die Struktur der Betriebe zu bejahen sei. Durch die Nutzung der zur Verfügung gestellten Mittel und die Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienstpersonal sei eine fremdbestimmte arbeitsteilige Eingliederung zu bejahen. Durch die strikten Anweisungen und Vorgaben sei zudem ein Weisungsverhältnis gegeben.

Das hessische Landessozialgericht dagegen lehnte eine Sozialversicherungspflicht ab (Aktenzeichen: L 8 KR 487/17). Es sei zwar eine engmaschige Eingliederung in die Organisation des Rettungsdienstes zu bejahen, dieses ergebe sich jedoch aus regulatorischen Bestimmungen. Aufgrund dieser habe der Notarzt mit weiteren am Rettungseinsatz beteiligten Personen, zusammenwirken müssen und es fehle an einem unternehmerischen Risiko. Die übrigen Beteiligten hätten zudem einen anderen Arbeitgeber. Damit scheide eine Eingliederung in die betriebliche Organisation aus.

Das Bundessozialgericht hat sich nun der Ansicht des Landessozialgerichts Baden-Württemberg angeschlossen. Die Richter sehen eine abhängige Beschäftigung von Notärztinnen und Notärzten in Nebentätigkeit als gegeben an. Es sei eine Gesamtwürdigung maßgeblich, in der insbesondere die Eingliederung in die Arbeitsorganisation in den Blick zu nehmen ist. Denn auch bei eingeschränktem Weisungsrecht kann die Dienstleistung fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird und sich daher als „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess” darstellt. Dieses ist hier gegeben. Die Dienste unterliegen Verpflichtungen, zum Beispiel sich in der Zeit des Dienstes in der Nähe des Einsatzfahrzeuges aufzuhalten. Des Weiteren werden keine eigenen Mittel eingesetzt, sondern fremdes Personal und Rettungsmittel.

Dass die Beteiligten von einer Freiberuflichkeit bzw. Selbstständigkeit ausgehen, ist dabei unerheblich. Des Weiteren kann der Verdienst nur durch die Übernahme von mehr Diensten vergrößert werden, es besteht somit durch die Eingliederung in eine fremde Organisation keine Möglichkeit, den eigenen Gewinn durch unternehmerisches Handeln zu steigern.

 

Fazit

Die Entscheidung des BSG überrascht nicht, hatte das Bundessozialgericht im Jahr 2019 doch bereits eine Sozialversicherungspflicht für die sogenannten Honorarärzte festgestellt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Auswirkungen des Urteils in der Praxis entwickeln. Inwieweit nun unter Beachtung von
§ 23 c Abs. 2 S. 1 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern sind, war nicht Gegenstand der Verfahren. Einschneidender dürften aber in der Praxis die übrigen Folgen sein, die sich daraus ergeben, dass ein Arzt in seiner Tätigkeit als Notarzt als Arbeitnehmer einzustufen ist. So sind Arbeitszeitgesetze zu beachten und die Tätigkeit wird lohnsteuerpflichtig. Welche Risiken ggf. hiermit verbunden sind und auf was geachtet werden muss, wird Thema eines weiteren Artikels in einer der nächsten Ausgaben unseres Kompass Gesundheit und Soziales sein.

Sollten sich bis dahin Fragen bei Ihnen ergeben, stehen Ihnen unsere Spezialisten zu den vorbezeichneten Fragestellungen gerne zur Verfügung. Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt auf. 

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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