Bewertung in der Krise – Achtung bei verzerrten Multiples

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Im Rahmen von M&A Transaktionen werden zur Kaufpreisfindung regelmäßig Multiplikatoren („Multiples”) auf das EBITDA des laufenden Geschäftsjahres herangezogen. Die Multiples werden hierbei entweder von vergleichbaren börsennotierten Unternehmen („Trading-Multiples”) oder aus veröffentlichten Daten vergleichbarer M&A Transaktionen („Transaction-Multiples”) abgeleitet. 

In Folge der Corona-Krise reduzierten sich die Aktienkurse vieler Unternehmen erheblich. Im selben Zeitraum sind deren Trading-Multiples jedoch teilweise gestiegen. In diesem Beitrag wird dieser scheinbar widersprüchliche Effekt am Beispiel deutscher Automobilhersteller erläutert und Empfehlungen zur Vermeidung von Überbewertungen abgeleitet. Des Weiteren weisen wir auf mögliche zukünftige Herausforderungen durch die Folgen der Corona-Krise bei der Kaufpreisfindung durch Transaction-Multiples hin. 

Widersprüchliche Trading Multiples

EBITDA-Multiples sind den Bruttoverfahren zuzuordnen und werden aus dem Unternehmensgesamtwert („Entity Value”), bestehend aus der Marktkapitalisierung und der Finanzverschuldung abgeleitet. Wie in der folgenden Grafik dargestellt sind die Marktkapitalisierungen (gestrichelte Linien) im Vergleich zu den Unternehmensgesamtwerten (nicht gestrichelt) im ersten Halbjahr 2020 relativ betrachtet überproportional gefallen.


 
Trotz des Rückgangs der Aktienkurse sind die impliziten EBITDA-Multiples im selben Zeitraum jedoch gestiegen (vgl. folgende Grafik).
 
 
Der Grund für diese widersprüchliche Entwicklung liegt in der überproportionalen Reduktion von EBITDA-Prognosen für das Jahr 2020 im Vergleich zu dem am Kapitalmarkt beobachteten Rückgang der Unternehmensgesamtwerte. Die steigenden Multiples sind somit kein Anzeichen für eine Erhöhung der Unternehmenswerte, sondern resultieren vielmehr aus einem mathematischen Effekt bei der Ermittlung der Multiples (das EBITDA 2020 im Nenner sinkt stärker als der Unternehmensgesamtwert im Zähler) sowie einer durch die Krise nicht repräsentativen Ertragslage im Jahr 2020. 

Um im Rahmen einer Trading-Multiple-Bewertung eine Überbewertung zu vermeiden, empfiehlt es sich daher auf nachhaltigere Referenzperioden abzustellen. Die Entwicklungen der Trading-Multiples auf Basis der EBITDA Erwartungen des Jahres 2022 zeigen bspw. einen leichten Rückgang der Multiples und somit eine schlüssigere Entwicklung (vgl. folgende Grafik).
 
 
Neben einer Multiple-Bewertung empfiehlt es sich zudem eine kapitalwertorientierte Bewertung, bspw. auf Basis des Discounted Cash Flow Verfahrens, durchzuführen. Bei diesem zukunftsorientierten Bewertungsverfahren resultiert der Unternehmenswert vor allem aus einer nachhaltigen, bereinigten Ertragskraft und wird daher weniger durch temporäre Kriseneffekte verzerrt.

Mögliche zukünftige Verzerrungen bei Transaction Multiples

Neben der Kaufpreisermittlung durch Trading-Multiples werden in der Praxis oft vergleichbare M&A Transaktionen für die Ableitung von Multiples herangezogen, die in der Regel von spezialisierten Finanzdienstleistern veröffentlicht werden. Die Ableitung basiert hierbei zumeist auf öffentlich zugänglichen Informationen zum Kaufpreis und Profitabilitätskennzahlen der vergangenen zwei Geschäftsjahre.

Aufgrund dieser vergangenheitsorientierten Ermittlung könnten sich die Transaction-Multiples in einer „Nachkrisen-Zeit” deutlich verzerren. Diesen möglichen Verzerrungseffekt werden wir im Folgenden anhand eines Rechenbeispiels illustrieren. 

Die folgende Grafik veranschaulicht einen möglichen Verlauf des EBITDA eines Unternehmens, welches in 2020 durch die Krise stark getroffen wurde und sich ab 2021 wieder erholt, jedoch unterhalb des Niveaus vor der Krise („Wurzel-Verlauf”). 
 
 
Für unser Beispiel unterstellen wir, dass dieses Unternehmen im Jahr 2021 verkauft wird. Der Kaufpreis wurde vom Erwerber auf Basis eines vereinfachten Discounted Cash Flow Verfahrens wie folgt ermittelt:
 
 
Auf Basis des Unternehmensgesamtwertes (Beispiel: TEUR 844) sowie der geplanten EBITDA-Entwicklung wurde somit implizit ein EBITDA-Multiple von 9,4 (2021) bzw. 8,9 (2022) bezahlt (siehe Grafik).
 
 
Wenn diese beispielhafte Transaktion für Transaction-Multiples ausgewertet würde, stehen jedoch vermutlich neben dem Unternehmensgesamtwert nur die historischen zwei Jahre des EBITDA zur Verfügung. Es ist daher zu befürchten, dass entweder ein Multiple von 7,0 (2019) bzw. 16,9 (2020) in den Statistiken erfasst wird. Beide Multiples wären in diesem vereinfachten Beispiel aufgrund der Vergangenheitsorientierung und den Verzerrungen durch die Corona-Krise nur eingeschränkt für künftige Unternehmensbewertungen geeignet. 

Fazit

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf aktuelle Trading-Multiples und künftige Transaction-Multiples sollten bei einer Unternehmensbewertung genau analysiert werden. Aufgrund möglicher krisenbedingter Verzerrungen empfiehlt es sich, einen starken Fokus auf zukunftsorientierte Bewertungsverfahren auf Basis einer nachhaltigen Ertragskraft zu legen (bspw. Discounted Cash Flow).

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