OLG Rostock – Keine unzulässige Direktvergabe bei einvernehmlicher Vertragsänderung nach Zuschlagserteilung

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Das Oberlandesgericht Rostock (OLG Rostock, Beschluss vom 25.09.2013, Az. 17 Verg 3/13) hat sich zur Zulässigkeit einer einvernehmlichen Vertragsänderung nach Zuschlagserteilung geäußert. Eine direkt nach der Zuschlagserteilung vorgenommene Vertragsänderung stelle keine de-facto-Vergabe dar, wenn der Auftrag nicht heimlich erfolge, keine bewusste Umgehung des Vergaberechts vorliege und es sich nur um unwesentliche Änderungen handle.

 


In einem Offenen Verfahren nach VOL/A wurden Leistungen des Schienen- und Personennahverkehrs ausgeschrieben. Zunächst
wurden in diesem Verfahren zwei Angebote eingereicht. Eines der Angebote wurde jedoch kurz nach der Abgabe „zurückgezogen“ und von dem öffentlichen Auftraggeber „als vergaberechtlich nicht existent“ behandelt. Mit dem einzigen im Verfahren verbliebenen Bieter führte der öffentliche Auftraggeber vor Zuschlagserteilung ein sog. Aufklärungsgespräch und vereinbarte, den beauftragten Leistungsumfang direkt nach der Zuschlagserteilung zu reduzieren. Der Zuschlag wurde dem verbliebenen Bieter erteilt. Die Auftragsvergabe und die Leistungsreduzierung wurden im EU-Amtsblatt bekannt
gemacht. Hiergegen wendete sich der aus dem Vergabeverfahren ausgeschiedene zweite Bieter mit einem Nachprüfungsantrag
und der Begründung, durch die „Nachverhandlung“ wären die Voraussetzungen einer zur Unwirksamkeit des Vertrages führende de-facto-Vergabe erfüllt. Sowohl die Vergabekammer als auch das OLG Rostock wiesen den Nachprüfungsantrag
zurück. 
  
Die Rostocker Richter sahen in dem erfolgten Aufklärungsgespräch zwar einen Verstoß gegen § 15 Satz 1 VOL/A. Das zwischen dem Auftraggeber und dem verbliebenen Bieter erfolgte Gespräch, sei deutlich über ein Aufklärungsgespräch hinaus gegangen. Es stelle vielmehr eine nach § 15 Satz 2 VOL/A ausdrücklich verbotene nachträgliche Verhandlung dar. Dennoch sei der Verstoß nicht so gravierend, dass sich daraus die Nichtigkeit des Zuschlags ergebe. Ferner seien die Voraussetzungen einer de-facto-Vergabe nach § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht erfüllt. Danach ist ein Vertrag unwirksam, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist. Insbesondere wurden in diesem Vergabeverfahren andere Unternehmen beteiligt. Die Antragstellerin selbst hatte ein Angebot abgegeben, dann aber wieder „zurückgezogen“. Auch sei das Verfahren nicht unter bewusster Umgehung des Vergaberechts durchgeführt worden. Im Moment der Zuschlagserteilung hatte der Auftraggeber keinen Anlass anzunehmen, dass sich weitere Unternehmen an einer erneuten Ausschreibung beteiligen würden. Die Begründung der Antragstellerin, ihr Angebot aus dem Vergabeverfahren „zurückzuziehen“, habe deutlich zum Ausdruck gebracht, nicht an einer Beteiligung an dieser Ausschreibung interessiert zu sein. Auch die vereinbarte Leistungsreduzierung mache keine erneute Ausschreibung erforderlich. Die Leistungsänderung bewege sich nach Art und Umfang unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Dabei komme es nicht auf die Über- oder Unterschreitung eines bestimmten Prozentsatzes einer Leistungsänderung gemessen am Gesamtauftragsvolumen an. Es komme vielmehr darauf an, ob in einer Gesamtschau das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages zum Nachteil anderer potentieller Bieter verschoben wurde. Maßstab für diese Beurteilung seien die vom EuGH in der „Pressetext“-Rechtsprechung entwickelten Kriterien. Die streitgegenständliche Leistungsänderung habe weder das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages verändert, noch Einfluss auf
sein maßgebliches Gepräge gehabt.
  
Bewertung für die Praxis:
  
Vertragsanpassungen während des Vergabeverfahrens erfordern eine besondere Aufmerksamkeit des Auftraggebers. Sie können zu einer erneuten Ausschreibung führen. Doch nicht jede Anpassung führt zu dieser Konsequenz. Das Vergaberecht bietet Möglichkeiten, wie etwa der Übergang in eine andere Art des Vergabeverfahrens eine erneute Ausschreibung zu verhindern. Auch die Ausführungen des Gerichts zu der „Erheblichkeitsschwelle“ erfordern in der Praxis besondere Aufmerksamkeit. Es sollte nicht von einer starren Prozentschwelle ausgegangen werden, sondern im konkreten Einzelfall die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Vertragsänderung untersucht und bewertet werden.
  
Gerne übersenden wir die Entscheidung im Volltext.​

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Jörg Niemann

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