M&A in der Krise – Steuerliche Herausforderungen

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veröffentlicht am 14. November 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

Bei einem Unternehmenskauf in der Krise sind neben den rechtlichen Heraus-forderungen auch viele steuerliche Fallstricke zu beachten. Bei richtiger Gestaltung können aber auch Chancen genutzt und steuerliche Optimierungen umgesetzt werden. 

Die aktuelle Lage, insbesondere der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die immer noch bestehenden Lieferkettenprobleme und die Kostensteigerungen in allen Lebensbereichen werden im Transaktionsbereich zum einen dazu führen, dass es wieder zu mehr Unternehmenskäufen und -verkäufen auch während der Krise kommt.  Auf der anderen Seite nutzen Unternehmer auch solche Zeiten, um Ihr Portfolie zu bereinigen und sich von unrentablen Geschäftsfeldern zu trennen.
 

Oft sind bei solchen Transaktionen steuerliche Besonderheiten zu beachten, die wir nachfolgend beleuchten wollen.

 

1) Transaktionsstruktur – Asset-Deal versus Share Deal  

Gerade bei Unternehmen, die sich in der Krise befinden, muss gut überlegt werden, in welcher Transaktionsstruktur man den Kauf umsetzen möchte.

 

Entscheidet man sich für einen Asset-Deal, sind Gegenstand des Kaufes nicht die Geschäftsanteile, sondern vielmehr die einzelnen Vermögensgegenstände der Zielgesellschaft. Die Zielgesellschaft bleibt als Rechtsträger bis zur Liquidation bestehen; es werden lediglich einzelne Vermögensgegenstände auf den Erwerber übertragen. In bestehende Vertragsverhältnisse der Zielgesellschaft rückt der Erwerber beim Asset Deal grundsätzlich nicht ein, es sei denn, der Vertragspartner stimmt einer Vertragsübernahme, d.h. einem Austausch seines Vertragspartners zu.

 

Vorteile des Asset Deals sind insbesondere die Möglichkeit gezielt einzelne Assets zu übernehmen (Rosinen picken) und den Kaufpreis steuerlich abschreiben zu können. Darüber hinaus übernimmt der Käufer in der Regel keine Altlasten und die Haftung ist bis auf wenige Ausnahmen erheblich eingeschränkt oder verkürzt (z.B. § 75 AO, bei einem Kauf nach Eröffnung der Insolvenz reduziert sich die Haftung nochmal erheblich). Jedoch sollten auch die Besonderheiten eines Asset Deals gegenüber dem Share Deal nicht außer Acht gelassen werden. So gehen bestehende Arbeitsverhältnisse mit dem Verkäufer bereits kraft Gesetz auf den Käufer Zudem kann ein Asset Deal auch durch einen Insolvenzverwalter angefochten werden, wenn das zurückbleibende Unternehmen im Hinblick auf die zurückbleibenden Verbindlichkeiten Insolvenz anmelden muss. Auch sind Asset Deals oft vertraglich komplizierter umzusetzen, da die zu übertragenden Wirtschaftsgüter hinreichend bestimmt werden müssen und für übergehende Verträge die Zustimmung der Vertragspartner erforderlich ist.

 

Beim Share Deal erwirbt der Käufer hingegen sämtliche Anteils-/Beteiligungsrechte an der Zielgesellschaft. Es kommt damit zu einem Inhaberwechsel bei der Gesellschaft, ohne dass dies (unmittelbare) Auswirkungen auf die Rechtsverhältnisse des Unternehmensträgers hätte. Die Vertragsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten – und damit auch zu den Arbeitnehmern – bleiben durch den Share Deal als solchen unberührt. Alle Aktiva und Passiva werden übernommen und somit auch mit sämtlichen dem Unternehmen zuzuordnenden Haftungsverhältnissen. Genau dies ist oft der Grund, weshalb etwa im Rahmen einer Insolvenz ein Share Deal meist nicht das Mittel erster Wahl ist. Grundsätzlich ist ein Share Deal aber rechtlich leichter umzusetzen, da letztendlich nur der Eigentümer der Zielgesellschaft ausgewechselt wird.

 

Sollte es zu einem Share Deal kommen, ist im weiteren Verlauf zu untersuchen, ob die Verlustvorträge des Unternehmens in der Krise durch den Erwerber genutzt werden können.

 

2) Verlustvorträge – Chancen zur Verlustnutzung

Vorangestellt ist zu unterscheiden, ob es sich bei dem zu kaufenden Unternehmen um eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt, da hier andere Regeln zur Verlustnutzung gelten.

 

Bei einer Personengesellschaft gehen die Verlustvorträge nach § 10a GewStG ohne Ausnahme in dem Umfang unter, wie ein Mitunternehmerwechsel stattfindet oder der Geschäftsbetrieb geändert wird. Es gilt der Grundsatz der Mitunternehmer und Mitunternehmensidentität. 

 

Bei Kapitalgesellschaften hingegen gehen Verlustvorträge erst dann vollständig unter, wenn ein Gesellschafterwechsel von mehr als 50 % stattfindet. Und es gibt Ausnahmen, um die Verlustvorträge zu retten.

 

Stille Reserven-Klausel – § 8c Abs. 1 Satz 5 ff. KStG

Sollte das übertragene Unternehmen noch über stille Reserven verfügen, können ggf. in dieser Höhe noch die Verlustvorträge gerettet werden. Die stillen Reserven ergeben sich als Differenzbetrag zwischen dem Buchkapital der Gesellschaft und dem gemeinen Wert der Anteile, der durch den Kaufpreis nachgewiesen werden kann. Stille Reserven auf Auslandsvermögen und steuerfreies Vermögen sind nicht zu berücksichtigen.
Bei einer bilanziellen Überschuldung und einem negativem steuerlichen Eigenkapital ist darauf zu achten, dass der Kaufpreis nicht für die Ermittlung der stillen Reserven herangezogen werden kann, sondern eine Unternehmensbewertung erfolgen muss.
Eine Gestaltung kann erfolgen durch gezielte Einlagen oder Forderungsverzichte der Verkäufer vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, um das steuerliche Eigenkapital zu erhöhen und positiv zu stellen.
Das gleiches Problem stellt sich, wenn der Kaufpreis nur sehr niedrig ist (z.B. der symbolische 1 EUR). Auch hier hilft nur eine Unternehmensbewertung, um ggf. einen höheren Unternehmenswert und entsprechende stille Reserven nachweisen zu können.

 

Oft wird es aber bei Unternehmen in der Krise nicht mehr möglich sein, stille Reserven nachzuweisen, so dass als weitere Ausnahmeregelung die Sanierungsklausel zur Anwendung gelangen könnte.

 

Sanierungsklausel – § 8c Abs. 1a KStG

Nach vielem Hin und Her zur rechtswidrigen Beihilfe durch die Europäische Union, wurde die Sanierungsklausel aufgrund EuGH-Rechtsprechung rückwirkend auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 wieder eingeführt. Sind die Voraussetzungen der Sanierungsklausel erfüllt, löst der Beteiligungserwerb weder einen vollständigen Verlustuntergang aus, noch ist der Erwerb mit anderen innerhalb der Fünfjahresfrist des § 8c Abs. 1 KStG erfolgten Anteilserwerben zusammenzurechnen. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, ist das Korsett der Regelung jedoch sehr eng.

 

Zeitlich muss der Anteilserwerb zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Körperschaft zumindest droht oder bereits eingetreten ist (Anteilserwerb in der Krise). Hierbei trägt die Körperschaft die objektive Beweislast für das Vorliegen der Sanierungsvoraussetzungen. Sie muss Unterlagen vorlegen, mit denen sowohl

  • die Ursache für die eingetretene Krise in objektiv nachvollziehbarer Weise und
  • die konkreten zur Bewältigung dieser Krise ergriffenen Maßnahmen belegt werden.
    Beteiligungserwerbe die bereits vor der Krise erfolgt sind, fallen nicht unter § 8c Abs. 1a KStG.

In sachlicher Hinsicht muss das Unternehmen sanierungsfähig sein und die für die Sanierung in Angriff genommenen Maßnahmen objektiv geeignet sein, die Körperschaft in absehbarer Zeit nachhaltig aus der Krise zu führen (Sanierungseignung). In der Regel erfolgt dieser Nachweis mittels eines Sanierungsplans, mit dem auch die geforderte Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens nachgewiesen werden kann. Die Sanierungsmaßnahmen müssen mit dem Anteilserwerb im Zusammenhang stehen und innerhalb eines Jahres nach Anteilserwerb stattfinden. Zu den Sanierungsmaßnahmen können u.a. zählen:

        • Maßnahmen zur Kostenreduzierung
        • Umstrukturierung der geschäftlichen Tätigkeit
        • Erschließung von Finanzierungsquellen
        • Ein eigener Finanzierungsbeitrag des erwerbenden Gesellschafters ist nicht erforderlich.

Darüber hinaus müssen die wesentlichen Betriebsstrukturen erhalten bleiben. Dies setzt nach § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG die Befolgung einer Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung, einen Lohnsummenvergleich oder die Zuführung von Betriebsvermögen durch Einlagen innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb voraus. Keine Sanierung liegt vor, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgt.

 

Im Ergebnis muss man feststellen, dass die Anwendung dieser Reglungen in der Praxis oft an den hohen Voraussetzungen scheitern wird.


Fortführungsgebundener Verlustabzug nach § 8d KStG

Wenn weder die stille Reserven-Klausel noch die Sanierungsklausel anwendbar sind, bleibt noch die Anwendung des sog. fortführungsgebundenen Verlustvortrages. Auf Antrag können dabei die Verlustvorträge fortgeführt und genutzt werden, solange die Gesellschaft auch nach einem Anteilseignerwechsel ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb ausübt.

 

Wichtig ist zu wissen, dass die Ausnahmeregelungen des § 8c KStG und § 8d KStG nicht miteinander kombiniert werden können. Reichen die stillen Reserven nicht aus, um die vorhandenen Verlustvorträge vollständig zu erhalten, können die verbleibenden und vom Abzugsverbot bedrohten Verluste nicht zusätzlich durch einen Antrag nach § 8d KStG fortgeführt werden.

 

Ein großer Nachteil der Regelung ist, dass der fortführungsgebundene Verlustvortrag die Handlungsfähigkeit des Käufers sehr stark einschränkt. So  führen etwa bereits die Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebes oder die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft als sogenannte schädliche Ereignisse zu einem Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrages. Deshalb empfiehlt es sich immer vorrangig die Ausnahmereglungen des § 8c KStG zu nutzen.

 

Sollte sich später, z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung, herausstellen, dass die stille Reserven-Klausel oder die Sanierungsklausel nicht zur Anwendung gelangen, kann immer noch ein Antrag nach § 8d KStG gestellt werden, soweit eine Änderungsvorschrift der Abgabenordung oder Änderungsregelungen in den Einzelsteuergesetzen Anwendung finden. 


3) Ausgewählte Sanierungsmaßnahmen und Ihre Steuerfolgen (hier Forderungs-verzicht, Forderungsverkauf)

Beim Kauf eines notleidenden Unternehmens  sind in der Regel im Vorfeld hohe Verluste angefallen und die Gesellschaft wurde vom Gesellschafter durch Gesellschafterdarlehen gestützt. Kommt es nun zum Verkauf, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit derartigen Gesellschafterdarlehen. Denn der naheliegende Forderungsverzicht führt oft zu ungewollten Steuerfolgen. Ist nämlich die Forderung nicht mehr werthaltig, was in der Krise oft der Fall sein dürfte, führt der Forderungsverzicht zu einem Ertrag. Ein solcher kann zwar mit den laufenden Verlusten des Wirtschaftsjahres und sodann mit Verlustvorträgen verrechnet werden. Bei der Verrechnung mit Verlustvorträgen ist aber die Mindestbesteuerung zu beachten. Ein Verlustvortrag kann nur iHv 1 Mio. EUR unbegrenzt mit den laufenden Erträgen verrechnet werden, darüber ist ein Ertrag zu 40 % steuerpflichtig.

 

Wird das Gesellschafterdarlehen hingegen nicht abgelöst und der Käufer übernimmt die Gesellschaft mit der Verbindlichkeit, stellt sich die Situation noch kritischer dar, da möglicherweise die Verlustvorträge untergegangen sind. Ein Forderungsverzicht kommt dann nicht mehr in Frage, außer die Voraussetzungen von steuerfreien Sanierungserträgen nach § 3a EStG liegen vor. 

 

Eine Lösung könnte die Ablösung des IC-Darlehens durch den Verkäufer vor dem Unternehmenskauf sein (Cash-Circle).

 

Alternativ könnte über einen Verkauf des Darlehens z.B. für 1 EUR nachgedacht werden. Hier ist zu beachten, dass bei Rückzahlung des Darlehens ein Gewinn in Deutschland auch im Privatvermögen nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG voll steuerpflichtig ist, so dass durch die volle Besteuerung des Tilgungsgewinnes eine höhere Steuerbelastung eintritt als im Falle von Gewinnausschüttungen. Wenn es im Einzelfall gelingt den Kauf über eine ausländische Gesellschaft zu steuern, im Idealfall in einer Jurisdiktion, in der ein solcher Gewinn nicht der Besteuerung unterliegt, so könnte ein späterer Tilgungsgewinn steuerfrei vereinnahmt werden. Die Gestaltung muss jedoch genau geplant werden. Darüber hinaus ist die Meldepflicht nach DAC6 zu beachten.

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Diana Fischer

Steuerberaterin, Dipl.-Finanzwirtin (FH)

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