Referentenentwurf zur ARegV – ein Paradigmenwechsel zeichnet sich ab

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​veröffentlicht am 1. Juni 2016

 

Der kürzlich vorgestellte Referentenentwurf zur Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) überrascht vor allem durch die Einführung eines jährlichen Kapitalkostenabgleichs. So sieht der Kapitalkostenabschlag ein Abschmelzen der Erlösobergrenze vor; der Kapitalkostenzuschlag – als gegenläufiges Element – ermöglicht den Netzbetreibern, Investitionskosten bereits während der Regulierungsperiode zum Ansatz zu bringen. Durch die Entkopplung der Kapitalkosten vom jeweiligen Basisjahr haben Netzbetreiber ihre Investitions- und Unterhaltsstrategien auf den Prüfstand zu stellen. Die weiter vorgesehenen Änderungen der ARegV werden stichpunktartig vorgestellt.

 

Die seit dem Jahr 2009 geltende ARegV wurde in den letzten Jahren im Rahmen eines umfangreichen Evaluierungsverfahrens durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) auf den Prüfstand gestellt. Hierbei sollte u.a. untersucht werden, ob – insbesondere vor dem Hintergrund der Energiewende und den damit einhergehenden gestiegenen Netzanforderungen durch fluktuierende Einspeisung Erneuerbarer Energien – mit den derzeit geltenden Regelungen Investitionshemmnisse verbunden sind. Auf Grundlage des Evaluierungsberichts hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bereits im März 2015 ein Eckpunktepapier zur Novellierung der ARegV veröffentlicht, das sich mit einem „weiter so” mit verschärften Effizienzvorgaben zusammenfassen lässt. So kam der nunmehr vorgelegte Referentenentwurf einem Paukenschlag gleich.
 
Der regulatorische „Maßanzug”, wie er vom BMWi in seiner Begründung beschrieben wird, umfasst die Einführung eines Kapitalkostenabgleichs. So können Investitionen während einer Regulierungsperiode bereits unmittelbar berücksichtigt werden. Die Erhöhung der Kapitalkosten (kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, Abschreibungen und Steuer) kommt entsprechend als jährlicher Kapitalkostenaufschlag auf die Erlösobergrenze zum Ansatz. Dem entgegen steht allerdings die Abschaffung des sogenannten „Sockeleffektes” durch einen Kapitalkostenabzug. Dadurch werden die Kapitalkosten nicht mehr – wie im derzeit geltenden Regulierungsregime – für die Dauer einer Regulierungsperiode fixiert, sondern jährlich fortgeschrieben. Durch die jährliche Aktualisierung („Nachfahren“) sinkt das betriebsnotwendige Anlagevermögen und damit die Verzinsungsbasis. Zudem werden die kalkulatorischen Abschreibungen um die nicht mehr kalkulationsrelevanten Anlagen vermindert. Lediglich für Anlagenzugänge der Jahre 2008 bis 2016 wird ein positiver Sockel für die Dauer der dritten Regulierungsperiode gewährt, um den Netzbetreibern einen gewissen Vertrauensschutz für bereits getätigte Investitionen zu gewähren. Der Erweiterungsfaktor kommt folglich in der dritten Regulierungsperiode nicht mehr zum Ansatz.
 

Zudem sieht der Referentenentwurf noch folgende Änderungen vor:
  • Verkürzung der Regulierungsperiode von derzeit fünf auf vier Jahre (§3 Abs. 2 ARegV) ab der dritten Regulierungsperiode, wodurch eine schnellere Anpassung der Kapitalkosten und Betriebskostenänderungen umzusetzen ist
      
  • Schnellerer Abbau der Ineffizienzen innerhalb von drei statt bisher fünf Jahren (§16 ARegV)
     
  • Absenkung des fixen Anteils der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten (§24 ARegV) im vereinfachten Verfahren von bisher 45 Prozent auf 5 Prozent ohne vorgelagerte Netzkosten und vermiedene Netzentgelte
      
  • Abschmelzen des jährlich zu ermittelten Saldos des Regulierungskontos über drei Jahre; 5-Prozent-Grenze für Anpassung der Netzentgelte wird gestrichen
     
  • Vorverlegung der Frist für Anträge für die Teilnahme am vereinfachten Verfahren auf den 31. März (bisher 30. Juni)
     
  • Einführung eines Effizienzbonus (§12 und 12a ARegV) in Form einer Erhöhung der Erlösobergrenze für Netzbetreiber mit einem Effizienzwert größer 100 Prozent bis max. 105 Prozent (Supereffizienz)
     
  • Deutliche Erhöhung der Transparenz durch weitere Veröffentlichungspflichten (§31 ARegV): u.a. durch Offenlegung von Erlösobergrenze, Effizienzwert, verwendeten Parametern, Kosten-/ Strukturdaten, Erweiterungsfaktor, Kapitalkostenaufschlag, dauerhaft nicht beeinflussbarer Kosten, Regulierungskontosaldo

  
Grundsätzlich ist die Beseitigung des Zeitverzugs bei Investitionen durch die Einführung des Kapitalkostenaufschlags zu begrüßen. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung (u.a. Behandlung Baukostenzuschüsse) bleibt abzuwarten, ob sich noch Verbesserungen ergeben. Der Wegfall des Sockeleffektes, die deutliche Abschwächung der Vorteile des vereinfachten Verfahrens wie auch der verkürzte Abbau der Ineffizienzen führen allerdings zu einer deutlichen Zunahme des Effizienzdrucks. Vor dem endgültigen Beschluss der Novellierung der Anreizregulierung werden in Fachausschüssen des BMWi derzeit weitere Anpassungen diskutiert. Jedoch ist mittlerweile eine klare Richtung durch den bestehenden Referentenentwurf vorgegeben, sodass Netzbetreiber – insbesondere vor dem Hintergrund des derzeit laufenden Fotojahres Strom – entsprechende Investitions- und Effizienzoptimierungsstrategien erarbeiten sollten.

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Tobias Boß

M.Sc. Volkswirtschaft

Associate Partner

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