OLG Frankfurt Vergabesenat: Beschluss vom 10.11.2015, Az. 11 Verg 8/15

PrintMailRate-it

Die bekannt gemachte Absicht einer Direktvergabe nach VO 1370/2007 stellt eine nachprüfungsfähige Entscheidung dar. Mit der Vorinformationspflicht nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007 trifft den Auftraggeber eine Dokumentationspflicht.


Im EU-Amtsblatt von 2014 wurde durch den öffentlichen Auftraggeber (Zweckverband aus Stadt und Landkreis) bekannt gegeben, dass dieser beabsichtige, die Busverkehrsleistungen in gewissen Linienbündeln an ein kleines/mittleres Unternehmen (sog. KMU-Vergabe) gem. Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 VO 1370/2007 (nachfolgend VO 1370) direkt zu vergeben. Eine Konzerngesellschaft, die ebenfalls in Hessen Verkehrsleistungen erbringt, ist dagegen vorgegangen. Sie äußerte bereits im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens Bedenken an der Realisierbarkeit der beabsichtigten Vergabe in Form einer Dienstleistungskonzession.

 

Das Gericht entschied, dass bereits mit Einleitung eines jeden Vergabeverfahrens der Rechtsweg eröffnet ist. Gegenstand der Nachprüfung kann dabei jede Maßnahme eines öffentlichen Auftraggebers sein. Die europaweite Bekanntmachung ist Teil der Vergabehandlung selbst. Art. 5 Abs. 7 VO 1370/2007 gewährleistet umfassenden Rechtsschutz gegen geplante und erfolgte Direktvergaben.


Das Gericht bemängelte weiter, dass der Auftraggeber nicht hinreichend dargelegt hat, welche Tatsachenbasis er für das Vorliegen der Direktvergabe zugrunde gelegt hat. Dies betraf u.a. die Anforderungen an eine Dienstleistungskonzession, bei dem der Auftragnehmer das Betriebsrisiko vollständig oder zumindest zu einem wesentlichen Teil tragen muss. Für die Sicherstellung dieser Anforderungen konnte der Auftraggeber keine konkreten Erwägungen vorlegen.

 

Bewertung für die Praxis

Mit der Vorinformation, die Leistung im Wege der Direktvergabe zu vergeben, trifft den Auftraggeber bereits eine umfassende Dokumentationspflicht. Diese erstreckt sich auch auf die tragenden Gründe für die Entscheidung, die Leistung direkt (d.h. ohne vorherigen Wettbewerb) zu vergeben und die Beachtung der Direktvergabevoraussetzungen. Grundlage dieser Dokumentationspflicht ist der allgemeine Transparenzgrundsatz, welcher wiederrum im engen Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot steht.  Das Transparenzgebot beinhaltet eine Verpflichtung zu offenen, erkennbaren und nachvollziehbarem Beschaffungsverhalten. Demnach besteht für Aufgabenträger die Verpflichtung, auf Nachfrage die tragenden Gründe mitzuteilen. Die Begründung muss eine argumentative Tiefe aufweisen, die objektiv nachvollziehbare Angaben enthält, aus denen auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Vergabeart geschlossen werden kann. Maßgeblich ist, dass interessierte Bieter in die Lage versetzt werden, die Rechtmäßigkeit des angekündigten Verhaltens überprüfen zu können. Demnach sind konkrete Angaben zur Verteilung des wirtschaftlichen Risikos erforderlich.


Aufgabenträger sollten daher bereits vor der Vorabbekanntmachung entsprechende Anforderungen prüfen und dokumentieren. Andernfalls besteht das Risiko, dass beabsichtigte Direktvergaben bereits während der Vorabbekanntmachung für unzulässig erklärt werden können.​

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Jörg Niemann

Diplom-Jurist

Partner

+49 40 2292 977 33

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu