Deutschlandticket – Bund und Länder beschließen Musterrichtlinie zur Anwendung

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veröffentlicht am 23. März 2023

 

Bund und Länder haben eine Musterrichtlinie zur Anwendung des Deutschlandtickets beschlossen. Die Verständigung markiert den Startschuss für die Aufgabenträger, die Regelungen umzusetzen. Dies sollte möglichst vor dem 1. Mai 2023 durch den Erlass oder die Anpassung allgemeiner Vorschriften bzw. durch bestehende Dienstleistungsaufträge erfolgen.

 

Bund und Länder haben sich auf eine abgestimmte Musterrichtlinie verständigt. Auch wenn die EU-Kommission der Richtlinie bislang nicht zugestimmt hat und die Richtlinie durch die Länder umgesetzt werden muss, liegen erstmals Regelungen vor, wie die Ausgaben den Aufgabenträgern erstattet werden, welche den Ausgleich gegenüber den Verkehrsunternehmen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 organisieren. Die „Erstattungsregelungen” zwischen Bund und Ländern zeigen damit zugleich auf, wie die „Ausgleichsregelungen” im Verhältnis von Aufgabenträger zu den Verkehrsunternehmen zu erfolgen haben.

 

Wir gehen davon aus, dass es im Rahmen der landesrechtlichen Umsetzung noch zu Veränderungen und Abweichungen von der Musterregelung kommen wird. Landesrechtliche Besonderheiten zeichnen sich z.B. bei der Fahrradmitnahme und für Studenten ab. Diese Veränderungen können über das Grundsatz-Ausnahme-Prinzip mit in die kommunale Regelung einbezogen werden, sodass die Umsetzung auf kommunaler Ebene bereits jetzt erfolgen kann.

 

Grundsatz-Ausnahme-Prinzip

Um etwaige weitere Änderungen durch die EU-Kommission bzw. landesspezifische Regelungen zu berücksichtigen, sollten die kommunalen Regelungen im Sinne eines Grundsatz-Ausnahme-Verhältnisses gestaltet werden. Die grundsätzlichen Regelungen entsprechen der Regelung der Musterrichtlinie, welche auf die Tarifbestimmungen verweist. Dieser Grundsatz wird insoweit eingeschränkt, dass bei abweichenden Regelungen (EU-Kommission, Landesregelung) diese Ausnahmen maßgeblich sind. Der Aufgabenträger schafft so eine objektive Grundlage für die Ausgleichsermittlung. Zugleich ist die kommunale Regelung für Änderungen offen. Über das Vorgehen können Anpassungen an bestehenden allgemeinen Vorschriften bzw. neu zu erlassenden Regelungen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Vorab-Parametrierung vorgenommen werden.
 

Tarifanordnung

Bund und Länder gehen davon aus, dass aufgrund der Tarifanordnung des Bundes die Ausgleichsregelung des jeweils zuständigen Aufgabenträgers selbst dann zum 1. Mai 2023 erfolgen kann, wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erlassen werden sollte. Die Umsetzung der Ausgleichsregelung im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge oder allgemeiner Vorschriften haben aber aufgrund der Befristung in § 9 Absatz 1 Sätze 4 und 5 zeitnah, spätestens zum 30. September 2023, zu erfolgen. Aus unserer Sicht reicht die Tarifanordnung für sich nicht aus, um die Anforderungen der Vorab-Parametrierung zu erfüllen. Die Festlegung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung (Anwendung des Deutschlandtickets) regelt nur deren Verbindlichkeit, nicht aber den Abrechnungsmodus. Dieser muss (landes-)gesetzlich definiert und vom Aufgabenträger in „seine” Regelung überführt werden. Dies hat vor der Geltung des Höchsttarifs zu erfolgen und kann bereits jetzt über das Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis umgesetzt werden.
 

Ausgleichsermittlung

Der Ausgleich der Fahrgeldmindereinnahmen soll nach der Musterrichtlinie ähnlich zum Corona-Rettungsschirm erfolgen. Danach soll der Ausgleich auf das Niveau der Fahrgeldeinnahmen des Jahres 2019 (unter Einbeziehung von Tarifanpassungen) aufgefüllt werden. Diesen Aspekt hat die EU-Kommission stets skeptisch gesehen. Sie hat daher eine Berücksichtigung von Veränderungseffekten gefordert:

 

Situative Nachfrageveränderungen

Im Fall von generellen Nachfragerückgängen hat zukünftig eine Korrektur zu erfolgen. Unterschreiten die Abonnentenzahlen im jeweiligen Bundesland im Januar 2024 die Abonnentenzahlen im April 2023 um mehr als 10 Prozent, sind die im Ausgleich anzusetzenden Soll-Fahrgeldeinnahmen um den über die Bagatellgrenze von 5 Prozent hinausgehenden Prozentsatz abzusenken. Bei einer Verringerung der Abonnentenzahlen um beispielsweise 11 Prozent sind die Fahrgeldeinnahmen um 6 Prozent abzusenken.
 

Pauschale Nachfragekorrektur

Als pauschaler Ausgleich, der durch die Einführung des Deutschlandtickets entfallenden prognostizierten Einnahmesteigerungen werden, die auf das Jahr 2023 fortgeschriebenen Soll-Fahrgeldeinnahmen zusätzlich um 1,3 Prozent gegenüber 2022 erhöht.
 

Veränderungen der Verkehrsleistung

Bei Veränderungen der Verkehrsleistung kann es – auf Nachweis – entsprechende Korrekturen geben. Ist die Betriebsleistung des Jahres 2023 im Verhältnis zum Jahr 2019 gestiegen, werden die auf den jeweiligen Empfänger entfallenden Soll-Fahrgeldeinnahmen des Jahres 2023 im anteiligen Verhältnis zur Steigerung der Betriebsleistung in Wagen- bzw. Zugkilometern erhöht. Dabei wird eine Angebotselastizität von 0,3 üblicherweise angenommen. Bei einer Steigerung der Betriebsleistungen um 2 Prozent bedeutet dies eine Erhöhung der Soll-Fahrgeldeinnahmen 2023 um 0,6 Prozent. In gleicher Weise wird bei gegenüber 2019 gesunkenen Betriebsleistungen verfahren.
 

Bewertung für die Praxis

Die Musterrichtlinie von Bund und Ländern zur Anwendung des Deutschlandtickets bedarf – vorbehaltlich der Bewertung der EU-Kommission – nun noch der landesrechtlichen Umsetzung. Aufgabenträger, welche bereits jetzt mit den Anpassungen beginnen möchten, können dies im Wege eines Grundsatz-Ausnahme-Prinzips über allgemeine Vorschriften oder öffentliche Dienstleistungsaufträge tun. Die Verabschiedung einer entsprechenden Ausgleichssystematik vor der Anwendung des Höchsttarifs stellt sicher, dass die Parameter für die Bestimmung des Ausgleichs sodann durch die Aufgabenträger zuvor objektiv und transparent erfolgt sind. In jedem Fall sollten die Regelungen vor dem 1. Oktober 2023 erfolgen, da zum 30. September 2023 die Tarifanordnung des Bundes endet.

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