Ist bei autonomen Fahrzeugen weniger Personal notwendig?

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veröffentlicht am 15. November 2023


In letzter Zeit konnte man verschiedenen Medienberichten entnehmen, dass die GM-Tochter Cruise in San Francisco mit einem Betreuungsschlüssel von 1,5 Personen pro autonomem Fahrzeug operiert. Dieser 50-prozentige Mehraufwand gegenüber einem konventionellen Fahrzeug, wo klassischerweise eine Person (nämlich der Fahrzeugführer) die Kontrolle übernimmt, steht im krassen Gegensatz zu der Hoffnung, durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge mit weniger Personal mehr Fahrzeuge einsetzen zu können.

Wundern kann man sich insbesondere darüber, dass ein externer Zugriff auf das an sich fahrzeugführerlose Fahrzeug angeblich sehr häufig notwendig war und kaum 10 km ohne Zugriff am Stück gefahren werden konnten. Dies ist vor allem deshalb schwer verständlich, weil sich die Unternehmen vor dem operativen Einsatz ihrer Systeme immer damit brüsteten, mehrere hunderttausend Kilometer zurückgelegt zu haben und dabei nur eine niedrige zweistellige Zahl an Eingriffen notwendig gewesen sei.

 

Gibt es in Deutschland eine Vorgabe hinsichtlich eines Personalschlüssels?

Der Einsatz automatisierter/autonomer Fahrzeuge ist inzwischen deutschlandweit gestattet, auch wenn es noch keine derart sichtbaren operativen Einsätze wie in San Francisco gibt. Auch hierzulande hoffen insbesondere die ÖPNV-Flottenbetreiber, durch den Einsatz von fahrzeugführerlosen Fahrzeugen mit dem bestehenden Personalstock mehr Fahrzeuge einsetzen zu können.


Zu beachten ist, dass für den Betrieb fahrzeugführerloser Fahrzeuge gesetzlich bestimmte Personale vorgeschrieben werden. Dies ist zum einen die sogenannte Technische Aufsicht und zum anderen das Wartungspersonal. Die Technische Aufsicht ersetzt den nicht mehr benötigten Fahrzeugführer und kann mit dem Fahrzeug aus der Leitstelle kommunizieren, um beispielsweise ein vom Fahrzeug vorgeschlagenes Fahrmanöver freizugeben. Die Technische Aufsicht betreut das Fahrzeug aber nicht im Sinne einer permanenten Überwachung, sondern wird durch das Fahrzeug im Bedarfsfall angefragt, sodass eine Technische Aufsicht eine unbestimmte Zahl von Fahrzeugen parallel betreuen kann (Betreuungsschlüssel 1:N). Das Wartungspersonal ist dafür zuständig, dass das Fahrzeug regelmäßig überprüft wird und die Systeme einwandfrei funktionieren. An beide Personale werden Qualifikationsanforderungen gestellt (wir berichteten hier), um die Sicherheit des Betriebs zu gewährleisten.


Diese Personalvorgaben sehen zwar auf den ersten Blick danach aus, als wäre der gesetzlich vorgesehene Personalschlüssel pro Fahrzeug größer als 1:1. Dies würde jedoch allein für den Fall zutreffen, dass der Flottenbetreiber nur über ein einziges Fahrzeug verfügt. Da sowohl die Technische Aufsicht als auch das Wartungspersonal für mehrere Fahrzeuge parallel eingesetzt werden können, relativiert sich die Anzahl der vorgeschriebenen Personale somit im Verhältnis zur Fahrzeuganzahl, sodass eine Technische Aufsicht und eine Wartungsperson z.B. für 10 Fahrzeuge zuständig sein können. Damit ergäbe sich rechnerisch ein Schlüssel von einer Person auf 5 Fahrzeuge.


Bewertung für die Praxis

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Einsatz automatisierter/autonomer Fahrzeuge nur dann attraktiv, wenn die gegenüber konventionellen Fahrzeugen höheren Anschaffungs- und Wartungskosten durch niedrigere Personalkosten aufgewogen werden.


Rechtlich vorgeschrieben ist also keine Quote pro Fahrzeug, sondern nur die Verfügbarkeit von bestimmtem qualifiziertem Personal. Wie viele Fahrzeuge insbesondere die Technische Aufsicht parallel betreuen kann, wird davon abhängen, wie komplex die Strecke ist und wie häufig das Fahrzeug dort in Situationen kommt, in denen es die Unterstützung durch die technische Aufsicht erbittet. Es ist damit zu rechnen, dass sich der Betreuungsschlüssel im laufenden Betrieb erhöhen kann, der Einsatz einer Technischen Aufsicht also weniger durch das autonome Fahrzeug angefragt wird und somit mehr Fahrzeuge überwacht werden können. Da die Technische Aufsicht in ihrem Standort grundsätzlich unabhängig ist, kann ein höherer Betreuungsschlüssel dazu führen, dass sich regionale Zentren für die Technische Aufsicht bilden, von denen aus betreut wird. Durch Bildung solcher Zentren können sich finanzielle Einsparungseffekte hinsichtlich der Technischen Ausstattung ergeben.

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Till Stegemann

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