EU-weite Ausbauoffensive für Fernwärme kündigt sich an - Ausbauziele für erneuerbare Energien im Wärmebereich konkretisieren sich, Tiefengeothermie ist der Hoffnungsträger

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Autoren: Benjamin Richter und Marius Dillig

 

Das Europäische Parlament hat sich mit den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich auf anspruchsvollere Ausbauziele für erneuerbare Energien geeinigt. Bis 2030 sollen im Durchschnitt rund 32 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs der Mitgliedstaaten aus erneuerbaren Quellen stammen, ein deutlicher Anstieg gegenüber den aktuellen 17 Prozent. Insbesondere übertrifft diese Zielsetzung auch die bisherigen deutschen Planungen von 30 Prozent für 2030. Im Fokus wird vor allem ein massiver Ausbau der Infrastruktur im Bereich Tiefengeothermie zur Nutzung im Fernwärme- und Fernkältebereich stehen.

 

Nach dem Beschluss zur Überarbeitung der europäischen Gebäudeeffizienzrichtlinie vom 14. Mai 2018 hat sich vergangene Woche das europäische Parlament mit den Mitgliedstaaten auf den nächsten Schritt der Umsetzung des Clean Energy for all Europeans Paketes geeinigt. Im Bereich erneuerbare Energieerzeugung wurden mit Anteil von 32 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2030 ein Kompromiss zwischen dem Zielwert von 35 Prozent des Europäischen Parlaments (EP) und den angestrebten 27 Prozent der EU-Kommission gefunden. Es besteht zusätzlich noch die Option, den Zielwert nach Prüfung im Jahre 2023 nochmals nach oben hin anzupassen. Das Weiterverfolgen des aktuellen Maßnahmenpaketes würde laut Prognosen lediglich zu einem EE-Anteil von 24,3 Prozent im Jahr 2030 führen.


Im Nachgang zu dieser politischen Einigung muss nun der Text der Rechtlinie formal vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat bestätigt werden. Sobald dies von den beiden Legislativorganen in den kommenden Monaten verabschiedet wurde, tritt die überarbeitete Richtlinie über erneuerbare Energien (bislang  2009/28/EG) in Kraft. Die Mitgliedstaaten müssen dann deren Elemente innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht überführen.

 

Im Bereich der Stromversorgung ist dieser Anteil im europäischen Durchschnitt bereits heute bei rund 30 Prozent, ein weiterer Anstieg ist durch die extremen Kostendegressionen insbesondere bei wind- und photovoltaikbasierter Erzeugung absehbar.

 

Ein Fokus der neuen Richtlinie und deren Umsetzung wird daher im Bereich Wärme- und Kälteerzeugung liegen. Heizen und Kühlen sind für rund 50 Prozent des Endenergieverbrauchs in der EU verantwortlich und bieten damit den größten Hebel für Maßnahmen der Emissionsminderung. Trotz der weltweiten Führungsrolle der EU beim Einsatz erneuerbarer Wärme ist die Durchdringung in diesem Bereich besonders niedrig und bislang auch kein Start einer dynamischen Entwicklung feststellbar. Während im Stromsektor der erneuerbare Anteil zwischen 2009 und 2015 um 8 Prozentpunkte anstieg, konnte im gleichen Zeitraum lediglich eine sehr moderate Zunahme im Bereiche Wärme- und Kälteerzeugung um rund 3 Prozentpunkte beobachtet werden.

 

In Deutschland beispielsweise erzeugten gemäß der Energiedatensammlung des BMWi die erneuerbaren Energien im Jahr 2016 lediglich 11 Prozent der erzeugten Wärme. Dazu kommt, dass das Fehlen einer europäischen Politik zur Förderung erneuerbarer Wärme und Kälte zu den zerklüfteten und kleinteiligen Märkten innerhalb des Kontinents geführt hat und letzten Endes nicht die Investitionssicherheiten wie im Strombereich bereitstellen konnte.

 

Die Richtlinie wird gemäß der bereits verfügbaren Entwürfe der Europäischen Kommission im Wärmebereich insbesondere an folgenden Stellen ansetzen:

  • Optionen für Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellen, um den Einsatz erneuerbarer Energien in der Wärme- und Kälteversorgung um jährlich 1 Prozentpunkt pro Jahr zu steigern. Brennstoffanbieter im Bereich Wärmeerzeugung sollen zu diesen Steigerungsraten verpflichtet werden.
  • Öffnung von Zugriffsrechten auf lokale Fernwärmeversorgungsnetze für unabhängige Produzenten erneuerbarer Wärme oder von Abwärme. Ziel ist es auch Fernwärme- und Fernkältesysteme weiter zu entwickeln, um dem wachsenden Bedarf an Energie aus erneuerbaren Quellen gerecht zu werden.
  • Energieverbrauchern Ausstiegsrechte aus Fernwärmeversorgungsverträgen zubilligen, wenn die Wärme auf Gebäudeebene energieeffizienter bereitgestellt werden kann.


Auf Deutschland und seine lokalen Versorgungsunternehmen für Wärme (und Kälte) kommen daher große Herausforderungen zu. Der geforderte Ausbau erneuerbarer Wärmeerzeugung im Bereich Fernwärme vom aktuellen Niveau von rund 7 Prozent (ohne die Betrachtung des erneuerbaren Anteils in der Reststoffverwertung) bedeutet mehr als eine Verdoppelung der installierten Anlagenkapazität in diesem Bereich. Die Notwendigkeit großer Investitionen in  Trendtechnologien wie Solarthermie, Tiefengeothermie oder Biomasse- und Reststoffverwertung, die bisher in nur wenigen Wärmenetzen integriert sind, lässt sich schlussfolgern. Ein Fokus ist jetzt bereits klar erkennbar: Es werden intensive Investitionsförderungen im Bereich Tiefengeothermie zugelassen werden. Die EU-Kommission sieht 25 Prozent der EU-Bevölkerung in einem Gebiet, das für die tiefengeothermische Fernwärmeversorgung geeignet ist.

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Benjamin Richter

Diplom-Betriebswirt (FH)

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