Änderung in Frankreich: Gesellschaftervereinbarungen für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft

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veröffentlicht am 21. Juni 2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 

Die Laufzeit von Gesellschaftervereinbarungen ist entscheidend für die Stabilität der Beziehungen zwischen den Gesellschaftern eines Joint Venture und damit für den Erfolg von M&A-Transaktionen. Das französische Recht ist jedoch traditionell misstrauisch gegenüber sehr lange dauernden Verträgen, die von den Gerichten als „Dauerverbindlichkeiten” betrachtet und in unbefristete Verträge umqualifiziert werden können, was jeder Partei die Möglichkeit gibt, sie jederzeit zu kündigen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie lange eine französische Gesellschaftervereinbarung gültig sein kann. Eine bemerkenswerte Entscheidung des französischen Cour de cassation hat diese Frage in ein neues Licht gerückt.

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (Cass. 1re civ., Januar 25, 2023, n° 19-25.478) hat das französische Cour de cassation eine Gesellschaftervereinbarung mit einer Laufzeit von 58 Jahren für gültig erklärt und zum ersten Mal klargestellt, dass das Verbot von Dauerverbindlichkeitenen (ein traditioneller Grundsatz der französischen Rechtsprechung, der 2016 in Artikel 1210 des französischen Zivilgesetzbuchs kodifiziert wurde) die Parteien nicht daran hindert, eine Gesellschaftervereinbarung für die ganze Dauer des Bestehens der Gesellschaft zu schließen. Dies gilt selbst dann, wenn diese Dauer bedeutet, dass die betreffenden Personen bis ins hohe Alter (in diesem Fall zwischen 79 und 96 Jahren) verpflichtet bleiben.

 

Bislang war die Laufzeit von Gesellschaftervereinbarungen in Frankreich in der Regel auf 10 oder 15 Jahre begrenzt (selten über 25 Jahre). Nach der französischen Rechtsprechung wird ein Vertrag, dessen Laufzeit als übermäßig” angesehen wird, einer verbotenen Dauerverbindlichkeit gleichgestellt und in einen Vertrag auf unbestimmte Zeit umqualifiziert, was bedeutet, dass er von beiden Parteien jederzeit gekündigt werden kann. Da die Beurteilung des Begriffs übermäßig von Fall zu Fall erfolgt, ist es sehr schwierig, aus dieser Rechtsprechung klare Richtlinien abzuleiten. Je nach Sachverhalt wurde die Dauer von 30 Jahren für eine Genossenschaft als gültig angesehen (Cass. 1ère civ. 30. Mai 1995, n° 93-11.837), während, auch für eine Genossenschaft, eine Dauer von 36 Jahren sanktioniert wurde (Cass. 1ère civ. 18. Januar 2000, n° 98-10.278). Es gibt nur ein einziges Urteil des Pariser Berufungsgerichts, in dem eine Gesellschaftervereinbarung für die Dauer der Gesellschaft als gültig eingestuft wurde, aber bei diesem Fall waren die Parteien Kapitalgesellschaften und keine natürlichen Personen (CA Paris, 15. Dezember 2020, n° 20/00220).

Die Entscheidung vom Januar 2023 enthält nun einige begrüßenswerte klare Anhaltspunkte, anhand derer die Dauer einer französischen Gesellschaftervereinbarung wirksam festgelegt  werden kann:

 

    • Die Laufzeit der Gesellschaftervereinbarung muss ausdrücklich festgelegt werden. Eine Regelung, die vorsieht, dass die Gesellschaftervereinbarung so lange gilt, wie die Parteien Gesellschafter der Gesellschaft sind, wird von den französischen Gerichten nicht als hinreichend definierte Laufzeit angesehen.
  • Die Laufzeit kann für die verbleibende Dauer des Bestehens der Gesellschaft festgelegt werden. 
  • Ist eine automatische Verlängerung der Gesellschaftervereinbarung für den Fall vorgesehen, dass die Gesellschafter beschließen, die Dauer der Gesellschaft selbst zu verlängern, müssen die Parteien das Recht haben, der automatischen Verlängerung der Gesellschaftervereinbarung zu widersprechen.

 

Einige Fragen bleiben jedoch auch nach der Entscheidung vom Januar 2023 offen:

 

  • Kann die Laufzeit einer Gesellschaftervereinbarung unabhängig von der tatsächlichen verbleibenden Dauer der Gesellschaft auf jeden Zeitpunkt bis zu der in Artikel 1838 des französischen Zivilgesetzbuchs festgelegten theoretischen Höchstdauer von 99 Jahren festgelegt werden?
    Solange das Cour de cassation keine eindeutigen Hinweise in dieser Hinsicht gegeben hat und in Anbetracht der möglichen Folgen einer Umqualifizierung, empfehlen wir, diesen Weg zu vermeiden. Falls die verbleibende Dauer des Bestehens der Gesellschaft als nicht ausreichend angesehen wird, wäre es ratsam, die Dauer der Gesellschaft vor dem Abschluss der Gesellschaftervereinbarung zu verlängern.
  • Besteht ein Risiko, dass die Gerichte das Verbot einer Dauerverbindlichkeit unter bestimmten Umständen weiterhin auf Gesellschaftervereinbarungen anwenden?
    Besondere Aufmerksamkeit ist in den Fällen geboten, in denen französische Gerichte schon immer geneigt waren, Verträge mit langer Laufzeit als Dauerverbindlichkeiten zu qualifizieren (insbesondere, wenn die Parteien natürliche Personen sind):
  1.  der Gegenstand der Gesellschaftervereinbarung betrifft die berufliche Tätigkeit einer Partei oder mehrerer Parteien; und/oder
  2. die Gesellschaftervereinbarung sieht keine Ausstiegsrechte für die Parteien vor (und erst recht nicht, wenn sie andererseits die üblichen Vorkaufs- und Zustimmungsrechte enthält).

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