Transformationsdruck und Chancen für die Fernwärme: Der Gestattungsvertrag als erster Schritt

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​veröffentlicht am 2. Juni 2025




Wärmeversorger und Stadtwerke stehen vor der großen Aufgabe, die lokale Energieversorgung klimaneutral zu gestalten. Im Zentrum dieser Transformation steht die kommunale Wärmeplanung, die eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele spielt. Kommunen müssen entscheiden, welche nachhaltigen Wärmelösungen – sei es Fernwärme, Wärmepumpen oder Wasserstofftechnologien – für ihre spezifischen Gegebenheiten am besten geeignet sind. Diese Entscheidungen werden die Energiezukunft der Bürger auf Jahrzehnte prägen.


Die Wärmeplanung ist dabei nur der erste Schritt. Im Fall der Fernwärme gilt es insbesondere, die vertragliche Grundlage für die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Errichtung und den Betrieb der Leitungen und sonstigen Anlagen (Gestattungsrechte) zu schaffen. Diese vertraglichen Grundlagen sind entscheidend, um die rechtliche Grundlage für die Wärmenetze langfristig zu sichern und praktischen Rahmenbedingungen für deren Betrieb festzulegen.


​Ausgestaltungsmöglichkeiten – reine Gestattung oder Betriebspflicht?

Bei der Vergabe von Gestattungsrechten für Wärmenetze müssen Wärmeversorger und Kommunen verschiedene Aspekte berücksichtigen. Ein wesentlicher Schritt ist die Entscheidung, ob ein Konzessionsvertrag oder ein reiner Gestattungsvertrag abgeschlossen werden soll:

  • Konzessionsvertrag: Hier wird eine öffentliche Aufgabe übertragen und in der Regel eine Betriebspflicht festgelegt. Dies bedeutet, dass der Betreiber durch Regelungen im Konzessionsvertrag verpflichtet wird, das Wärmenetz zu betreiben und die Versorgung der angeschlossenen Haushalte sicherzustellen. Ein Konzessionsvertrag kann auch Regelungen zur Preisgestaltung und zur Qualität der Dienstleistungen oder der Wärmebereitstellung enthalten.
  • Reiner Gestattungsvertrag: Hier wird lediglich die Wegenutzung ermöglicht. Der Betreiber erhält das Recht, die öffentlichen Verkehrswege für die Errichtung und den Betrieb der Wärmenetze zu nutzen, ohne eine Betriebspflicht zu übernehmen.

Zu beachten ist dabei aus Sicht des Versorgers, dass der alleinige Abschluss eines derartigen Vertrages – unabhängig davon, ob Konzession oder reine Gestattung – nicht zu einem Ausschließlichkeitsrecht des Versorgers führen kann und darf. Soweit ein anderes Wärmeversorgungsunternehmen ebenfalls einen Teil der umfassten öffentlichen Verkehrswege nutzen möchte, muss die Kommune ihm grundsätzlich dieses Recht einräumen, wenn keine wesentlichen Gründe oder tatsächlichen Umstände entgegenstehen. Es ist damit deshalb möglich und in der Praxis auch häufig anzutreffen, dass in Kommunen mehrere Fernwärmeversorgungsunternehmen vorhanden sind, die jeweils eigene Netze in Teilgebieten betreiben.

Im Zuge der Wärmewende bietet dieser Umstand möglicherweise auch Potenziale für Netzzusammenschlüsse und die Ermöglichung eines effizienteren Netzbetriebs. Dies gilt gerade auch unter dem Blickpunkt, dass ältere Bestandsnetze in den nächsten Jahren dekarbonisiert werden müssen und deshalb hohe Investitionen in erneuerbare Wärmeversorgungsanlagen erforderlich sind.

Entscheidungskriterien für die Vertragswahl

​Die Entscheidung für einen Vertragstyp liegt zunächst bei der Kommune und hängt von ihren spezifischen Zielen und Anforderungen ab. Wesentlich ist hier die Frage, ob die Kommune dem Versorger eine Betriebspflicht auferlegen möchte oder sogar muss.

Das Erfordernis einer Betriebspflicht wird von der Kommune basierend auf verschiedenen Faktoren beurteilt. Dazu zählt insbesondere die Frage, ob ein Anschluss- und Benutzungszwang erlassen werden soll – dieser macht die Betriebspflicht aus Sicht der Kommune zwingend erforderlich. Mit dem Anschluss- und Benutzungszwang werden die Haushalte verpflichtet, sich unter bestimmten Bedingungen an das Wärmenetz anzuschließen und die angebotene Wärmeversorgung zu nutzen. Dies kann dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit des Wärmenetzes zu sichern und die Investitionen zu rechtfertigen. Umgekehrt muss die Kommune in diesem Fall aber auch sicherstellen, dass die betroffenen Anwohner einen Anspruch gegenüber dem Netzbetreiber haben, an das Netz angeschlossen und mit Wärme versorgt zu werden. Eine Betriebspflicht kann sich außerdem daraus ergeben, dass die Kommune ihre eigenen Liegenschaften an das Netz anschließen und eine langfristige Versorgung über die Dauer des Konzessionsvertrages hinaus sicherstellen möchte.

Vergabeverfahren und rechtliche Rahmenbedingungen

​Im Falle der Regelung einer Betriebspflicht müssen Wärmeversorger die strengen Vorgaben des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Konzessionsvergabeverordnung beachten. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sicher, dass die Vergabe von Gestattungsrechten fair und transparent erfolgt und dass alle potenziellen Betreiber, einschließlich lokaler Stadtwerke, eine Teilnahmemöglichkeit haben. Bei der Gestaltung des dann erforderlichen Vergabeverfahrens haben Kommunen zum Teil Spielräume bei der Festlegung der Auswahlkriterien, müssen dabei jedoch die jeweiligen Verfahrensvorgaben einhalten. Der Abschluss eines reinen Gestattungsvertrags lässt deutlich mehr Spielraum bei der Verfahrensgestaltung und macht dieses u. U. sogar entbehrlich.

Bei der Neuerrichtung kleiner Nahwärmenetze wird dies, wenn weitere Leitungen im Straßengrund Platz finden könnten, regelmäßig der Fall sein. Das kann insbesondere für kleinere Gemeinden oder spezifische Projekte vorteilhaft sein, bei denen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefragt sind. Die spezifische Art des erforderlichen Verfahrens ist aber je nach Regelungswunsch der Kommune und Ausgestaltung des abzuschließenden Vertrages individuell zu ermitteln.

Wesentliche Regelungsbedürfnisse

Die Frage nach der Betriebspflicht ist jedoch nur die erste Entscheidung, die es zu treffen gilt. Die Erfahrung zeigt, dass bei beiden Gestaltungsalternativen – Konzession und Gestattung – einige Fragen immer wieder zu Diskussionen zwischen Wärmeversorgern und Gemeinden führen:

  • Vertragslaufzeit: Anders als bei Strom und Gas existiert im Bereich der Gestattungsrechte für Wärme keine fixe Begrenzung der Vertragslaufzeit. Die Vertragslaufzeit kann damit grundsätzlich frei verhandelt werden. Anerkannt ist eine Anlehnung an entsprechende Regelungen im Bereich Wasser bzw. eine Ausgestaltung durch die Kommune, die einen Gleichlauf der Gestattungsverträge für die verschiedenen Sparten gewährleistet, um administrativen Aufwand bei der jeweiligen Kommune und beim lokalen Versorger zu bündeln. Denkbar sind aber auch abweichende Gestaltungen.
  • Gestattungsentgelt: Anders als bei Wegenutzungsrechten für Strom- und Gasnetze existiert im Bereich Wärme keine Höchstgrenze für die Konzessionsabgabe oder das Gestattungsentgelt. Die Vergütung kann jedoch nicht völlig frei festgesetzt werden, da kartellrechtliche Einschränkungen gelten. Gemeinden müssen den Zugang diskriminierungsfrei und zu gleichen Bedingungen bereitstellen. Gestattungsentgelte dürfen nicht so hoch angesetzt werden, dass sie wirtschaftlich handelnde Unternehmen vom Wettbewerb ausschließen.

    Die Regeln der §§ 1 ff. KAV gelten nur für Strom- und Gasnetze, die §§ 1 ff. KAEAnO nur für Wassernetze. Viele Kommunen orientieren sich aus Gründen der Gleichbehandlung teilweise an diesen Vorgaben. Unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Besonderheiten können die Gestattungsentgelte weitgehend frei festgelegt werden, z. B. nach Leitungslänge, Wärmeabsatz oder Umsatz/Gewinn des Wärmeversorgungsunternehmens.

    Wärmeversorger sollten Kommunen bei der Vereinbarung der Gestattungsentgelte klarmachen, dass diese sich unmittelbar auf die Wärmepreise auswirken, die aufgrund der Dekarbonisierungsinvestitionen gerade bei Bestandsnetzen ohnehin tendenziell steigen. Dies kann zu einer zusätzlichen Kostenbelastung der versorgten Abnehmer führen und die Akzeptanz der Wärmenetze verringern.
  • Endschaft: Die in Vertragsverhandlungen wohl am heißesten diskutierten Vertragsregelungen sind und bleiben die zum Thema Endschaft. Zwar haben sich in den Bereichen Strom und Gas inzwischen eindeutige Standards herauskristallisiert, die teilweise im Gesetz niedergelegt und in vielen Musterverträgen konkretisiert sind. Ob und inwieweit diese Standards aber auf den Bereich Wärme übertragen werden können, bleibt umstritten. Denn anders als im Strom und Gas sind die verschiedenen Wertschöpfungsstufen der Wärme nicht entflochten, sondern oftmals untrennbar miteinander verbunden. Es ist deshalb erforderlich, dass Wärmeversorgungsunternehmen bereits klar und im Einvernehmen mit der jeweiligen Kommune im Gestattungsvertrag regeln, welche Anlagen konkret Regelungsgegenstand sind und wie mit diesen nach Auslaufen des Gestattungsvertrages verfahren werden soll. Dabei sollte für den Fall der Übernahme der Anlagen durch die Kommune eine faire Möglichkeit zum Erwerb und Kostenausgleich verhandelt werden, die auch die Investitionsrisiken des Versorgers langfristig mindert.
  • Endkundenverhältnisse: Bei Vertragsverhandlungen kommt oftmals die Frage auf, wie mit den bestehenden Wärmeversorgungsverhältnissen mit Endkunden umgegangen werden soll. Soweit es sich bei den Endkundenverhältnissen nicht um getrennte Anschluss- und Wärmelieferungsverträge handelt, sondern ein einheitlicher Wärmeversorgungsvertrag geschlossen wurde, findet regelmäßig die AVBFernwärmeV Anwendung. Nach § 32 Abs. 5 AVBFernwärmeV ist ausdrücklich vorgesehen, dass ein Wechsel des Wärmelieferanten im laufenden Vertragsverhältnis möglich ist, wobei dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht für diesen Fall eingeräumt wird. Eine Regelung im Gestattungsvertrag ist somit zwar möglich, aber im Regelfall grundsätzlich nicht nötig.

Fazit 

​Sowohl Kommunen als auch Wärmeversorgungsunternehmen haben in der Regel ein großes Interesse daran, im Gestattungsvertrag nicht nur die Zusammenarbeit und Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen im laufenden Vertragsverhältnis zu regeln, sondern auch pragmatische und faire Regelungen für Kostentragungspflichten und Endschaftsregelungen zu treffen. Hier bestehen aufgrund der aktuellen Rechtslage zum Teil große Spielräume, die individuelle Anpassungen und Zuschnitte für die jeweilige konkrete Situation und Netzgröße ermöglichen. Diese Spielräume sollten allerdings auch genutzt werden.


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