Der steuerliche Querverbund: Chancen, Risiken und aktuelle Entwicklungen unter Berücksichtigung des Koalitionsvertrags

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​veröffentlicht am 2. Juni 2025




Der steuerliche Querverbund ist seit Jahrzehnten ein bewährtes Mittel, um kommunale Leistungen effizient und wirtschaftlich zu organisieren. Dabei wird es Kommunen und deren Eigengesellschaften ermöglicht, Gewinne aus steuerpflichtigen Tätigkeiten (z. B. der Energieversorgung) mit Verlusten aus dauerdefizitären Bereichen (z. B. öffentlicher Personennahverkehr, Schwimmbäder) zu verrechnen – ein effektives Modell zur Stärkung der Daseinsvorsorge.

​​Was ist der steuerliche Querverbund?

​Beim steuerlichen Querverbund werden mehrere wirtschaftliche Betätigungen einer Kommune oder eines kommunalen Unternehmens steuerlich zusammengefasst. Dadurch können insbesondere Verluste aus defizitären, aber gemeinwohlorientierten Bereichen gegen Gewinne aus profitablen Tätigkeiten gerechnet werden – was steuerlich zu einer Minderung der Gesamtbelastung führen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Tätigkeiten organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell eng miteinander verbunden sind.

BFH zur Kettenzusammenfassung: Rechtssic​herheit und neue Spielräume

​Ein zentrales Thema in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Kettenzusammenfassung, also die steuerliche Verknüpfung mehrerer Betriebe gewerblicher Art (BgA) über Zwischenstufen hinweg.

In einem grundlegenden Urteil vom 29.8.2024 (Az. V R 43/21) hat der BFH klargestellt, dass eine Kettenzusammenfassung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Das bedeutet, dass auch Betriebe, die nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über eine weitere Tätigkeit miteinander verbunden sind, zusammengefasst und steuerlich als einheitlich behandelt werden können – solange eine enge wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Verbindung besteht. In der Praxis wurden unter der Bezeichnung Kettenzusammenfassung solche Konstellationen verstanden, in denen zunächst bspw. die vorhandenen Bäder zu einem einzelnen Bäder-BgA gem. § 4 Abs. 6 Nr. 1 KStG zusammengefasst wurden und anschließend bei einem dieser Bäder die Voraussetzung für die Implementierung eines steuerlichen Querverbundes geschaffen wurde. Dadurch konnten nach bisherigem Verständnis die gesamten Verluste des zusammengefassten Bäder-BgA im Rahmen des steuerlichen Querverbundes berücksichtigt werden. Der BFH stellt sich mit seiner vorgenannten Entscheidung nunmehr gegen die bisherige Praxis. Nach Auffassung des BFHs kann eine Kettenzusammenfassung für Zwecke des steuerlichen Querverbundes nur dann funktionieren, wenn (wie hier in unserem Beispiel) für jedes Bad des zusammengefassten Bäder-BgA die Voraussetzungen des steuerlichen Querverbundes gegeben sind. Sofern die Finanzverwaltung dieser Auffassung folgen sollte, wären viele Querverbünde betroffen und das könnte teils zu einer erheblichen Steuermehrbelastung für die betroffenen Kommunen oder kommunalen Unternehmen führen.

Nachdem das Urteil des BFHs nicht zur Veröffentlichung vorgesehen ist, scheint die Gefahr für den ersten Moment gebannt zu sein. Es besteht jedoch das Risiko, dass der BFH bei einer erneuten Entscheidung in einem vergleichbaren Sachverhalt der Kettenzusammenfassung in der bisherigen Form wiederholt eine Absage erteilt und sich dann das Bundesministerium der Finanzen (BMF) respektive der Gesetzgeber mit der Materie auseinandersetzen muss. 

Mögliche beihilferechtliche Risiken aufgrund des Verfahrens WestVerkehr GmbH

​Allerdings muss der steuerliche Querverbund auch vor dem Hintergrund des europäischen Beihilferechts betrachtet werden. Der BFH hatte bereits im Jahr 2019 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorlageverfahrens die Frage nach der beihilferechtlichen Zulässigkeit des steuerlichen Querverbundes im Zusammenhang mit den Regelungen des § 8 Abs. 7 KStG gestellt. Aufgrund der Rücknahme der Revision brauchte sich der EuGH letztlich jedoch nicht mit der Sache zu befassen.

Nunmehr gibt es jedoch einen neuen Fall, bei dem sich ggf. der EuGH zur beihilferechtlichen Zulässigkeit des steuerlichen Querverbundes äußern könnte. Hierbei handelt es sich um das Verfahren rund um das kommunale Verkehrsunternehmen WestVerkehr GmbH aus Nordrhein-Westfalen. Die Europäische Kommission untersucht dabei, ob es sich bei der Verlustverrechnung im steuerlichen Querverbund um eine unzulässige staatliche Beihilfe handelt.

Im Kern steht die Frage, ob durch die Verlustausgleiche aus steuerpflichtigen Tätigkeiten wie der Strom- oder Gasversorgung zugunsten des ÖPNV ein selektiver Wettbewerbsvorteil entsteht, der nach EU-Recht meldepflichtig oder gar unzulässig ist. Besonders kritisch wird dabei gesehen, dass durch die Querverbundverrechnung möglicherweise verzerrte Wettbewerbsbedingungen gegenüber privaten Verkehrsunternehmen entstehen. Auch wenn es vordergründig in dem Verfahren nur um beihilferechtliche Fragen geht, besteht die Gefahr, dass die Sache möglicherweise zum EuGH kommt und dieser dann eine Aussage zum steuerlichen Querverbund trifft.

Bislang liegt noch keine abschließende Entscheidung der Kommission vor. Der Fall zeigt jedoch deutlich, dass der steuerliche Querverbund nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern stets auch im beihilferechtlichen Kontext zu prüfen ist. Kommunale Unternehmen und ihre Träger sollten daher in enger Abstimmung mit steuerlichen und juristischen Fachberatern agieren, um Risiken frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls transparente und rechtssichere Strukturen zu schaffen.

Entwurf eines BMF-Schreibens zur Zusammenfassung mit Alternativen zum BHKW

​Mit Datum vom 7.10.2024 hat das BMF einen Entwurf für die Zusammenfassung von nicht gleichartigen Betrieben gewerblicher Art mittels Alternativen zum BHKW an die kommunalen Spitzenverbände zur Stellungnahme versandt. Der aktuelle Entwurf des BMF-Schreibens greift drei klimafreundliche Alternativmodelle zur Einbeziehung der Bäder in den steuerlichen Querverbund auf.

Ein Bad kann dem Entwurf des BMF-Schreibens zur Folge in den steuerlichen Querverbund einbezogen werden, wenn es mit einer Wärmepumpe beheizt wird. Eine Wärmepumpe funktioniert hierbei ähnlich wie ein BHKW, nur mit „umgedrehten” Vorzeichen. Während bei Netzlastspitzen (hohe Nachfrage) das BHKW zur Entlastung des Stromnetzes zugeschaltet wurde, kann eine Wärmepumpe hingegen abgeschaltet werden. Die Wärmepumpe muss dabei gleichzeitig zur Steuerung der Lastflüsse im Stromnetz eingesetzt werden, um die zuvor dargestellte Wirkungsweise auch erreichen zu können.

Anders jedoch als im aktuellen BMF-Schreiben vom 11.5.2016 enthält der Entwurf eine Einschränkung in Bezug auf den Versorgungs-BgA bereit. Während nach der aktuell geltenden Rechtslage sowohl Netzbetriebsunternehmen als auch Stromvertriebsunternehmen zur Begründung eines steuerlichen Querverbundes mit einem Bad herangezogen werden können, soll dies im Falle des Betriebs einer Wärmepumpe nur dann möglich sein, wenn es sich um ein Stromnetzbetriebsunternehmen handelt.

Eine weitere Option könnte künftig eine hybride Photovoltaik-Anlage sein. Anders als die Wärmepumpe ist eine hybride Photovoltaik-Anlage in der Lage, neben Wärme auch Strom zu erzeugen, sodass sie grundsätzlich einem BHKW sehr ähnlich ist. Dem Umstand, dass die Wärmeerzeugung hierbei jedoch erheblich geringer ist als bei einem BHKW, hat der Entwurf des BMF-Schreibens Rechnung getragen. Da eine hybride Photovoltaik-Anlage sowohl Wärme als auch Strom erzeugt, wäre anzunehmen, dass für die Begründung eines steuerlichen Querverbundes hier – analog zu den aktuellen Regelungen beim BHKW – sowohl Stromnetzbetriebsunternehmen als auch Stromversorgungsunternehmen zur Begründung eines steuerlichen Querverbundes herangezogen werden könnten. Dies jedoch sieht der aktuelle Entwurf des BMF-Schreibens nicht vor. Stattdessen soll in dieser Konstellation ausschließlich ein Stromversorgungsunternehmen zur Begründung eines steuerlichen Querverbundes mit einem Bad zulässig sein.

Neben den beiden vorgenannten Möglichkeiten kann auch der Anschluss an ein vorhandenes Fernwärmenetz zur Begründung eines steuerlichen Querverbundes ausreichend sein. Mit der Möglichkeit, einen steuerlichen Querverbund unter Zugrundelegung eines Fernwärmenetzes zu begründen, weicht das BMF von seiner bisherigen Sichtweise ab, dass zwingend ein Zusammenhang zum Strombereich vorhanden sein muss. Dieser Paradigmenwechsel ist unserer Ansicht nach unter Berücksichtigung der Voraussetzungen politisch motiviert. Er lässt sich aber gleichwohl vor dem Hintergrund der Wärmewende sehr gut nachvollziehen. Voraussetzung dafür, dass mittels Fernwärme ein steuerlicher Querverbund begründet werden kann, ist, dass mindestens 80 Prozent des Wärmebedarfs des Bades über das Fernwärmenetz gedeckt werden können. Zusätzlich muss der Fernwärme-BgA aufgrund eines Wärmelastmanagements die Möglichkeit haben, die Fernwärmeübergabestation zu- oder abzuschalten. Um in diesem Kontext das Merkmal der wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung zu begründen, muss das Bad ein Wasservolumen von mindestens 1.000 Kubikmetern aufweisen. Das hier vorgesehene Volumen erscheint willkürlich gewählt, da es nach unserer Ansicht keine Begründung dafür gibt, weshalb ein geringeres Volumen nicht auch zu einer Wechselwirkung führen soll. Zudem werden durch das vorgesehene Volumen kleinere Bäder von der Einbeziehung in einen steuerlichen Querverbund ausgenommen.

Politische Rückendeckung: Aussagen im Koalitionsvertrag 2025

​Im Koalitionsvertrag 2025 zwischen CDU, CSU und SPD wird dem steuerlichen Querverbund ausdrücklich politische Unterstützung zugesichert. Die Koalition erkennt die besondere Rolle der Kommunen als Garanten der öffentlichen Daseinsvorsorge an und sieht den Querverbund als ein „bewährtes Instrument zur finanziellen Stabilisierung kommunaler Infrastrukturen“.

Weiter heißt es, man wolle den Querverbund rechtssicher erhalten und weiterentwickeln – insbesondere im Hinblick auf neue Herausforderungen durch europäisches Recht und Digitalisierung. Auch das Bundesfinanzministerium wird in die Pflicht genommen: Es soll gemeinsam mit den Ländern eine verlässliche Handreichung für Kommunen und ihre Unternehmen entwickeln, um Rechts- und Planungssicherheit zu erhöhen. Wie dies jedoch konkret erfolgen soll, lassen sowohl die Wahlprogramme der CDU, CSU und der SPD als auch der Koalitionsvertrag gänzlich offen. Einer Gesetzesänderung, wie von einigen Stimmen gefordert wird, steht das BMF skeptisch gegenüber, da befürchtet wird, dass eine solche Gesetzesänderung bei der EU-Kommission als Beihilfe zu notifizieren ist. Insofern bleibt es spannend, in welcher Form die neue Regierung beabsichtigt, den steuerlichen Querverbund rechtssicher zu erhalten und weiterzuentwickeln.


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