OLG Düsseldorf zur rechtswidrigen Wertung eines sog. Bietungsfaktors

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 1. Oktober 2025

Ein Verstoß gegen §§ 97 Abs. 2, 127 Abs. 1 Satz 1 GWB liegt vor, wenn für ein nicht-preisliches Zuschlagskriterium ein sog. Bietungsfaktor neben dem ermittelten Punktwert und der Gewichtung als eigenständige Variable der Bewertungsmethode festgelegt wird (Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 16. April 2025 – Verg 35/24).

  • Eine Bewertungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB ist dann erforderlich, wenn nicht nur der Preis, sondern auch die Leistungsstärke eines Angebotes anhand weiterer Zuschlagskriterien bewertet werden soll. Da bei einer Bewertung von Preis und Leistung die Angebotspreise in Euro vorliegen und die Leistungsstärke der Angebote in (Leistungs-)Punkten, stellt sich dem öffentlichen Auftraggeber die Frage, welches Mehr an Leistung welches Mehr an Preis rechtfertigt.
  • Um das objektiv beantworten zu können, muss das Preis-Leistungs-Verhältnis durch eine mathematische Formel, die Zuschlagsformel einer Bewertungsmethode, dargestellt werden. Dabei hat der öffentliche Auftraggeber die einzelnen Berechnungsgrößen transparent und unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2 GWB) festzulegen. Damit ist es nicht zu vereinbaren, wenn es dem Bieter überlassen bleibt, eine Variable der mathematischen Umrechnung eigenständig mit der Folge zu bestimmen, dass das von dem öffentlichen Auftraggeber gefundene Wertungsergebnis abgeändert wird.
  • Ein sog. Bietungsfaktor, mit dem sich ein öffentlicher Auftraggeber erhofft, die Belastbarkeit des Leistungsversprechens eines Bieters abbilden zu können, ist eine solche das Wertungsergebnis abändernde, reine Berechnungsvariable der vom Bieter selbst eingeschätzten Erfüllungswahrscheinlichkeit. Ein solcher Bietungsfaktor ist daher in das bieterseitige Belieben gestellt und eröffnet Manipulationsgefahren. 
  • Soll der Bietungsfaktor somit ein Gradmesser zur Bewertung des Leistungsversprechens im Rahmen der vom öffentlichen Auftraggeber vorzunehmenden Prognose über die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieses Versprechens sein, kann er diese Prognose nicht dem Bieter überlassen. Nicht nur die Angebotswertung ist alleinige Sache des öffentlichen Auftraggebers, sondern auch die Einschätzung, ob der Bieter sein Leistungsversprechen wird erfüllen können. Dabei darf ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Bieter ihre vertraglichen Zusagen auch erfüllen werden.
  • Beispiel: Übererfüllt ein Bieter bei einem Zuschlagskriterium „Wärmedurchgangskoeffizient“ (Gewichtung: 2,5 %) einen vorgegebenen Wert um eine bestimmte Größe, erhält er 1 Punkt bis maximal 10 Punkte. Dies ist vergaberechtlich zulässig. Zu beanstanden ist aber, wenn der Bieter zusätzlich durch Angabe eines sog. Bietungsfaktors zwischen größer 0 und 1 die Punktebewertung des öffentlichen Auftraggebers verändern kann. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass verschiedene Bieter denselben Wärmedurchgangskoeffizienten angeboten und vom öffentlichen Auftraggeber dafür dieselbe Punktzahl erhalten haben, jedoch aufgrund eines unterschiedlichen Bietungsfaktors der eine Bieter 2,5 Punkte (10 Punkte mal 0,1 Bietungsfaktor mal 2,5 Gewichtung) und der andere Bieter 25 Punkte (10 Punkte mal 1 Bietungsfaktor mal 2,5 Gewichtung) erzielt. Dies verstößt gegen die §§ 97 Abs. 2, 127 Abs. 1 Satz 1 GWB.


VERÖFFENTLICHUNGEN

​H. Schröder, Rahmenvereinbarung: Wie man Höchst-, Schätz- und Mindestmengen festlegt, in: Staatsanzeiger Baden-Württemberg Nr. 35 vom 5.9.2025, Seite 12​.

VERANSTALTUNGEN

AUSZEICHNUNGEN

  • JUVE Handbuch 2024/2025 – Verkehrssektor/Vergaberecht (F. Weber)
  • Handelsblatt „Deutschlands beste Anwälte 2025 – Öffentliches Wirtschaftsrecht“ (H. Schröder)
  • Best Lawyers Germany 2026 „Public Law“ (H. Schröder)​
  • 2./3./5. Preisträger Deutsches Vergabenetzwerk (DVNW) Award 2019/2015/2020 (H. Schröder)
  • WirtschaftsWoche-Topkanzleien 2018 Vergaberecht (H. Schröder)​

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