Rechtliche Herausforderungen und Perspektiven für Stromspeicherprojekte in Deutschland: Ein integrierter Überblick

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​veröffentlicht am 2. Juni 2025




Der technologische Fortschritt, die volatile Einspeisung Erneuerbarer Energien sowie der politische Wille zur Transformation der Energieversorgung treiben die Energiewende in Deutschland kontinuierlich voran. Dabei spielt der Ausbau von Speicherkapazitäten und insbesondere von Stromspeichern eine zentrale Rolle: Sie ermöglichen es, Überschüsse an regenerativ erzeugtem Strom zwischenzuspeichern und in Zeiten erhöhter Nachfrage und/oder geringer Erzeugung – etwa bei Dunkelflauten – wieder dem Netz zur Verfügung zu stellen. Verlief der Ausbau von Stromspeichern in der Vergangenheit eher schleppend, haben Speichervorhaben in der jüngeren Vergangenheit stark an Fahrt aufgenommen, wie aktuelle Zahlen der Bundesnetzagentur (BNetzA) belegen. Netzbetreiber melden einen „Boom” bei Anträgen für Großspeicher und ein Vertreter des zweitgrößten Übertragungsnetzbetreibers Deutschlands sprach jüngst sogar von einem 

heranrollenden „Tsunami an Anschlussbegehren“. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die rechtlichen Entwicklungen und Herausforderungen für Stromspeicher und zeigt, wie Gesetzgebung und BNetzA Einfluss auf den Markthochlauf nehmen können.


​Fördermechanismen und Entlastungen im regulatorischen Rahmen

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Wirtschaftlichkeit von Stromspeichern zu verbessern und ein attraktives Marktumfeld zu schaffen. Es wurden insbesondere Privilegierungstatbestände geschaffen, durch die Speicherbetreiber ihre Betriebs- und ggf. Investitionskosten deutlich senken können. Die nachfolgende Tabelle fasst die einzelnen Privilegierungen für unterschiedliche Speicher in einem Überblick zusammen:

NETZENTGELTBEFREIUNG NACH § 118 ABS. 6 ENWG

​Die wohl umfangreichste Privilegierung enthält § 118 Abs. 6 EnWG, der für neu errichtete Speicheranlagen eine vollständige Befreiung von Netzentgelten für einen Zeitraum von 20 Jahren ermöglicht – vorausgesetzt, die Stromspeicher entnehmen aus einem Transport- oder Verteilernetz elektrische Energie und speisen diese zeitversetzt in dasselbe Netz ein. Eine Ausnahme gilt für Anlagen, in denen Wasserstoff durch Wasserelektrolyse erzeugt oder (Bio-)Gas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff mit anschließender Methanisierung hergestellt wird. 

Solche Anlagen sind für den Bezug des gespeicherten Stroms von Netzentgelten befreit, auch wenn keine Rückspeisung zurückgewonnener elektrischer Energie in das Transport- oder Verteilernetz erfolgt. Außerdem sind diese Anlagen von der Zahlung von Einspeiseentgelten für das Gasnetz, in das sie einspeisen, befreit.

INDIVIDUELLES NETZENTGELT NACH § 19 ABS. 2 Satz 1 UND ABS. 4 SOWIE § 14A ENWG

Daneben haben Speicherbetreiber, die nicht in den Genuss einer Netzentgeltbefreiung kommen, die Möglichkeit, lediglich reduzierte Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 StromNEV sowie nach § 14a EnWG zu zahlen.

Nach § 19 Abs. 4 StromNEV haben

„Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen […] Letztverbrauchern, die Strom dem Netz ausschließlich zur Speicherung in einem Stromspeicher entnehmen und den zurückgewonnenen Strom wieder in das Netz einspeisen, ein individuelles Netzentgelt anzubieten. Das Netzentgelt besteht […] nur aus einem Jahresleistungspreis in Euro pro Kilowatt.“ Dabei bemisst sich der Jahresleistungspreis anhand des Benutzungsstundenbereichs > 2.500 Stunden und wird lediglich „auf den Anteil der entnommenen Strommenge reduziert, der nicht wieder in das Netz eingespeist wird.“

Sofern ein Stromspeicher ausschließlich Strom zur Zwischenspeicherung entnimmt und wieder in das Netz einspeist, dürfte der Speicherbetreiber auch über das individuelle Netzentgelt aus § 19 Abs. 4 StromNEV weitgehend von Netzentgelten befreit sein.

Zusätzlich können in der Niederspannung bzw. in einer vorgelagerten Umspannung angeschlossene Stromspeicher als „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ von der Privilegierung des § 14a EnWG profitieren. Entsprechend den Vorgaben der BNetzA (zu § 14a EnWG) kann hierbei eine pauschale Entgeltreduzierung (Modul 1) in Ergänzung mit einem zeitvariablen Netzentgelt (Modul 3) zur Anwendung kommen.

BEFREIUNG VON UMLAGEN NACH § 21 ENFG

Seit dem Jahr 2023 ist die Erhebung von Umlagen im Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) geregelt. § 21 EnFG begünstigt Stromspeicher ebenfalls, indem bestimmte Netzentnahmen von der Umlagenzahlung befreit werden. Nach § 21 EnFG sind Netzentnahmen von Strom zum „Zweck der Zwischenspeicherung in einem elektrischen, chemischen, mechanischen oder physikalischen Stromspeicher” weitestgehend von Umlagen befreit. Umlagen werden lediglich auf Strommengen erhoben, die im Kalenderjahr nicht wieder in das Netz eingespeist werden (§ 21 Abs. 1 EnFG) und keine Speicherverluste (§ 21 Abs. 2 EnFG) darstellen, sondern anderweitig verbraucht werden, z. B. beim Betrieb von Elektrofahrzeugen.

​Die Voraussetzungen dafür, dass Elektrofahrzeuge im Rahmen des bidirektionalen Ladens auch von einer Umlagenreduzierung profitieren können, hat der Gesetzgeber bereits in § 21 Abs. 3 EnFG vorgegeben.

Für Fälle, in denen Strom zur Erzeugung von Speichergas eingesetzt wird, wird nach § 21 Abs. 5 EnFG außerdem eine Umlagenreduzierung auf Null vorgesehen – vorausgesetzt, das Speichergas wird wiederum zur Stromerzeugung eingesetzt und der erzeugte Strom wird ins Netz zurückgespeist.


STROMSTEUERBEFREIUNG NACH § 5 ABS. 4 STROMSTG

​Zudem profitieren stationäre Speicher, die Strom zwischenspeichern und anschließend in das allgemeine Versorgungsnetz einspeisen, als Bestandteile des Versorgungsnetzes von einer Stromsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 4 StromStG für den eingespeicherten und nicht verbrauchten Strom.

All diese Entlastungen führen zu einer signifikanten Reduzierung der operativen Kosten – vorausgesetzt, Speicherprojekte erfüllen die rechtlich teils komplexen Voraussetzungen. Es bedarf daher eines durchdachten Projektsetups, um alle Fördermechanismen und die damit verbundenen Vorteile vollständig ausschöpfen zu können.

Neuer Rechtsrahmen für Stromspeicherprojekte

Der Rechtsrahmen für Stromspeicherprojekte befindet sich im stetigen Wandel. Am 31.1.2025 hat der Bundestag ein umfassendes Energiereformpaket verabschiedet, das am 25.2.2025 in Kraft getreten ist und weitere bedeutende Veränderungen für Speicherprojekte mit sich bringt. Darüber hinaus resultieren weitere rechtliche Veränderungen aus aktuellen Positionspapieren und Äußerungen der BNetzA zu den für Stromspeicher relevanten Rechtsfragen.

FLEXIBLE NETZANSCHLÜSSE & CABLE POOLING
​Durch die Einführung gesetzlicher Regelungen zu flexiblen Netzanschlussverträgen in das EnWG (§ 17 Abs. 2b EnWG) und das EEG (§ 8a EEG 2023) wird es möglich, eine sogenannte „Überbauung“ zu nutzen und ein „Cable Pooling“ rechtssicher umzusetzen. So können neue Speicherprojekte bereits bestehende Netzanschlusspunkte effizient mitnutzen, was insbesondere in Regionen mit Netzengpässen von erheblichem Vorteil ist und einen Netzanschluss trotz beschränkter Kapazitäten ermöglichen kann.

NEUE OPTIONEN IM EEG FÜR CO-LOCATED-PROJEKTE

​Neben den bereits bekannten Vermarktungsoptionen und Geschäftsmodellen (z. B. Arbitrage Trading, Peak Shaving, Load Shifting etc.) können Stromspeicher, die gemeinsam mit EEG-geförderten EE-Anlagen (Onshore-Wind- und Photovoltaikanlagen) betrieben werden, als sog. „Co-located-Stromspeicher“ künftig von drei neuen Vermarktungsoptionen profitieren. Diese sind nunmehr in § 19 EEG geregelt und umfassen:

  • eine Ausschließlichkeitsoption (§ 19 Abs. 3a EEG 2023) bei Speicherung und Einspeisung von ausschließlich erneuerbarem Strom
  • eine Abgrenzungsoption (§ 19 Abs. 3b EEG 2023) bei gemischter Nutzung des Stromspeichers für einen bestimmten förderfähigen Anteil der in diesem Stromspeicher erzeugten und in das Netz eingespeisten Strommenge
  • eine Pauschaloption (§ 19 Abs. 3c EEG 2023), die – insbesondere für kleinere Anlagen attraktiv – eine pauschale EEG-Vergütung auch ohne genaue Messung und mit niedrigem Verwaltungsaufwand ermöglicht

Ziel ist es, den wirtschaftlichen Betrieb von hybriden EE-Speicher-Systemen zu erleichtern und die systemdienliche Integration zu fördern. Die genaue Ausgestaltung der beiden letztgenannten Modelle (Abgrenzungs- und Pauschaloption) bleibt jedoch abhängig von weiteren Festlegungen durch die BNetzA. Diese muss bis spätestens zum 30.6.2026 konkrete Vorgaben treffen.

Streitpunkt Baukostenzuschüsse: „Rechtsprechung vs. BNetz​A“

Ein wirtschaftlich besonders relevanter Aspekt ist die Frage, ob und in welchem Umfang Baukostenzuschüsse (BKZ) zu zahlen sind. Die Zulässigkeit der Erhebung und insbesondere die Art der Erhebung von BKZ ist weiterhin umstritten. Aktuell sind diese Fragen Gegenstand eines laufenden Gerichtsverfahrens:

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 20.12.2023 (Az. 3 Kart 183/23) bestätigt, dass Speicher grundsätzlich baukostenzuschusspflichtig sind, jedoch unter anderen Maßgaben als klassische Letztverbraucher. Das Gericht wertete den anhand des üblichen Leistungspreismodells berechneten BKZ als diskriminierend und stellte einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG fest. Der BGH (Az. EnVR 1/24) hat am 27.5.2025 über die Thematik verhandeln und eine Entscheidung getroffen.

Die BNetzA hält indes vorerst daran fest, dass Netzbetreiber berechtigt sind, BKZ für Netzanschlüsse von Stromspeichern oberhalb der Niederspannung zu verlangen. Das aktuelle Positionspapier aus dem November 2024 spricht sich erneut für das Leistungspreismodell als Basis für die Berechnung der BKZ aus, gewährt jedoch auf der Ebene der Übertragungsnetze gewisse Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Höhe des BKZ.

Allerdings stellt die Bundesnetzagentur ihre Ausführungen im Positionspapier ausdrücklich unter den Vorbehalt des Ausgangs des oben genannten Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem BGH.

Herausforderungen in Planung, Genehmigung und Netzanschluss

​Trotz des kürzlich in Kraft getretenen Energiereformpakets sind weitere rechtliche Anpassungen erforderlich, um den Ausbau von Stromspeichern zu fördern. Zwingend verbesserungsbedürftig sind in diesem Zusammenhang das öffentliche Bau- und Planungsrecht sowie der Ablauf von Genehmigungs- und Netzanschlussverfahren.

PLANUNGSRECHTLICHE UNSICHERHEITEN

​Stromspeicher werden zumeist im Außenbereich errichtet. Sie sind somit ohne vorheriges Bebauungsplanverfahren nur vorrangig zulässig, wenn sie privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB darstellen. § 35 Abs. 1 BauGB trifft jedoch unmittelbar keine Aussage zu Stromspeichervorhaben. Damit hängt die planungsrechtliche Zulässigkeit von Stromspeichervorhaben im Außenbereich oft von Einzelfallprüfungen ab, was den Projektentwicklungsprozess verzögern kann.

Eine einheitliche Regelung in § 35 Abs. 1 BauGB auf dem Gebiet des Bundesrechts wäre wünschenswert, um Klarheit hinsichtlich des Planungsverfahrens zu schaffen. 
Erste Bundesländer wie Schleswig-Holstein haben bereits Initiativen gestartet, um eine bundesgesetzliche Klassifizierung von Speichern zu erwirken.

GENEHMIGUNGSVERFAHREN

​Die Errichtung von Stromspeichern bedarf derzeit einer Baugenehmigung, die regelmäßig in einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilt wird. Während einige Bundesländer wie zum Beispiel Bayern Erleichterungen durch genehmigungsfreie Verfahren für netzdienliche Stromspeichervorhaben geschaffen haben, fehlt es bislang auch hier weitestgehend an einem einheitlichen Vorgehen aller Bundesländer. Dies erschwert Investitionsentscheidungen und verlängert die Entwicklungszyklen. Auch in diesem Teilbereich bedarf es bestenfalls einer einheitlichen Verfahrensgestaltung.

NETZANSCHLUSSVERFAHREN

​Die enorme Zahl an Anschlussbegehren für Speicheranlagen führt zunehmend zu Kapazitätsengpässen. Teilweise werden Vergabeverfahren zu einem bestimmten Stichtag nach dem sog. Repartierungsmodell durchgeführt, um die begrenzten Kapazitäten gleichmäßig und fair unter allen Netzanschlussbegehren zu verteilen.

Zur Beschleunigung und Vereinheitlichung des Netzanschlussverfahrens bedarf es weiterer Maßnahmen der BNetzA, beispielhaft im Bereich der Digitalisierung und Anlagenzertifizierung. Letztendlich wird es auch Aufgabe der über 850 Netzbetreiber in Deutschland sein, transparente und diskriminierungsfreie Anschlussverfahren zu entwickeln. Ein Anlauf der BNetzA für ein Positionspapier zur Vergabe von Netzanschlusskapazitäten aus dem November 2024 wurde nicht weiterverfolgt.

​Fazit und Ausblick

Der regulatorische Rahmen für Stromspeicher in Deutschland entwickelt sich dynamisch und bietet bereits eine Vielzahl von Entlastungen und Privilegierungstatbeständen, um Investitionen attraktiver zu machen. Daneben bestehen jedoch auch strukturelle und verfahrensrechtliche Hürden, die einer breiten Marktdurchdringung entgegenstehen können. Insbesondere die undurchsichtige planungsrechtliche Privilegierung, die heterogene Genehmigungspraxis sowie unklare Netzanschlussverfahren und begrenzte Netzanschlusskapazitäten gehören zu den größten Herausforderungen.

Damit Stromspeicher ihr Potenzial als Rückgrat der Energiewende entfalten können, bedarf es eines einheitlichen, praktikablen und investitionsfreundlichen Rechtsrahmens. Der Gesetzgeber ist gefordert, den bestehenden Rechtsrahmen nachzuschärfen und klarer zu gestalten. Gleichzeitig sollten Projektentwickler und Investoren die bestehenden Privilegierungen konsequent nutzen – sowohl in der Planungsphase als auch im laufenden Betrieb.


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