Das Auskunftsrecht des Gesellschafters – Gesellschaftsrechtliche und datenschutzrechtliche Aspekte nach aktueller BGH-Rechtsprechung

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 13. August 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

​Welche Auskünfte ein Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann, insbesondere in Publikumspersonengesellschaften und bei Treuhandkonstruktionen, ist eine häufig gestellte Frage im Gesellschaftsrecht. Trotz wiederkehrender Versuche, den Informationsfluss durch Datenschutz oder Missbrauchsargumente zu beschränken, hat sich eine klare Linie zugunsten umfassender Auskunftsansprüche herausgebildet – selbst bei wirtschaftlich motivierten Anfragen oder Beteiligungen über Treuhandkonstrukte. Die jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere der Beschluss vom 22. Januar 2025 (II ZB 18/23) und der Beschluss vom 24. Oktober 2023 (II ZB 3/23), haben die Reichweite und die Grenzen des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) weiter präzisiert. 


Mit dem Boom geschlossener Fonds und Publikumsgesellschaften ist das Bedürfnis nach Transparenz und Information unter Gesellschaftern enorm gestiegen. Während klassische Personengesellschaften von enger persönlicher Beziehung und gegenseitiger Kenntnis geprägt waren, sind moderne KGs – etwa als Immobilien- oder Medienfonds – oft anonymisiert und arbeitsteilig strukturiert. Viele Anleger treten nur mittelbar über einen Treuhandkommanditisten bei. Gerade hier droht Informationsverlust: Wer sind meine Mitgesellschafter? Wie kann ich Einfluss nehmen, kontrollieren oder mich mit anderen organisieren?

Das Auskunftsrecht des Gesellschafters wurde zum Schlüsselinstrument für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe.


Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Im Grunde begann mit der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 11.01.2011 (II ZR 187/09) eine kontinuierliche Stärkung des Auskunftsanspruchs. Damals urteilte der BGH, dass selbst mittelbare Gesellschafter, die ihre Beteiligung treuhänderisch halten, ein Recht auf Information über die Namen und Anschriften ihrer Mitgesellschafter haben, wenn sie im Innenverhältnis einem unmittelbaren Gesellschafter gleichgestellt sind. 

Mit dem BGH-Urteil vom 05.02.2013 (II ZR 134/11) wurde fortgeschrieben, dass auch Treugebern ein Anspruch auf Auskunft über die Identität sämtlicher Anleger der Publikumsgesellschaft zusteht – wenn der Gesellschafts- und Treuhandvertrag eine Gleichstellung im Innenverhältnis vorsieht. Der BGH stellt klar, dass das Auskunftsrecht weder durch den Gesellschafts- noch durch Treuhandvertrag wirksam ausgeschlossen werden kann. Und: Ein berechtigtes Anonymitätsinteresse besteht auch im Kapitalgesellschaftsrecht nicht; denn die Kenntnis der Mitgesellschafter über die Identität der anderen Gesellschafter oder Treuhänder ist essenziell notwendig für die Kontrolle und Willensbildung innerhalb der Gesellschaft. 

Mit Beschluss vom 16.12.2014 (II ZR 277/13) sowie vom 22.02.2016 (II ZR 48/15) bestätigte der BGH diese Linie und geht sogar noch weiter:  Selbst explizite Anonymitätsklauseln in Verträgen oder ausdrückliche Widersprüche einzelner Gesellschafter sollen demnach unwirksam bleiben. Dem Auskunftsrecht des Gesellschafters steht kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der Mitgesellschafter bzw. Mittreugeber gegenüber.

Auskunftsrecht und Datenschutz: Scheinbarer Widerspruch?

Mit dem Wirksamwerden der DS-GVO intensivierte sich der Streit um die Vereinbarkeit von Auskunftsansprüchen mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Häufig wurde argumentiert, die Übermittlung von Namen und Anschriften stelle einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.

Der BGH sieht das anders. Er stellt klar: Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung des Gesellschaftsvertrags ist zulässig. Das gilt zum Beispiel für die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten. Rechtsgrundlage ist Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO.

Auch der Europäische Gerichtshof hat dies am 12. September 2024 (verbundene Rechtssachen C-17/22 und C-18/22) entschieden. Der EuGH nimmt dabei jedoch eine differenzierte Abwägung vor: Für gesellschaftsrechtlich notwendige Datenübermittlungen kommt neben Art. 6 Abs. 1 lit. b auch Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO – also das berechtigte Interesse – in Betracht. Allerdings legt der EuGH strenge Maßstäbe an.

Zunächst muss ein berechtigtes Interesse konkret und nachvollziehbar dargelegt werden, etwa im Rahmen der Willensbildung innerhalb der Gesellschaft. Sodann ist zu prüfen, ob die Verarbeitung tatsächlich erforderlich ist. Dabei reicht es nicht aus, dass sie lediglich nützlich ist – sie muss objektiv unerlässlich sein. Gibt es ein milderes, gleich wirksames Mittel (zum Beispiel eine Weitergabe über eine Treuhandstelle), ist dieses vorrangig zu wählen. Schließlich ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu klären, ob die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Gesellschafter dem entgegenstehen. Darüber hinaus betont der EuGH, dass die betroffenen Personen transparent über die Verarbeitung informiert werden müssen; fehlt es daran, scheidet die Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO aus.

Wirtschaftliche Motive: Missbrauch des Auskunftsrechts?

Immer wieder wird versucht, den Auskunftsanspruch mit dem Argument des Rechtsmissbrauchs einzuschränken – vor allem dann, wenn Anfragen erkennbar dem Zweck dienen, Mitgesellschaftern Kaufangebote für ihre Anteile zu machen. Dies sei unlauter, störe den Gesellschaftsfrieden und diene nicht der eigentlichen gesellschaftlichen Kontrolle.

Die Rechtsprechung bleibt hier jedoch erstaunlich konsequent: Auch ein ausschließlich oder überwiegend wirtschaftlich motiviertes Auskunftsersuchen – etwa um Anteile aufzukaufen – ist kein Missbrauch des Rechts und kein Verstoß gegen Treu und Glauben (OLG München, Urteil vom 16.01.2019, 7 U 342/18; BGH, Beschluss vom 24.10.2023 und 22.01.2025, II ZB 3/23, II ZB 18/23). 

Die aktuelle Lage – Konturen und Grenzen

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich. Es folgt als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem. Mit der Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) und der Neufassung des § 166 HGB hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung sogar ausdrücklich übernommen und die Unabdingbarkeit des Auskunftsrechts normiert.​

Fazit und Ausblick

Die Entwicklung der Rechtsprechung ist aus der Sicht von Anlegerschutz, Transparenz und gesellschaftlicher Teilhabe zu begrüßen. Insbesondere schützt sie Minderheitsgesellschafter vor faktischer Isolierung und ermöglicht ihnen die Durchsetzung von Rechten – sei es Kontrolle, Willensbildung oder Zusammenschluss zu Interessengruppen. Gerade in Publikumsgesellschaften mit Tausenden von Anlegern verhindert das Auskunftsrecht, dass die Verwaltung oder Treuhänder eine „Black Box“ schaffen. Besonders positiv: Die Rechtsprechung schiebt dem Missbrauch von Anonymitätsklauseln und „Datenschutz-Vorwänden“ einen Riegel vor und stärkt damit die Position der Gesellschafter.

Es gibt jedoch auch berechtigte Kritik. Zum einen kann die Weite des Auskunftsanspruchs zu Belästigungen und „Cold-Calling“ durch professionelle Aufkäufer führen. Des Weiteren bleibt der Rechtsschutz des Einzelnen in sensiblen Fällen – etwa bei Minderjährigen, Schutzbedürftigen oder aus gesellschaftlich relevanten Gründen – schwach ausgeprägt. Völlig ungeklärt bleibt, wie mit gezieltem Missbrauch, etwa durch gezielte Schikanen, zu verfahren ist. Auch datenschutzrechtliche Neuregelungen auf europäischer Ebene könnten in Zukunft zu einer Neubewertung führen. Denkbar ist auch eine stärkere differenzierte Betrachtung besonders schutzbedürftiger Gesellschafter. Die Möglichkeit, Auskunftsersuchen zu „monitoren“ oder gezielte Belästigung zu sanktionieren, wird in der Praxis kaum genutzt.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Katrin Mikschl

Rechtsanwältin

Manager

+49 911 9193 1719

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Johannes Marco Holz, LL.M.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Datenschutzbeauftragter (GDDcert.EU), Master of Laws Rechtsinformatik (Universität Passau)

Partner

+49 911 9193 1511

Anfrage senden

Profil

Experten erklären

 

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu