Die Minderheitsbeteiligung am Wettbewerber als Kartellrechtsrisiko

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​​​​​​​​veröffentlicht am 13. August 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern haben vielfältige, meist völlig legitime Gründe. Aktuelle Verfahren der internationalen Kartellbehörden veranschaulichen aber, dass sie mit erheblichen kartellrechtlichen Risiken verbunden sind und sogar zu hohen Bußgeldern führen können, zuletzt der EU-Kommission gegen Deilivery Hero und Glovo in Höhe von EUR 329 Mio. Das Risiko kann jedes Unternehmen betreffen, das sich an einem potenziellen Wettbewerber beteiligt, einschließlich Private Equity-Gesellschaften und institutionelle Investoren, und unabhängig davon, ob es um ein klassisches Industrieunternehmen, einen aufstrebenden Newcomer oder ein Start-up geht. 


EU-Kommission: Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero​

Die EU-Kommission verhängte in einer Entscheidung vom 2. Juni 2025 hohe Geldbußen gegen Delivery Hero und Glovo wegen eines mehrjährigen Kartellrechtsverstoßes im Bereich der Online-Essenslieferung (AT.40795). 

Delivery Hero erwarb im Jahr 2018 eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 15 %, die sie bis Ende 2021 auf 37,4 % erhöhte. Mitte 2022 übernahm Delivery Hero schließlich die alleinige Kontrolle über Glovo. Die EU-Kommission warf Delivery Hero und Glovo vor, dass die Minderheitsbeteiligung und die daraus resultierende Gesellschafterstellung über mehrere Jahre eine Plattform für die Koordinierung ihres Wettbewerbsverhaltens boten. 

In den Entscheidungsgründen​ stellt die die EU-Kommission klar, dass eine Minderheitsbeteiligung an einem Wettbewerber für sich genommen nicht gegen das EU-Kartellrecht verstößt. Sie stellte aber dennoch einen klaren Zusammenhang zwischen der Minderheitsbeteiligung und den begangenen Kartellrechtsverstößen her. Die Minderheitsbeteiligung ermöglichte den Unternehmen die kartellrechtswidrigen Abstimmungen auf verschiedenen Ebenen. Die EU-Kommission stellte dabei im Wesentlichen auf folgende Verhaltensweisen ab:

Wettbewerbsbeschränkende vertragliche Regelungen (z.B. „no-hire“)

Das mit der Minderheitsbeteiligung abgeschlossene Shareholder Agreement enthielt u.a. eine „no-hire clause“. Diese Regelung untersagte beiden Unternehmen, Mitarbeiter des jeweils anderen Unternehmens einzustellen. Die EU-Kommission stellte klar, dass derartige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen (wie auch Abwerbeverbote oder „no-poach agreements“) unzulässig sind, auch im Falle einer Minderheitsbeteiligung.

Minderheitsgesellschafter mit Einflussrechten und Vorstandsposten

Die Minderheitsbeteiligung vermittelte Delivery Hero eine Position im „Board of Directors“ von Glovo sowie bestimmte Rechte, mit denen Delivery Hero Entscheidungsprozesse und damit die Geschäftsstrategie bei Glovo beeinflussen bzw. mit der eigenen Strategie abstimmen konnten. Die EU-Kommission stellte u.a. darauf ab, dass Unterlagen mit strategisch relevanten Informationen aus den Vorstandssitzungen bei Glovo durch das teilnehmende Delivery Hero-Vorstandsmitglied an das Delivery Hero-Management weitergeleitet wurden. Daneben hat Delivery Hero seine Stellung als Minderheitsaktionär genutzt, um Einfluss auf das geographische Tätigkeitsgebiet von Glovo im EWR zu nehmen. Daraus resultierte letztlich eine unzulässige Marktaufteilung zwischen den Unternehmen.

Verbindungen auf verschiedenen Unternehmensebenen und Informationsaustausch

Die Minderheitsbeteiligung schuf Verbindungen zwischen Mitarbeitern verschiedener Ebenen und Funktionen der beiden Unternehmen. Diese Verbindungen wurden (auch) auf hoher Ebene beider Unternehmen unterstützt und verstärkt, wie aus zahlreichen Nachrichten, Anrufen und anderen Verständigungen zwischen den Führungskräften der Unternehmen hervorgeht. Daraus resultierte ein Austausch oder eine einseitige Offenlegung von Informationen, die wichtige Wettbewerbsparameter betrafen, u.a. zu aktuellen und künftigen Preisen, Produktionskapazitäten, Geschäftsstrategien, Kostenstrukturen und -elementen sowie Prognosen zum künftigen Absatz. 

Die EU-Kommission stellt in ihrer Entscheidung klar, dass sie das Konzernprivileg auf nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen für nicht anwendbar hält. Auch der Schutz der Minderheitsbeteiligung rechtfertige die wettbewerbsbeschränkenden Einstellungsverbote, Marktaufteilungen und Informationsaustausche nicht.

Bundeskartellamt: Minderheitsbeteiligung der Deutschen Post​

Fast zeitgleich hat das Bundeskartellamt ein Verwaltungsverfahren gegen die Deutsche Post und die Max-Ventures-Gruppe beendet. Dabei ging es um einen Dienstleister im Bereich Briefkonsolidierung (die Compador Dienstleistungs GmbH). An dieser waren die Max-Ventures mit 74 % und die Deutsche Post mit 26 % beteiligt. Im Zuge dieser Beteiligung gab es weitere vertragliche Vereinbarungen zwischen der Deutschen Post und der Max-Ventures.

Da beide Unternehmensgruppen im Marktsegment der Compador tätig waren, hat das Bundeskartellamt wettbewerbliche Bedenken geäußert. Der mögliche Wettbewerbsimpuls durch die Compador auf die marktbeherrschende Deutsche Post werde „naturgemäß stark gedämpft, solange die Deutsche Post AG mit ihrem wichtigsten Wettbewerber Max-Ventures verflochten ist.“

Nachdem die Deutsche Post ihre Anteile an die Max-Ventures-Gruppe abgegebenen hatte und die begleitenden Vereinbarungen aufgelöst wurden, stellte das Bundeskartellamt das Verfahren ein. Die Auflösung der Verflechtung sei die richtige Maßnahme, um den Wettbewerb offen zu halten.

Bereits in den Sektoruntersuchungen Walzasphalt​ (2012) sowie Zement und Transportbeton​ (2017) hatte sich das Bundeskartellamt kritisch zu Verflechtungen von Wettbewerbern speziell im Zusammenhang mit Gemeinschaftsunternehmen geäußert. Das Bundeskartellamt vermutete hier jedenfalls dann wettbewerbsbeschränkende Wirkungen, wenn mindestens zwei Gesellschafter und das Gemeinschaftsunternehmen selbst auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind.

USA: State of Texas vs. Black Rock et al. 

Auch in den USA wird mit State of Texas vs. Black Rock​ et al. ein öffentlichkeitswirksamer Fall mit Bezug zu Kartellrechtsverstößen im Zusammenhang mit Minderheitsbeteiligungen diskutiert. Hier lautet der Vorwurf, dass drei große Investmentgesellschaften jeweils ihre Minderheitsbeteiligungen an konkurrierenden Unternehmen nutzten, um Wettbewerbsbeschränkungen durchzusetzen, etwa indem sie bei ihren Beteiligungsgesellschaften auf eine Drosselung der Produktion hinwirkten. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, zeigt aber, dass das Thema gerade auch für Investmentgesellschaften, Asset Manager und Private Equity-Gesellschaften mit mehreren Minderheitsbeteiligungen in einem Marktsegment besonders relevant sein kann.

Folgen für die Unternehmenspraxis

Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern sind nicht per se unzulässig. Das Bußgeld der EU-Kommission gegen Delivery Hero verdeutlicht aber, dass das Eingehen einer Minderheitsbeteiligung bei einem – aktuellen oder potenziellen – Wettbewerber mit erheblichen kartellrechtlichen Risiken verbunden ist. Betroffene Unternehmen sollten insbesondere folgende Aspekte beachten:

  1. ​Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern wie auch Gemeinschaftsunternehmen mit Wettbewerbern müssen stets nicht nur fusionskontrollrechtlich, sondern auch nach dem Maßstab des Kartellverbots geprüft, gestaltet und überwacht werden. Das gilt sowohl für bestehende als auch für künftige Beteiligungen. 
  2. Minderheitsbeteiligungen rechtfertigen für sich genommen keine wettbewerbsbeschränkenden Koordinierungen zwischen Wettbewerbern. Es ist anzunehmen, dass die internationalen Kartellbehörden künftig verstärkt Minderheitsbeteiligungen und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb unter die Lupe nehmen.
  3. Bei der Prüfung und Überwachung von Beteiligungen an Wettbewerbern ist insbesondere auf folgende Aspekte zu achten:
      • ​​Insbesondere muss geprüft werden, welche Informationen fließen und inwieweit dieser Informationsfluss zur Minimierung kartellrechtlicher Risiken eingeschränkt werden muss. Dies betrifft potenziell sowohl die gesetzlichen Informationsrechte des Minderheitsgesellschafters als auch Informationen die ein Vorstandsmitglied erhält sowie formelle und informelle Verständigungen auf allen Arbeitsebenen.
      • Es muss hinterfragt werden, welche Einflussnahmemöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters auf strategische und wettbewerblich relevante Entscheidungen des Wettbewerbers rechtlich und faktisch vorliegen. Ggf. sind Vorkehrungen zu treffen, um Verhaltenskoordinierungen zu verhindern.
      • Bei personellen Verflechtungen sind Vorsichtsmaßnahmen angezeigt. Die Besetzung von Posten darf nicht zu einem unzulässigen Austausch wettbewerblich sensibler Informationen und einer Koordinierung des Marktverhaltens führen.

​4. Arbeitsmärkte bleiben im Fokus der Kartellbehörden: Abwerbeverbote oder dergleichen sollten auch bei Minderheitsbeteiligungen nicht vereinbart werden. Die EU-Kommission verdeutlicht mit ihrer Entscheidung noch einmal, wie entschlossen die Kartellbehörden gegen Abwerbeverbote und Einstellungsverbote zwischen Unternehmen (no poach bzw. no hire) vorgehen. Diesen Aspekt müssen Unternehmen unabhängig von Minderheitsbeteiligungen unbedingt in ihre kartellrechtliche Compliance aufnehmen.

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