Altunternehmerprivileg schlägt verbindliche Zusicherungen nicht immer

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Unter Abänderung des anderslautenden erstinstanzlichen Urteils des VG Trier (Urteil vom 03.06.2014 – 1 K 388/14.TR) hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 15.04.2015 das Verhältnis des Altunternehmerprivilegs zum neuen genehmigungsrechtlichen Instrument der verbindlichen Zusicherung näher konkretisiert (Aktenzeichen: 7 A 10718/14.OVG). Der im Vergleich zu dem Konkurrenzantrag etwas bessere Genehmigungsantrag der Klägerin überwog aufgrund verschiedener verbindlicher Zusicherungen das zu berücksichtigende Altunternehmerprivileg des Altunternehmers.
Die Klägerin – ein Verkehrsunternehmen – hat sich gegen die Ablehnung der von ihr beantragten Linienverkehrsgenehmigung zu Gunsten des Altbetreibers gewendet. Sowohl die Durchführung des Verkehrs durch die Klägerin als auch durch den Altbetreiber wurden eigenwirtschaftlich angeboten. Die Klägerin sicherte darüber hinaus bestimmte Qualitätsstandards für die Erbringung der Leistungen gemäß § 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zu. Das OVG sprach sich dafür aus, dass der aufgrund der verbindlichen Zusicherungen inhaltlich etwas bessere Antrag der Klägerin nicht aufgrund des Altunternehmerprivilegs des Altbetreibers hätte abgelehnt werden dürfen. Vielmehr habe die Klägerin aufgrund des besseren Antrags einen Anspruch auf die Genehmigung.
 
Das Gericht führte zunächst aus, dass die Auswahlentscheidung bei mehreren genehmigungsfähigen konkurrierenden Anträgen im Linienverkehr gemäß § 13 Abs. 2b PBefG nach der besseren Verkehrsbedienung vorzunehmen wäre. Zwar habe die Genehmigungsbehörde auch nach der Novellierung des PBefG im Jahr 2012 im Rahmen der Auswahlentscheidung weiterhin einen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei, allerdings habe die Genehmigungsbehörde im konkreten Fall bei ihrer Auswahlentscheidung gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler begangen. So hat die Klägerin verschiedene Bestandteile ihres Antrags verbindlich zugesichert i.S.d. § 12 Abs. 1a PBefG, weswegen sich die Ausgangsposition ihres Antrages im Verhältnis zur Konkurrenz verbessert habe. Diese Verbesserung des Antrags konnte durch das zu Gunsten des Altunternehmers zu berücksichtigende Altunternehmerprivileg nach § 13 Abs. 3 PBefG nicht mehr vollständig aufgewogen werden.
 
Das OVG stellt dabei klar, dass nicht jede verbindliche Zusicherung den Genehmigungsantrag verbessere, sondern dass die Beantwortung der Frage nach dem besten Angebot von der Bedeutung der zugesicherten Standards abhängt. Der Zusicherung von Bagatellen käme daher keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Gleiches gelte, falls die berechtigte Erwartung (etwa aufgrund jahrelanger Praxis oder verbindlicher Regelungen) bestünde, dass der konkurrierende Unternehmer den zugesicherten Standard auch ohne entsprechende Zusicherung während der Laufzeit der Genehmigung erbringen werde. Als solche unmaßgeblichen verbindlichen Zusicherungen wurden von der Genehmigungsbehörde und dem OVG u.a. etwa die Bereithaltung elektronischer Fahrscheindrucker an jedem Fahrerarbeitsplatz oder die Anpassung des Fahrtenangebots für Schüler in Abstimmung mit den Aufgabenträgern entsprechend der Nachfrageentwicklung gewertet. Drei verbindliche Zusicherungen des Antragsstellers seien indes zur Verbesserung des Verkehrsangebots relevant gewesen: nämlich das Vorhalten eines Verkaufs- und Informationsbüros in unmittelbarer Nähe zum Linienverlauf (1), die garantierte Beibehaltung des Fahrplanangebots, solang eine regelmäßige Nutzung von mindestens vier Personen besteht (2) und die Zusicherung, lediglich 70 v. H. der in den Zulassungsunterlagen freigegebenen Stehplätzen in Anspruch zu nehmen (3). Die aufgrund dieser verbindlichen Zusicherungen gründende Verbesserung des im Übrigen mit dem Konkurrenzantrag gleichwertigen Angebots der Klägerin könne durch das Altunternehmerprivileg des Altunternehmers nicht aufgewogen werden. Das Gericht geht davon aus, dass die angemessene Berücksichtigung einer jahrelangen beanstandungsfreien Verkehrsbedienung „nur einen 'gewissen' Rückstand […] ausgleichen kann", die drei verbindlichen Zusicherungen aber „zu einem so großen Vorsprung des Angebots der Klägerin […] [führen], dass die Einschätzung des Beklagten, das Altunternehmerprivileg könne […] den Rückstand des Angebots der Beigeladenen ausgleichen, nach Überzeugung des Senats der jahrelangen beanstandungsfreien Verkehrsbedienung ermessensfehlerhaft ein unangemessen hohes Gewicht beimisst."
 

Bewertung für die Praxis:

Die Entscheidung – die von der Bewertung der Vorinstanz im Ergebnis abweicht – zeigt, wie schwierig die Handhabung der neuen Regelungsinstrumente des novellierten PBefG sein kann. Es bedarf einer Abwägungsentscheidung der Behörde, bei welcher diese einen gewissen Spielraum genießt. Allerdings können Nuancen bei der Angebotserstellung gegebenenfalls bereits zu einer so überwiegend besseren Verkehrsbedienung führen, dass das Altunternehmerprivileg einen Vorsprung aufgrund verbindlicher Zusicherungen nicht mehr ausgleichen kann. Künftig wird sich hier für die Genehmigungsbehörde immer wieder die problematische Frage stellen, ob (1) die konkreten verbindlichen Zusicherungen überhaupt zu berücksichtigen oder unbedeutend sind und (2) welches Gewicht der Zusicherung in der Gesamtbewertung zugemessen werden muss. Da hier unterschiedliche Betrachter durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen kommen können, scheinen gerichtliche Auseinandersetzungen vorprogrammiert.
Für Aufgabenträger folgt aus dieser Entscheidung, dass sie ihre Anforderungen in Bezug auf die gewünschten Standards im Nahverkehrsplan präzisieren sollten, denn diese sind gemäß § 13 Abs. 2b Satz 2 PBefG bei der Findung der besten Verkehrsbedienung zu berücksichtigen. Auf diese Weise bleibt die Entscheidung über die Maßgeblichkeit von Standards für den Aufgabenträger beeinflussbar.
Für Unternehmer bietet die Rechtsprechung demgegenüber eine Möglichkeit ihre Anträge durch die Nutzung des Instruments der verbindlichen Zusicherung im Verhältnis zur Konkurrenz aufzuwerten. Die sich bietenden Spielräume sollten durch den Unternehmer in jedem Fall genutzt werden.
 
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