Reform der Schuldenbremse oder Sondervermögen: Wir brauchen eine Branchenlösung für den Mobilitätsbereich und keine Einzellösungen

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veröffentlicht am 09. Februar 2024

 

Der Bundestag hat Anfang Februar den Haushalt 2024 beschlossen. Der Einzelplan 12 des BMDV wächst danach um ca. 5,44 Mrd. Euro. Das ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Haushaltslage sicherlich ein Teilerfolg. Die Mittel reichen jedoch nicht aus, um die Transformation im Mobilitätsbereich voranzubringen.

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 fehlen in den kommenden Jahren insgesamt 60 Mrd. Euro durch den Wegfall des Klima- und Transformationsfonds und nochmal 200 Mrd. Euro aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds. Ein Teil dieser Mittel war zur Sanierung der Bahninfrastruktur und zur klimagerechten Transformation des Mobilitätsbereichs zusätzlich zum regulären Bundeshaushalt vorgesehen.

Der Wegfall der beiden Sondervermögen konnte im Haushalt 2024 nicht kompensiert werden:

  • Für die Schiene fehlen perspektivisch 27 Mrd. Euro. Noch im September hatte der Bund der Schiene bis 2027 rund 40 Mrd. Euro zugesagt und weitere 40 Mrd. Euro waren in Aussicht gestellt worden. Nach Auskunft der Deutsche Bahn wird das dazu führen, dass Neubaupläne zusammengestrichen werden. Die verbleibenden Mittel sollen ausschließlich in die Sanierung der bestehenden Trassen fließen.
  • Für Modellprojekte im allgemeinen ÖPNV stehen 14 Mio. Euro weniger zur Verfügung und die Verpflichtungsermächtigungen ab 2027 in Höhe von 27 Mio. Euro wurden gestrichen.
  • Die Förderung der Elektromobilität fällt mit 359 Mio. Euro um 86 Mio. Euro niedriger aus. Nach Angaben des VDV bedeutet dies 77 Mio. Euro weniger für die E-Busförderung, die damit praktisch zum Erliegen kommt. Die Verpflichtungsermächtigung wurde von 350 Mio. Euro auf 64 Mio. Euro gekürzt.

Die Kürzungen gefährden die Klima- und Umweltziele im Mobilitätsbereich. Zudem lassen längst überfällige Strukturveränderungen, wie etwa die Gestaltung des „Ausbau- und Modernisierungspakts”
 (AMP) auf sich warten.

Die einsetzende politische Diskussion um die Ausgestaltung der Schuldenbremse und die Schaffung von Sondervermögen sollte auch im Mobilitätsbereich aufmerksam verfolgt werden. Im Kern geht es darum, ob Investitionen zum Beispiel in die Verkehrsinfrastruktur im Rahmen der Gesamtverschuldung anders behandelt werden als Konsumausgaben.

So fordert der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (sog. Wirtschaftsweisen), der Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und andere eine Reform der Schuldenbremse. Und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) ruft Deutschland zur Lockerung der Schuldenbremse auf. Die 2009 eingeführte Schuldenbremse zielt darauf ab, dass der nachfolgenden Generation keine zu hohe Schuldenlast zu hinterlassen; die Schuldenbremse dient daher der Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen.

Dieses Ziel wäre aber auch dann gefährdet, wenn bestehende Infrastruktur überaltert und nachfolgende Generationen unterlassene Erhaltungsinvestitionen nachholen müssten, es handelt sich in dem Fall um sog. Infrakstrukturschulden. Eine solche Entwicklung zeichnet sich nach Angaben des IW zuletzt bei einigen Kommunen ab, die weniger in die vorhandene Infrastruktur investieren, als sie Abschreibungen auf den Kapitalstock leisteten.

Alternativ wird die Bildung von Sondervermögen diskutiert. Im Rahmen eines Sondervermögens wird für einen bestimmten Zweck und für einen definierten Zeitraum ein festgelegter Betrag als Kreditermächtigung festgelegt. Die Mittel dürfen sodann ausschließlich für den konkreten Zweck verwendet werden. Von der Möglichkeit des Sondervermögens ist grds. nur restriktiv Gebrauch zu machen. Ein prominentes Beispiel ist das Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr in Höhe von 100 Mrd. Euro. Ein solches Sondervermögen wurde von der „Beschleunigungskommission Schiene” empfohlen und jüngst auch vom Bundesverkehrsministerium für die Schiene ins Spiel gebracht.

Die Diskussion über die zukünftige Finanzierung des Mobilitätsbereichs ist von zentraler Bedeutung für den weiteren Transformationspfad. Kein Bereich wird durch die Auswirkungen des Haushaltsurteils so stark belastet, wie der des BMDV. Kein anderer Bereich kann von einer Reform der Schuldenbremse oder dem Erlass eines branchenbezogenen Sondervermögens so stark profitieren. Wir brauchen daher eine Debatte in der Mobilitätsbranche über die Neugestaltung der Finanzierung der Transformation und der hierfür notwendigen strukturellen Veränderungen.
 

Bewertung für die Praxis

Die mögliche Einrichtung eines Schienenfonds ist grundsätzlich zu begrüßen. Zugleich wächst aber auch die Sorge, dass sodann eine Branchenlösung, die auch die Transformation im straßengebundenen ÖPNV einschließt, immer schwieriger wird. Daher brauchen wir auch in der Mobilitätsbranche eine Debatte über die Höhe der notwendigen Mittel und der richtigen Finanzierungsinstrumente für den Ausbau einer zukunftsfähigen Infrastruktur.

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Jörg Niemann

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