Novelle des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung – Entwurf zum StVG von der Bundesregierung beschlossen

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veröffentlicht am 28. Juni 2023


Bereits seit längerer Zeit werden das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) als stark anpassungsbedürftig gesehen. Insbesondere die Kommunen wünschen sich mehr Umsetzungsspielraum zur Anpassung an die örtlichen Bedürfnisse, den die bisherigen starren Regelungen nicht bieten. Zudem sind die Vorgaben des StVG zu stark an dem Gebot der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs – worunter primär der motorisierte Individualverkehr verstanden werden kann – ausgerichtet. Abweichungen davon erfordern einen erhöhten Begründungsaufwand. Im Rahmen des Koalitionsvertrags wurde die Novelle als Umsetzungsziel der Ampelkoalition festgesetzt: Nun wurde der Gesetzesentwurf zum StVG des FDP geführten Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) von der Bundesregierung beschlossen. Die Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat stehen noch aus, Änderungsmaßgaben können daher noch eingebracht werden. Parallel liegt ein Referentenentwurf für die Änderung der ausführenden StVO vor.

 

Das StVG selbst enthält keine konkreten Verkehrsregeln, sondern setzt den Rechtsrahmen, in dem die Bundesministerien Verkehrsregeln und Maßgaben, für die den Verkehr regelnden Behörden der Länder in Form von Verordnungen aufstellen können. Es stellt damit die Grundlage des deutschen Straßenverkehrsrechts dar, Änderungen greifen daher auf die nachgeordneten Ebenen durch.

 

Der beschlossene Referentenentwurf des StVG führt folgende für die Verkehrsplanung zu berücksichtigende Belange in die Verordnungsermächtigung ein:

  • Klima- und Umweltschutz
  • Gesundheitsschutz
  • städtebauliche Entwicklung


Die örtlichen Behörden sollen sich künftig (auch ausschließlich) auf diese Ziele berufen können, um verkehrsregelnde Maßnahmen zu begründen. Es ist grundsätzlich nach dem beschlossenen Entwurf des StVG nicht erforderlich, dass die verkehrsregelnde Maßnahme auch Zwecke der Verbesserung der Sicherheit oder der Leichtigkeit des Verkehrs verfolgt. Anders hingegen sieht es in dem darauf aufbauenden Entwurf der StVO aus: Hier soll nach derzeitigem Stand die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs maßgebliches Kriterium bleiben.

 

Der StVO-Entwurf enthält indes Erleichterungen für die Einrichtung von Sonderfahrspuren, Radwegen, Tempo-30- und Anwohnendenparkzonen durch die Kommune. Sonderfahrspuren können dem Entwurf nach künftig für klimafreundliche Mobilitätsformen, z.B. für elektrische oder mit Wasserstoff betriebene Busse, Fahrräder oder Fahrzeuge mit mehreren Insassen, angeordnet werden. Das Anwohnendenparken soll einfacher eingerichtet werden können, indem zukünftig auf den Nachweis eines bestehenden Parkdrucks verzichtet wird und Prognosedaten ausreichen sollen. Die Einrichtung dieser verkehrlichen Maßnahmen steht aber unter der Berücksichtigung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.

 

Bereits seit geraumer Zeit wurden die Rufe nach einer Verringerung der Regel-Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h innerorts laut. Darüber besteht ein Parteienstreit. Nach dem StVO-Referentenentwurf bestehen verstärkte kommunale Freiheiten bei der Anordnung einer Tempo-30-Zone bei Fußgängerüberwegen, Kindergärten, Spielplätzen sowie in der Nähe von Schulen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Die Tempo-30-Zone darf aber auch künftig nicht zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs führen. Insoweit bleibt der motorisierte Individualverkehr weiter privilegiert. Tempo-30-Zonen dürfen nach dem StVO-Entwurf auch künftig nicht zugunsten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes oder der städtebaulichen Entwicklung angeordnet werden. Der Spielraum des beschlossenen StVG-Entwurfs wurde diesbezüglich nicht vollständig ausgeschöpft. Vielmehr bleibt die StVO als ausführende Regelung unter den Zielvorgaben des StVG als übergeordnetes Gesetz.

 

Bewertung für die Praxis

Die Verkehrswende kann nur Erfolg haben, wenn StVG und StVO ineinandergreifen und regelungstechnisch dieselben Ziele verfolgt werden. Die Belange des Klima- und Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und der städtebaulichen Entwicklung müssen wirklich gleichrangig neben den Prinzipien der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs stehen, nur dann kann eine vollständige Abwägung der entscheidenden Behörden erfolgen. Werden die einen Ziele den anderen übergeordnet, führt dies zu einem verstärkten Begründungsaufwand der Behörden und damit zu einem höheren bürokratischen Aufwand, wenn zu Gunsten des Klima- und Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und der städtebaulichen Entwicklung verkehrsregelnde Maßnahmen getroffen werden sollen. Die Entwürfe zu den Novellen von StVO und StVG sind das Ergebnis politischer Nabelschau, in denen im Gesetz neue Zielvorgaben definiert werden, welche für die konkrete Anwendung über die StVO keine Relevanz beigemessen wird. Rechtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert.

 

Der StVO-Entwurf trifft noch auf folgende praktische Erwägungen: 

Der Regelungsentwurf zu Sonderfahrspuren für bestimmte Mobilitätsformen, wegen ihres gegenüber den Fahrzeugen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren veränderten Fahr- und Geräuschverhaltens oder wegen der Reduzierung der Anzahl von Fahrten, mag auch von Klima- und Umweltschutzgesichtspunkten getragen sein. Bei bestehenden Straßenanlagen scheint dies nur auf derzeit mehrspurigen Straßen, die überwiegend in größeren Städten zu finden sind, umsetzbar zu sein.

 

Die Verwendung von Prognosedaten zur Einrichtung von Anwohnendenparkzonen und der damit einhergehende Verzicht auf den Nachweis des bestehenden Parkdrucks kann als Maßnahme des Bürokratieabbaus im Verwaltungsverfahren gewertet werden. Der maßgeblich zu berücksichtigende Zeitpunkt wird damit von der Begutachtung der Vergangenheit in die Zukunft verschoben, bereits prognostizierter Parkdruck soll vermieden werden. Hinsichtlich dieser Regelung gibt es zwei Punkte zu bedenken: Die entsprechenden Daten müssen zunächst einmal vorliegen. Darüber hinaus bleibt es mit dieser Verwaltungserleichterung aber bei dem Grundsatz, dass der öffentliche Straßenraum allen zur Verfügung steht und (eingerichtete) Parkplätze, die bereits einen Großteil des verfügbaren Raums einnehmen, in ihrer Nutzung nur reglementiert werden, wenn ein Mangel an Parkraum besteht oder voraussehbar ist. Die von vielen geforderte Neugestaltung, wonach Parkgebühren als Nutzungsentgelt für den öffentlichen Straßenraum zu erheben sind, bleibt aus.

 

Die geplanten Regelungen zur Etablierung von Tempo-30-Zonen vor den o.g. Einrichtungen stellt ausschließlich eine Verwaltungserleichterung für diese expliziten Fälle dar. Die Zielsetzung des StVG, auch Belange des Klima- und Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und der städtebaulichen Entwicklung zu berücksichtigen, findet derzeit, trotz entsprechender Forderungen aus den Kommunen, keine Berücksichtigung. Es bliebe damit bei einem erhöhten Begründungs- und Bürokratieaufwand für die Behörden.

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Ricarda Bans

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