Transaktionssicherheit ohne Verkäufergarantien: M&A-Transaktionen mit synthetischer W&I-Versicherung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 13. August 2025 | Lesedauer ca. 4​​​​​​ Minuten

 

​Synthetische W&I-Versicherungen sind ein fester Bestandteil des heutigen M&A-Markts – insbesondere bei Transaktionen, in denen der Verkäufer keine oder nur eingeschränkte Garantien abgeben kann oder möchte. Sie bietet Käufern einen eigenständigen, versicherungsbasierten Schutz gegen wirtschaftliche Risiken und eröffnet neue Gestaltungsspielräume in komplexen M&A-Strukturen. 


Der Absicherung von Transaktionsrisiken kommt im M&A-Prozess entscheidende Bedeutung zu. Zeugnis dessen sind die umfangreichen Garantiekataloge in Unternehmenskaufverträgen, in welchen die Risikoverteilung zwischen den Parteien intensiv verhandelt wird und an deren konkreter Ausgestaltung nicht selten Transaktionen scheitern können. Der Markt reagierte mit dem Einsatz von Gewährleistungsversicherungen, was eine Verlagerung der Risiken vom Verkäufer auf die Versicherer ermöglicht. Diese klassische Form der Warranty & Indemnity (W&I) Versicherung bezieht sich auf den zwischen Käufer und Verkäufer ausgehandelten Garantiekatalog und sichert den Verkäufer für den Fall ab, dass sich eine gegebene Garantie im Nachgang als falsch herausstellt. Die Versicherung kann dann unter Umständen den Verkäufer wegen etwaiger falscher Angaben in Anspruch nehmen. 

Die synthetische W&I-Versicherung geht einen Schritt weiter: Sie bietet Versicherungsschutz für bestimmte, standardisierte Garantien, ohne dass diese vom Verkäufer im Unternehmenskaufvertrag abgegeben werden müssen. Der Versicherer „synthetisiert“ die Garantien und macht sie unabhängig vom tatsächlichen Inhalt des Unternehmenskaufvertrags versicherbar. Dies bedeutet, handelt es sich um einen vollständig synthetischen Garantiekatalog wird dieser rein bilateral zwischen dem Käufer und der W&I Versicherung verhandelt.  

Typische Anwendungsbereiche 

Die synthetische Struktur eignet sich vor allem in Situationen, in denen eine klassische Garantieabgabe des Verkäufers aus rechtlichen, taktischen oder praktischen Gründen nicht möglich oder nur eingeschränkt durchsetzbar ist. Typische Konstellationen sind: 

  • ​Verkauf aus der Insolvenz: Bei einem sog. Distressed Deal, der üblicherweise als Asset Deal ausgestaltet ist, können durch die insolvente Gesellschaft oft keine oder nur sehr eingeschränkte Garantien abgegeben werden. Eine synthetische W&I Versicherung schließt diese Lücke. 
  • Sekundärverkäufe durch Finanzinvestoren: PE-Fonds oder andere Finanzinvestoren möchten ihre Haftung meist vollständig eliminieren.
  • Verkäuferkonsortium: Institutionelle Investoren sind oftmals nicht im operativen Geschäft der Zielgesellschaft eingebunden und können daher keine fundierten Garantien abgeben.
  • Bieterverfahren mit hohem Zeitdruck: Standardisierte, synthetische Garantien ermöglichen eine effiziente Abwicklung ohne aufwendige Verhandlungen mit dem Verkäufer über individuelle Garantieformulierungen

Anforderungen und Grenzen

Die synthetische W&I-Versicherung erfordert – noch mehr als klassische Versicherungspolicen – eine umfassende und dem Marktstandard entsprechende Due Diligence. Der Versicherer muss sich ein detailliertes Bild von der Zielgesellschaft machen können, da er Garantierisiken eigenständig übernimmt. Im Regelfall ist die Due Diligence des Käufers Grundlage für den Umfang und die Tiefe der Versicherungsgarantien. Je detaillierter und strukturierter die Due Diligence ausfällt, desto größer ist die Bereitschaft des Versicherers, auch komplexere Garantien zu übernehmen.

Trotz ihrer Vorteile deckt auch die synthetische W&I-Versicherung nicht alle Risiken ab. Standardmäßig werden bekannte Risiken von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen, das heißt Angelegenheiten, die dem Käufer tatsächlich bekannt sind, einschließlich der Punkte, die in den Due-Diligence-Berichten angemessen offengelegt wurden. In diesem Fall fällt die Haftung grundsätzlich auf den Verkäufer zurück. Einzelheiten dazu – vor allem der für solche Fälle vereinbarte Haftungshöchstbetrag des Verkäufers – werden üblicherweise im Unternehmenskaufvertrag geregelt. Typischerweise nicht versicherbar sind zudem Compliance-Verstöße, Verstöße gegen Sanktionen, Korruptionsrisiken, steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Verrechnungspreisthemen sowie Themen außerhalb der Due Diligence. Oftmals gewähren W&I-Versicherer jedoch die Möglichkeit, Ausschlüsse auf Basis einer separaten Due Diligence aufzuheben, beispielsweise bei Vorliegen einer Due Diligence zu Verrechnungspreisthemen. Standardmäßig werden ebenso „No Leakage“-Garantien vollständig ausgeschlossen. Vereinzelt gibt es jedoch Anbieter, die diese Garantie nicht ausschließen, was insbesondere bei einer langen Zeitspanne zwischen wirtschaftlichem Stichtag und Signing von großer Relevanz sein kann.

Des Weiteren waren bisher zukunftsgerichtete Aussagen, Schätzungen und Prognosen (sog. „forward looking guarantees“) standardmäßig von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen, wobei es nach unserer jüngsten Erfahrung auch hier im Einzelfall Anbieter gibt, die bereit sind solche künftigen Umstände zu versichern. 

Markttrend und rechtliche Einordnung

Der deutsche Versicherungsmarkt steht der synthetischen W&I-Versicherung zunehmend offen gegenüber. Internationale Anbieter drängen auf den Markt und erhöhen den Wettbewerb, was zu einer Senkung der Prämien und Ausweitung der versicherbaren Risiken geführt hat. Der Trend zeigt eine steigende Professionalisierung und Standardisierung der synthetischen W&I-Versicherungspolicen auf einem immer kompetitiver werdenden M&A-Markt. Vollständig synthetisch versicherte Garantiekataloge sind mittlerweile üblich und im Vergleich zu vergangenen Jahren keine Seltenheit mehr. 

Rechtlich handelt es sich um eine eigenständige Versicherungsleistung, obgleich mit enger Verknüpfung zum Unternehmenskaufvertrag. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies: Ein frühzeitiger und enger Abgleich zwischen dem Unternehmenskaufvertrag und der W&I-Versicherungspolice ist unverzichtbar. Abschließend sei daraufhin gewiesen, dass bei einer Sell-Side W&I Versicherung auf Schadenszahlungen regelmäßig keine Steuern anfallen. Die Versicherungskosten werden jedoch häufig über den Kaufpreis auf den Käufer umgelegt, wohingegen Schadenszahlungen aus einer Buy-Side W&I Versicherung beim Käufer in der Regel steuerpflichtig sind. 

Fazit

Die synthetische W&I-Versicherung bietet innovative Lösungen für anspruchsvolle M&A-Transaktionen – insbesondere dann, wenn klassische Garantieerklärungen durch den Verkäufer nicht zur Verfügung stehen. Sie eröffnet Käufern einen Schutz gegen wirtschaftliche Risiken und erleichtert gleichzeitig eine „clean exit“-Strategie für Verkäufer. Dies ermöglicht unter Umständen Transaktionen, die andernfalls nicht möglich gewesen wären. Für Berater und Parteien bedeutet dies: Sorgfältige Vertrags- und Strukturplanung sowie eine frühzeitige und enge Abstimmung mit dem Versicherer sind unerlässlich, um die Vorteile dieser Versicherungsform voll auszuschöpfen. 

Sollte Sie das Thema tiefer interessieren, verweisen wir gerne auf unser Webinar „Deal-Schutz durch W&I-Versicherungen: Risiken minimieren, Value sichern“​ im Rahmen des M&A Campus am 23. September 2025, in dem wir die Einzelheiten der synthetischen W&I Versicherung anhand einer Fallstudie darstellen und veranschaulichen werden.

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