M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Treaty-Shopping”

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In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

 
Beim „Treaty-Shopping”, dem „Sich-Einkaufen” in ein Doppelbesteuerungsabkommen, versteht man steuerlich motivierte Gestaltungen, bei denen ein Steuerpflichtiger durch Zwischenschaltung einer Kapital­gesellschaft günstige Doppelbesteuerungs-abkommen (DBA) nutzt und dadurch steuerliche Vorteile erhält.

Beispiel: Ein Investor „I” ist in Staat A ansässig und beabsichtigt eine Kapitalgesellschaft „K” in Staat B zu gründen. Staat A und B haben jedoch kein DBA abgeschlossen. Allerdings wurde sowohl zwischen Staat A und Staat C, als auch zwischen Staat B und Staat C ein DBA vereinbart. Um die DBA-Präferenzen, z.B. bei Quellensteuern auf Dividendenausschüttungen, zu nutzen, gründet I nun in Staat C eine Zwischen­gesellschaft „Z”, die Muttergesellschaft für K in Staat B wird. Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren werden nun – unter Nutzung der DBA-Privilegien - von der Gesellschaft K in Staat B über die Gesellschaft Z in Staat C an I ausgeschüttet.

In der Vergangenheit waren u.a. die Niederlande, Zypern und Luxemburg beliebte Staaten für derartige Zwischengesellschaften. Eine Abwandlung des Treaty-Shoppings ist das Richtlinien-Shopping, bei dem die Steuervorteile der EU-Richtlinien (Mutter-Tochter-Richtlinie, Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie) ausgenutzt werden.

Im Beispiel profitiert I von einem von Staat B abgeschlossenen DBA, ohne jedoch im entsprechenden Staat (C) ansässig zu sein. Da solche Gestaltungen nicht erwünscht sind, haben viele Staate sog. „Anti-Treaty-Shopping”-Regelungen eingeführt.

Die OECD-/G20-Staaten haben im Rahmen des BEPS („Base Erosion and Profit Shifting”) – Aktionsplans in BEPS Action 6 Mindeststandards zur Bekämpfung des Miss-brauchs von DBA vorgesehen.

In Deutschland gibt es Anti-Treaty-Shopping-Regelungen bereits seit über 25 Jahren. Danach wird geprüft, ob ein Gesellschafter (im Beispiel: I) einer ausländischen Gesellschaft (im Beispiel: Z) die DBA-Präferenzen geltend machen könnte, wenn er direkt beteiligt wäre. Sofern – wie in unserem Beispiel – das nicht der Fall ist, wir die Gewährung der DBA-Präferenzen verwehrt, es sei denn, die Zwischengesellschaft erfüllt bestimmte Substanzerfordernisse. Da die deutsche Regelung in ihrer aktuellen Fassung europarechtswidrig ist, wird in naher Zukunft mit einer Neuregelung gerechnet.

In Russland wurden Anti-Treaty-Shopping-Regelungen im Jahr 2015 eingeführt und im Jahr 2017 verschärft. Gemäß den russischen Regelungen können DBA-Präferenzen nur dann angewendet werden, wenn der Empfänger der (Dividenden-, Zins-, Lizenzgebühren-)Zahlung auch tatsächlich der Nutzungsberechtigte ist. Da in unserem Beispiel Z die Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren an I weiterleitet, ist Z nicht der tatsächliche Nutzungsberechtigte. Zum Nachweis, dass ein Zahlungsempfänger auch tatsächlich der Nutzungsberechtigte ist, muss der Zahlungsempfänger seit 2017 eine Bestätigung der auszahlenden Gesellschaft vorlegen, in der dieser Nachweis geführt wird. Erst nach Vorlage dieses Nachweises sowie einer Ansässigkeitsbescheinigung darf die auszahlende Gesellschaft DBA-Präferenzen anwenden.

Nach derzeitiger Gerichts- und Verwaltungspraxis in Russland wird für die Anerkennung als nutzungs­berechtigte Gesellschaft verlangt, dass diese die erhaltenen Erträge nicht lediglich weiterleitet, sondern über ihre Verwendung eigenständig entscheidet, aktiv am Markt tätig ist, sowie über Personal und Räumlichkeiten verfügt. Reinen Holdinggesellschaften wird somit die Nutzungsberechtigteneigenschaft in der Regel verwehrt. Zu beachten ist, dass von diesen Regelungen auch Fälle erfasst werden, in denen die Anteile an einer russischen Gesellschaft von einer deutschen Auslandsholding-GmbH gesellschafts­rechtlich gehalten werden, ohne dass eine Absicht besteht, DBA-Regelungen missbräuchlich auszunutzen. Da im Rahmen der Umsetzung des BEPS-Aktionsplans weltweit mit einer Verschärfung der Anti-Treaty-Shopping-Regelungen zu rechnen ist, sollten Konzernstrukturen auch diesbezüglich regelmäßig geprüft werden.

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Helge Masannek

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