Vergütungssystem des Vorstands und die Zustimmung der Hauptversammlung

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 13. August 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

​Vor allem bei börsennotierten Gesellschaften spielt das Vergütungssystem des Vorstands eine immer bedeutendere Rolle. So sind Beschlussfassungen über das Vergütungssystem des Vorstands (§ 120a AktG) und den Vergütungsbericht (§§ 120a Abs. 4, 162 AktG) ein wichtiger Bestandteil der Hauptversammlung. Es handelt sich hierbei um wichtige Gradmesser für das Vertrauen der Aktionäre in die Leitung der Gesellschaft. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Dynamiken geben und neuere Entwicklungen im Bereich der Vergütungssysteme einbeziehen.​


Grundlagen

Das Votum der Hauptversammlung über die Vergütung des Vorstands wurde in Deutschland im Jahr 2019 durch das ARUG II (Aktionärsrechterichtlinien-Umsetzungsgesetz II) eingeführt. Im angloamerikanischen Rechtskreis sind solche Beschlüsse unter dem Schlagwort „Say on Pay“ bekannt geworden. Den Aktionären wird auf diese Weise ermöglicht, ihre Zustimmung oder Ablehnung zu der vom Aufsichtsrat festgesetzten Vergütung sowie des Vergütungssystems für den Vorstand zum Ausdruck zu bringen.

Der Beschluss über das Vergütungssystem ist bei jeder wesentlichen Veränderung des Systems zu fassen, spätestens aber vier Jahre nach der letzten Beschlussfassung. Durch den Beschluss wird die Billigung des Vergütungssystems für die Zukunft ausgedrückt. Die jährliche Billigung des Vergütungsberichts hingegen bezieht sich auf die tatsächliche Vergütung für das abgelaufene Geschäftsjahr.

Ab der Einberufung und nach der Hauptversammlung ist das Vergütungssystem auf der Internetseite des börsennotierten Unternehmens zu publizieren (§ 124a AktG). Bei Änderungen des Vergütungssystems müssen auch die älteren Fassungen für die Dauer von zehn Jahren weiterhin im Internet auf der Unternehmenswebsite zur Verfügung stehen (§ 120a Abs. 2 AktG). 

Um dem steigenden Verwaltungsaufwand der Unternehmen entgegenzuwirken, gelten seit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz umfangreiche Erleichterungen bei der Publizität. Konkret können Gesellschaften nun die Unterlagen für die Beschlussfassungen auf der Website des Unternehmens zugänglich machen und sind nicht mehr verpflichtet, die Dokumente physisch auszulegen oder zum Bundesanzeiger einzureichen. Zur eindeutigen Bestimmung des Beschlussinhalts und zu Beweiszwecken kann es mitunter trotzdem ratsam sein, das Vergütungssystem in der Einberufung abzubilden oder als Anlage zur Niederschrift beizufügen.

Keine rechtlichen Auswirkungen des Hauptversammlungsbeschlusses

Nach § 120a Abs. 1 Satz 2 AktG begründet der Beschluss der Hauptversammlung weder Rechte noch Pflichten. Es handelt sich also um einen rein konsultativen Beschluss durch die Hauptversammlung (Empfehlungswirkung). Bei Ablehnung des Vergütungssystems hat der Aufsichtsrat bei der nächsten Hauptversammlung ein überprüftes Vergütungssystem vorzulegen. Daraus folgt allerdings nicht, dass dieses System den Wünschen der Aktionäre entsprechend angepasst werden müsste. Der deutsche Gesetzgeber hat der Hauptversammlung bewusst keine rechtsverbindliche Entscheidungskompetenz zugwiesen, sondern wollte die aktienrechtliche Kompetenzverteilung zwischen den Organen beibehalten. Davon zu unterscheiden ist aber die Selbstbindung des Aufsichtsrats nach § 87a AktG. Der Aufsichtsrat muss sich – unabhängig vom Beschlussergebnis der Hauptversammlung – an das vorgelegte Vergütungssystem halten.

Als strategischen Hebel für die Hauptversammlung sieht das Gesetz hingegen die Verweigerung der Entlastung (§ 120 AktG) und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern vor (§ 103 AktG). Dies ist denkbar, falls z.B. der Aufsichtsrat trotz Ablehnungsbeschlusses kein neues System vorlegt. Die Beschlüsse über das Vergütungssystem und den -bericht stellen folglich vielmehr eine Art Frühwarnsystem für die Verwaltung der AG dar, die als Reaktion auf die Ablehnung Anpassungen in der Unternehmenspolitik vornehmen kann. In der Realität würde eine Missbilligung des Vergütungssystems aufgrund der genannten möglichen Konsequenzen jedoch faktisch großen Einfluss auf die Arbeit des Aufsichtsrats nehmen. Auch leidet die öffentliche Reputation der Gesellschaft hierunter und damit gegebenenfalls auch der Aktienkurs, kann dies doch Aktionäre vom Investment in die Aktie der Gesellschaft abhalten.

Keine Beschlussanfechtung der Voten (§§ 243ff. AktG)

Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, der Beschlussfassung keine rechtsverbindliche Wirkung zukommen zu lassen folgt, dass die Beschlüsse zur Vergütung nicht angreifbar durch Beschlussmängelklagen sind (§ 120a Abs. 1 Satz 3 AktG). Das umfasst sowohl Anfechtungsklagen als auch Nichtigkeitsklagen. Es mangelt am Rechtsschutzbedürfnis, da die gefassten Beschlüsse ohnehin keine Rechtswirkungen entfalten können.

Nachhaltige Vergütungsbestandteile (ESG)

Für börsennotierte Gesellschaften ist eine nachhaltige Vorstandsvergütung verpflichtend (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG). Was unter dem Begriff der Nachhaltigkeit zu verstehen ist, hat sich in den vergangenen Jahren konkretisiert und umfasst insbesondere auch die Berücksichtigung von Umweltaspekten, sozialen Belangen und gute Unternehmensführung (kurz: ESG). 

Derartige Aspekte werden üblicherweise im Rahmen der kurzfristigen und langfristigen variablen Vergütung von Vorstandsmitgliedern verankert (STI & LTI). Bei der genauen Gewichtung und Modellierung ist der Aufsichtsrat - im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens - frei. Er sollte jedoch sicherstellen, dass die Vergütung im Einklang mit der beschlossenen und auch nach außen im Lagebericht kommunizierten (nachhaltigen) Unternehmensstrategie steht. Daneben müssen große Unternehmen das Vergütungssystem künftig (nach Umsetzung der CSRD in Deutschland) auch im Nachhaltigkeitsbericht (Lagebericht) erläutern und offenlegen.

Konkrete Handlungspflichten hatte zunächst die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) vorgesehen. Derartige Pflichten sind jedoch im Rahmen der sogenannten Omnibuspakete verworfen worden.

Fazit

Die Vergütungssysteme von Vorstandsmitgliedern sind für die Praxis ein relevantes Thema. Nicht selten entfachen sich an der Vergütung von Vorstandsmitgliedern gesellschaftliche Debatten, die auch in Hauptversammlungen zu Tage treten können. Zusätzlich nehmen auch internationale Stimmrechtsberater immer mehr Einfluss auf entsprechende Beschlussfassungen, sodass eine sorgfältige, den rechtlichen Vorgaben entsprechende Vorbereitung der Vergütungssysteme unerlässlich ist. Eine Ablehnung des Systems muss freilich nicht zwangsläufig einen inhaltlichen Mangel der Vergütungsstruktur oder gar deren Rechtswidrigkeit bedeuten. Stattdessen kann das ablehnende Votum auch ein „Denkzettel“ für das Management wegen schlechten Ergebnissen darstellen.

Kontakt

Contact Person Picture

Tobias Reiter

Rechtsanwalt

Partner

+49 89 9287 803 17

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Benjamin Weiß

Rechtsanwalt

Associate

+49 89 928780 559

Anfrage senden

Profil

Experten erklären

 

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu