EuGH stärkt die Netzneutralität in der Europäischen Union

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veröffentlicht am 16. Oktober 2020

 

Mit Urteil vom 15.09.2020 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) erstmals die europäische Verordnung zur Netzneutralität ausgelegt und entschieden, dass es dem Grundsatz der Netzneutralität entgegensteht, dass ein Internetzugangsanbieter bestimmte Anwendungen und Dienste bevorzugt behandelt, indem er ihre Nutzung zum „Nulltarif” anbietet, die Nutzung der übrigen Anwendungen und Dienste dagegen blockiert oder verlangsamt.

Seit dem Erlass der Verordnung EU 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 (kurz: Netzneutralitätsverordnung) ist die sog. Netzneutralität innerhalb der Europäischen Union rechtliche Realität. Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden müssen und es grundsätzlich nicht zu selektiven Drosselungen bestimmter Daten kommen darf. Schon seit längerer Zeit wird dabei über eine mögliche Verletzung der Netzneutralität durch sog. „Zero-Rating”-Angebote gestritten. Dabei handelt es sich um Mobilfunk- oder Internettarife, bei denen die Datennutzung bestimmter Dienste nicht beim tariflich zur Verfügung stehenden Datenvolumen angerechnet werden.

Auch der Entscheidung des EuGH vom 15.09.2020 lag ein Fall eines solchen „Zero-Rating”-Angebots zugrunde. Konkret ging es um einen ungarischen Internetzugangsanbieter, der spezielle Tarifpakete mit sog. „Nulltarifen” angeboten hat, bei denen der durch bestimmte Dienste und Anwendungen (u. a. Facebook, WhatsApp und Instagram) generierte Datenverkehr nicht auf den Verbrauch des vom Kunden gebuchten Datenvolumens angerechnet wurde. War das Datenvolumen einmal erschöpft, so wurde die Datenübertragungsgeschwindigkeit gedrosselt, jedoch nicht hinsichtlich der Nutzung der genannten (privilegierten) Dienste und Anwendungen.

Nachdem es über die Zulässigkeit dieser „Nulltarife” zunächst zu behördlichen und anschließend gerichtlichen Auseinandersetzungen kam, wurde schließlich der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahren über die Auslegung und Anwendung der Regelungen der Netzneutralitätsverordnung angerufen.

Der EuGH entschied im Wesentlichen, dass Tarife, wie die des ungarischen Internetzugangsanbieters, nicht mit der Netzneutralitätsverordnung vereinbar seien, da durch sie die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen und Dienste erhöht werde und zugleich die Nutzung der übrigen verfügbaren Anwendungen und Dienste in Anbetracht der Maßnahmen, mit denen der Internetzugangsanbieter ihre Nutzung technisch erschwert oder sogar unmöglich macht, verringert werde. Zudem könne, je größer die Zahl der Kunden sei, die solche Vereinbarungen abschlössen, die kumulierte Auswirkung dieser Vereinbarungen angesichts ihrer Tragweite umso mehr zu einer erheblichen Einschränkung der Ausübung der Rechte der Endnutzer aus der Netzneutralitätsverordnung führen oder sogar den Kern dieser Rechte untergraben. Schließlich wies der EuGH darauf hin, dass die Verlangsamung oder die Blockade spezifischer Dienste und Anwendungen allein aus kommerziellen Erwägungen als solches nicht mit der Netzneutralitätsverordnung vereinbar sei.

Was bedeutet die EuGH-Entscheidung nun für Deutschland? Auch hierzulande gibt mit „Vodafone Pass” von Vodafone und „StreamOn” der Deutschen Telekom zwei „Zero-Rating”-Angebote auf dem Markt. Anders als bei den „Nulltarifen” des ungarischen Internetzugangsanbieter sehen diese jedoch bei Überschreitung des tariflichen Datenvolumens keine spezifische Drosselung nur bestimmter Anwendungen und Dienste vor; ist das Datenvolumen aufgebraucht, werden vielmehr alle Anwendungen und Dienste gleichermaßen gedrosselt.

 

Insoweit dürfte die Entscheidung des EuGH wohl keine Implikationen zeitigen. Gleichwohl werden auch die in Deutschland angebotenen „Zero-Rating”-Tarife zunehmend kritisch beäugt. So beschäftigt etwa das „StreamOn”-Angebot der Deutschen Telekom schon seit geraumer Zeit die deutschen Gerichte. Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 12.07.2019 (Az. 13 B 1734/18) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden hatte, dass das „StreamOn”-Angebot in der damaligen Form nicht mit dem Grundsatz der Netzneutralität vereinbar sei, hat das VG Köln mit Beschluss vom 20.01.2020 (Az. 9 K 4632/18) im Hauptsacheverfahren den EuGH angerufen, der nun im Zusammenhang mit dem „StreamOn”-Angebot weitere Auslegungsfragen zur Netzneutralitätsverordnung klären soll. Die Entscheidung des EuGH wird allerdings noch auf sich warten lassen; um die Netzneutralität bleibt es jedenfalls spannend.

 

 

 

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