Bewertungsrecht: Der Nachweis des gemeinen Grundbesitzwertes

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veröffentlicht am 16. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die Ermittlung von Grundbesitzwerten nach dem Bewertungsgesetz (BewG) spielt bei Immobilientransaktionen eine bedeutende Rolle.
Höhere Grundbesitzwerte führen zumeist auch zu einer höheren steuerlichen Belastung, sodass eine korrekte Bewertung im Interesse des Steuerpflichtigen liegt. Der Gesetzgeber sieht hierfür für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit vor, einen geringeren gemeinen Verkehrswert nachzuweisen. Meist geschieht dies mithilfe eines Verkehrswertgutachtens. Dass ein solches Gutachten aber auch nach längerer Zeit widerlegt werden kann, zeigt die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom 25.5.2022 (Az. 3 K 3247/18).


Hintergrund

Kommt es bei einer Anteilsübertragung zu einer relevanten Bewegung von Grundbesitz i.S.d. Grunderwerbsteuer, zu einer Neubewertung im Zuge der aktuellen Grundsteuerreform » oder zur Feststellung des Grundbesitzwertes zum Zwecke der Erbschaftssteuer, ist jeweils eine Bewertung des Grundbesitzes als Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der anfallenden Steuerlast nach dem Bewertungsgesetz notwendig. Zentrale Bewertungsvorschrift ist § 9 Abs. 1 BewG. Danach ist bei Bewertungen grundsätzlich der sog. gemeine Wert zugrunde zu legen. Für dessen Ermittlung gibt der Gesetzgeber Bewertungsmethoden an die Hand, die in der Praxis den Verkehrswert nach einer typisierten Verfahrensweise bestimmen sollen.


Möglichkeiten zur Nachweiserbringung

Die gesetzlichen Bewertungsverfahren berücksichtigen die Umstände des Einzelfalls aber nur unzureichend. Zudem besteht ein Risiko, dass ein zu hoher Wert festgesetzt wird. Der Steuerpflichtige kann daher den niedrigeren gemeinen Grundbesitzwert gegenüber der zuständigen Finanzbehörde nachweisen. Hierfür ist der Steuerpflichtige in der alleinigen Darlegungs- und Beweispflicht! Er hat die Wahl, ob er den Nachweis durch
 
  • ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder
  • einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück erbringt.

 

Höhere Beweiskraft eines zeitnahen Kaufpreises

Die Ausübung des Wahlrechts bindet die Finanzbehörden und Gerichte aber nicht, weitere Erkenntnisse zu berücksichtigen. Ganz gemäß dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung kann trotz eines beigebrachten Gutachtens auch ein am Markt erzielter Kaufpreis zur Wertermittlung herangezogen werden. Dies eröffnet bei einem Aufeinandertreffen der verschiedenen Beweismittel eine Konkurrenzfrage, die meist zu Lasten des Verkehrswertgutachtens geht, sodass dieses verworfen werden kann.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung der Finanzgerichte stellt ein Verkehrswertgutachten – selbst wenn dieses formal und methodisch korrekt zustande gekommen ist – stets nur eine „bloße Schätzung” dar. Vielmehr ist das Gutachten nur dann der Bewertung zugrunde zu legen, wenn es insgesamt als nachvollziehbar und im Ergebnis überzeugend angesehen werden kann. Es findet eine Plausibilitätsprüfung statt.

 

Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielter Kaufpreis spiegelt wiederum ganz im Sinne des § 9 Abs. 1, 2 BewG den tatsächlichen Verkehrswert wider. Dies führt in der Praxis zu einer grundsätzlich erhöhten Beweiskraft eines zeitnah erzielten Kaufpreises im Verhältnis zum Gutachten. Unter zeitnah wird dabei ein Zeitraum von einem Jahr vor oder nach dem Bewertungsstichtag verstanden.


Aktuelle Rechtsprechung

Hinzu kommt, dass diese Jahresfrist keinen starren Zeitraum darstellt, außerhalb dessen erzielte Kaufpreise unberücksichtigt bleiben. Betrachtet man hierzu die jüngste Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg (Az. 3 K 3247/18) aus dem vergangenen Jahr, zeigt sich, dass auch Erwerbsvorgänge von 18 Monaten bis hin zu 3 Jahren (BFH II R 55/01 vom 02.07.2004) nach dem Bewertungsstichtag die Beweiskraft eines eigens beigebrachten Gutachtens erschüttern können.

 

Entscheidend ist, dass die Indizwirkung eines frei ausgehandelten Kaufpreises zum Bewertungsstichtag mit zunehmendem Abstand von diesem abnimmt. Bleiben aber die wertbildenden Faktoren der Grundstücke seitdem weitestgehend unverändert und besteht eine erhebliche Abweichung des ausgewiesenen Wertes des Verkehrswertgutachtens vom Kaufpreis außerhalb einer üblichen Marktspanne, so können hinreichend Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens entstehen. Das zitierte Urteil des FG Berlin-Brandenburg ist jedoch kritisch zu betrachten, da der dortige Begriff der wertbildenden Faktoren die rasant steigenden Immobilienpreise nicht unmittelbar berücksichtigt. Vielmehr handelt es sich aufgrund der vorgetragenen Tatsachen um eine korrigierende Einzelfallentscheidung.


Fazit und Handlungsempfehlung

Im Ergebnis ist ein Verkehrswertgutachten nach wie vor grundsätzlich geeignet, den Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Grundbesitzwert zu führen! Man sollte aber stets im Auge behalten, ob um den Bewertungsstichtag relevante Veräußerungsvorgänge stattgefunden haben. Liegt eine zeitnahe Veräußerung  des zu bewertenden Grundstücks innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag an einen fremden Dritten vor, sollte die Erstellung eines Gutachtens allein zum Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts insbesondere im Hinblick auf die anfallenden Kosten nochmals überdacht werden, da dem zeitnahen Verkauf i.d.R. der höhere Beweiswert zugemessen werden wird.

 

Veräußerungen außerhalb des Ein-Jahreszeitraums können zwar ebenso berücksichtigt werden. Den genannten Entscheidungen liegen aber „atypische Sachverhalte” zugrunde, die nicht verallgemeinerungsfähig sind. Vielmehr zeigen die Urteile, dass nicht jedes Verkehrswertgutachten automatisch einen Garant für einen bestimmten Verkehrswert darstellt und sich die Gerichte Korrekturmöglichkeiten offenhalten. Orientiert sich der im Gutachten ausgewiesene Wert in einer üblichen Marktspanne um den Kaufpreis herum, besteht dahingehend aber ein geringeres Risiko. Letztendlich werden durch die Ausdehnung des Berücksichtigungszeitraumes Chancen in der Abwehrberatung eröffnet, aber auch Risiken aufgezeigt, die es im Blick zu behalten gilt.

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Andreas Summerer

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