Änderungen des deutschen Eisenbahnrechts

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veröffentlicht am 16. Mai 2023

 

Ab Juni 2023 gilt die Neufassung der EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Verordnung (EU) 2021/782 anstelle Verordnung (EG) Nr. 1371/2007), dies bewirkt einen Anpassungsbedarf im Allgemeinen Eisenbahngesetz und der Eisenbahnverkehrsordnung. Der Bundesrat hat nun einen Anpassungsentwurf der Eisenbahnverkehrsordnung beschlossen, der eine vollständige Neufassung regelt.

 

Das neu eingeführte Deutschlandticket wurde dabei als „Ticket mit erheblich ermäßigten Beförderungsentgelt” eingestuft, so dass dessen Abonnenten, im Gegensatz zu Inhabern regulärer Monats- und Jahreskarten, von Fahrgastrechten ausgeschlossen werden. Verbraucherschützer kritisieren die Intransparenz dieser Regelungen, siehe Stellungnahme des Verbraucherzentrale-Bundesverbands. Eine entsprechende Empfehlung zur Änderung dieser Schlechterstellung wurde durch den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Bundesrats ausgesprochen, jedoch vom Bundesrat letztlich nicht beschlossen.

 

Ergänzend empfahl der Ausschuss eine Verschärfung der Fahrgastrechte. Im Fernverkehr sollten Fahrgäste bereits bei Verspätungen ab 30 Minuten einen 10 EUR Reisegutschein erhalten. Ähnliche Regelungen existieren bereits in Frankreich und den Niederlanden. Derzeit werden Entschädigungen erst ab 60 Minuten Verspätung gezahlt, diese betragen dann 25 % des Fahrkartenpreises. Auch dieser Empfehlung folgte der Bundesrat mit seinem letztendlichen Beschluss nicht.

 

Die Neufassung der EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr sieht durch die Einführung des Tatbestands der „höheren Gewalt” aber auch Einschränkungen des Verbraucherschutzes vor. Um einen diesbezüglichen Interessenausgleich herzustellen, empfahl der Ausschuss des Bundesrats die prozentuale Mindestentschädigung um 10 % zu erhöhen. Diese Verschärfung der Fahrgastrechte wurde ebenfalls nicht beschlossen.

 

Beschlossen hat der Bundesrat zugunsten der Fahrgäste, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts entfällt, wenn vor Beginn der Fahrt kein Fahrausweis am geöffneten Fahrkartenschalter oder betriebsbereiten Fahrkartenautomat erwerblich war. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Verschärfung dahingehend vor, dass keine Möglichkeit bestanden haben darf, online einen Fahrausweis über das Telefon, das Internet oder jede andere in weitem Umfang verfügbare Informationstechnik zu erwerben. Es wurde damit insbesondere der Lastenverteilung Rechnung getragen, dass im Schienenfernverkehr die Verantwortung zur Möglichkeit des Fahrkartenkaufs beim Unternehmen liegt.

 

Bewertung für die Praxis

Regelungen, die zur Gleichstellung der Abonnenten des Deutschlandtickets und solcher anderer Monats- und Jahreskarten führen, sind begrüßenswert. Maßgebliche Zielsetzung des Deutschlandtickets ist die Vereinfachung der Tarifstrukturen, gleiches sollte für die Fahrgastrechte gelten. Dass die beschlossene Kofinanzierung durch Bund- und Länder zur Einschränkung der Fahrgastrechte führt, lässt sich nicht hinreichend begründen. Zudem können Kunden die unterschiedlichen Fahrgastrechte schwer nachzuvollziehen, dies wird sich ebenfalls im Bereich des Entschädigungsmanagements im Kundenservice widerspiegeln.

 

Die Regelung zur Entschädigung ab 30 Minuten in Form eines Reisegutscheins wäre ein Interessenausgleich zwischen Fahrgast und Beförderer. In der Öffentlichkeit zeigt sich ein vermehrtes Interesse an einem Ausgleich der zunehmenden Verspätungen im Schienenfernverkehr. Wünschenswert ist, dass die Kunden in Folge zunehmender Unzufriedenheit nicht zum klimaschädlicheren Kurzstreckenflugverkehr abwandern. Dies kann durch einen Reisegutschein vermieden werden, der bei der nächsten Fahrt eingesetzt werden kann. Der Beförderer wird durch zu hohe Auszahlungen in Folge von Verspätungen geschützt, da das Geld durch die Gutscheinlösung im System des Beförderers bleibt. Vor dem Hintergrund umfangreicher Sanierung im Streckennetz der DB Netz, welche in den kommenden Jahren unweigerlich zu weiteren erheblichen Verspätungen bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen führen werden, kann dieser Ansatz auch im Interesse des Gesamtsystems Schiene Vorteile bieten. Dass ein solcher Ansatz auch im Einklang mit der EU-Vorgaben steht, konnten wir in einem Kurzgutachten im Auftrag des VZBV eV. untersuchen: Zulässigkeit des vzbv – Umsetzungsvorschlag zur Verschärfung der EU-Fahrgastrechte.

 

Die Empfehlung des Ausschusses zur Anhebung der prozentualen Mindestentschädigungen, mit dem Ziel der Kompensation der Einschränkung der Fahrgastrechte bei höherer Gewalt, verfolgt Verbraucherschutzinteressen. Ein Interessenausgleich zwischen Beförderer und Fahrgast ist nicht zu erkennen, denn es handelt sich schlicht um unterschiedliche Sachverhalte: Beförderer-interne und -externe Verspätungsursachen. Bei derartigen Konstellationen wären klare Beweislastregelungen zu treffen gewesen, um ein ausreichendes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Anderenfalls hätten zunehmend Rechtsstreitigkeiten über den Begriff der höheren Gewalt gedroht.

 

Damit wurden nur wenige verbraucherfreundliche Regelungen in die derzeit anstehende Novellierung aufgenommen, die geeignet sind die Fahrgäste im System des Schienenfernverkehrs halten zu können.

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