Erst- und Folgebilanzierung von Joint Ventures im Rahmen von M&A-Transaktionen

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veröffentlicht am 17. Mai 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses ergibt sich die Notwendigkeit der Durchführung einer Kaufpreisallokation für die Erstbilanzierung im IFRS Konzernabschluss. Neben der Erstbilanzierung kann jedoch insbesondere auch die Folgebilanzierung zu Schwierigkeiten führen, sofern Anteile an einem Joint Venture miterworben werden. In diesem Fall ist es erforderlich für die Folgebilanzierung eine außerbilanzielle Kaufpreisallokation für die Vermögenswerte des Joint Ventures durchzuführen, deren Notwendigkeit frühzeitig erkannt werden muss.

Notwendigkeit und Ziel einer Kaufpreisallokation

Nach erfolgreicher Durchführung einer M&A-Akquisition ist für die Aufstellung des Konzernabschlusses nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS)* eine sogenannte Kaufpreisallokation („Purchase Price Allocation”, kurz auch „PPA”) für den Unternehmenszusammenschluss nach dem Standard IFRS 3 durchzuführen.

Das Ziel einer PPA ist es, etwaige Differenzen zwischen den Buchwerten des Erwerbsobjekts und dem gezahlten Kaufpreis zu allokieren. Danach sind die erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und übernommene Schulden zu ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt zu bewerten [IFRS 3.18]. Dies beinhaltet sowohl bereits bilanzierte als auch noch nicht bilanzierte Vermögenswerte. Neben der Neubewertung von Grundstücken und Gebäuden oder Maschinen und Büroausstattungen im Sachanlagevermögen gehört die Neubewertung von Marken, Kundenbeziehungen und Technologien zu den häufigsten immateriellen Vermögenswerten, die im Rahmen von PPAs neu bewertet und meist erstmalig im Rahmen der Erstbilanzierung beim Erwerber aufgedeckt werden.

Eine PPA beeinflusst jedoch auch direkt die künftige Ertragslage des Erwerbers. Denn die Aufdeckung stiller Reserven bei erworbenen materiellen und immateriellen Vermögenswerten erhöht entsprechend die Abschreibungsbasis, wodurch in den Folgeperioden ein niedrigeres Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) resultiert.
 

Gemeinschaftliche Vereinbarungen: Joint Venture oder Joint Operation?

Weist das Erwerbsobjekt eine gemeinschaftliche Aktivität mit einem Partner auf, so ist nach IFRS zu prüfen, inwiefern diese bilanziell zu behandeln ist. Dabei wird unterschieden, ob es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) oder um eine gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operation) handelt. Ein Gemeinschaftsunternehmen ist gemäß IFRS 11.16 eine gemeinsame Vereinbarung, bei der die Parteien, die gemeinschaftlich Führung über die Vereinbarung ausüben, Rechte am Nettovermögen der Vereinbarung besitzen. Die Klassifizierung einer gemeinsamen Vereinbarung als gemeinschaftliche Tätigkeit oder Gemeinschaftsunternehmen hängt von den Rechten und Pflichten der Parteien der Vereinbarung ab [IFRS 11.14]. Das Merkmal der gemeinschaftlichen Kontrolle grenzt ein Gemeinschaftsunternehmen von einem Tochterunternehmen ab.


Besteht eine gemeinschaftliche Tätigkeit, so ist die bilanzielle Abbildung mit einer Quotenkonsolidierung vergleichbar. Ist ein Unternehmen indes als Gemeinschaftsunternehmen einzustufen, so setzen die Parteien ihre Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen als Beteiligung in einem gesonderten Posten innerhalb der Finanzanlagen an und bilanzieren diese Beteiligung zwingend unter Verwendung der Equity-Methode gemäß IAS 28.

 

Erstbilanzierung eines Joint Ventures

Wird im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses gemäß IFRS 3 ein Unternehmen erworben, das Anteile an einem Joint Venture ausweist, wird der Fair Value des Joint Venture anhand einer Discounted-Cashflow-Bewertung ermittelt. Der Fair Value wird dann mit der entsprechenden Anteilsquote im Rahmen der PPA angesetzt sowie etwaige stille Reserven oder Lasten aufgedeckt. Für Zwecke der Erstbilanzierung sind damit die Arbeiten im Rahmen der PPA abgeschlossen. Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Folgebilanzierung des bilanzier-ten Joint Venture.

 

Folgebilanzierung eines Joint Venture und daraus entstehende Notwendigkeit einer Schatten-PPA

Im Rahmen der Folgebilanzierung der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen unter Verwendung der Equity-Methode ist der Equity-Buchwert in jeder Folgeperiode um die auf den Investor entfallenden Nettovermögensänderungen der Beteiligungsgesellschaft fortzuschreiben. Die Besonderheit dabei ist, dass alle dahinterliegenden Vorgänge nicht dezidiert im Konzernabschluss des Erwerbers ersichtlich sind, daher spricht man bei Positionen, die nach der Equity-Methode nach IAS 28 bilanziert werden, auch von sogenannten „one-line-consolidation items”.

 

Die Nettovermögensänderungen können nach IAS 28.10 folgende Sachverhalte beinhalten:

  • Erhöhung/Reduzierung um den anteiligen Gewinn/Verlust
  • Reduzierung um vom Joint Venture erhaltene Gewinnausschüttungen
  • Eigenkapitalveränderungen, die auf Ebene des Joint Venture GuV-neutral erfasst wurden (z.B. Bildung/Auflösung latenter Steuern)
  • Abschreibung der erfassten stillen Reserven und Lasten des Joint Venture

 

Die Schwierigkeit der Folgebilanzierung ergibt sich aus dem zuletzt genannten Punkt der Erfassung von Abschreibungen der beim Joint Venture erfassten stillen Reserven und Lasten. Denn daraus ergibt sich die Notwendigkeit, neben der Durchführung der eigentlichen PPA zur Erstbilanzierung zusätzlich eine sogenannte „Schatten-PPA” für die anteilig erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und übernommene Schulden des Joint Ventures durchzuführen.


Dies wird daher als „Schatten-PPA” bezeichnet, da die neu bewerteten Vermögenswerte und Schulden sowie etwaige stille Reserven und Lasten weder im Konzernabschluss des Erwerbers, des Joint-Venture-Partners noch beim Joint Venture selbst direkt in der Bilanz aktiviert werden, sondern lediglich in einer außerbilanziellen Nebenrechnung. Einziger Zweck ist die Ableitung der Abschreibungseffekte aus den anteilig erworbenen Vermögenswerten und Schulden für die Bilanzierung des Joint Venture nach der Equity-Methode nach IAS 28 im Konzernabschluss des Erwerbers.


Ein in der Nebenrechnung etwaig stehender Geschäfts- oder Firmenwert darf gemäß IAS 28.32(a) weder planmäßig abgeschrieben noch kann er isoliert einem Werthaltigkeitstest nach IAS 36 unterzogen werden. Grund hierfür ist, dass der Goodwill im Rahmen der Equity-Bilanzierung nicht separat ausgewiesen wird, sondern integraler Bestandteil des Beteiligungsbuchwerts ist. Vor diesem Hintergrund wird der Goodwill bei Vorliegen objektiver Hinweise nur implizit auf Wertminderung getestet, indem der Equity-Beteiligungsbuchwert einem Wertminderungstest unterzogen wird [IAS 28.42]. Nach Anwendung der Equity-Methode muss überprüft werden, ob objektive Hinweise auf eine Wertminderung der Nettoinvestition in das Gemeinschaftsunternehmen vorliegen [IAS 28.40].

 

Fazit

Die Behandlung von Joint Ventures im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen und die Notwendigkeit einer Schatten-PPA stellen eine Besonderheit der Bilanzierung dar, da die ermittelten Fair Values faktisch in keinem Abschluss auftauchen, sondern lediglich indirekt deren Folgebilanzierungseffekte. Wird die Notwendigkeit einer Schatten-PPA nicht von vorneherein im Rahmen der Transaktion oder vom Ersteller der PPA zur Erstbilanzierung erkannt, so kann dies im Rahmen der Aufstellung des Konzernabschlusses zum Jahresende zu einem erheblichen Stolperstein werden.

 

* Dies gilt auch für US-GAAP und HGB. Im vorliegenden Artikel wird ausschließlich auf die Vorgehens-weise nach IFRS eingegangen.


Folgendes Beispiel zur Illustration:

 

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