Daseinsvorsorge richtig finanzieren – Wiederbeschaffungszeitwerte in der bayerischen Beratungspraxis

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​veröffentlicht am 22. Februar 2019

 

Am 1. August 2013 begann eine neue Zeitrechnung für Träger öffentlicher Einrichtungen in Bayern. Eine Neuerung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) eröffnet Kommunen im Freistaat seither erweiterte Möglichkeiten zur Schaffung finanzieller Reserven bei der Kalkulation von Benutzungsgebühren. Mit dem Ansatz von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte bei der Kalkulation wurde Einrichtungsträgern ein Instrument in die Hände gelegt, das für Gebührenkontinuität sorgt und die langfristige Erhaltung des kommunalen (Infra-)Strukturvermögens sicherstellt.


Doch unser Resümee aus fünf Jahren Beratungspraxis zu Wiederbeschaffungszeitwerten in Bayern zeigt: nur wenige Kommunen im Freistaat ziehen eine Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte im Rahmen der Kalkulation von Benutzungsgebühren ernsthaft in Betracht. Noch geringer ist die Zahl derjenigen Einrichtungsträger, deren Gebühren Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte enthalten. Ein denkwürdiges Ergebnis, werden damit doch unter Umständen Chancen einer sachgerechten und generationenübergreifenden Finanzierung verspielt.


Wiederbeschaffungszeitwerte stellen Preise dar, die für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes gleicher Art und Güte gezahlt werden müssen. Anders als bei den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, die auf einen weit zurückliegenden Preis abstellen, beinhalten Abschreibungen auf den Wiederbeschaffungszeitwert also Wertveränderungen des zugrundeliegenden Anlagegutes im Laufe seiner Lebenszeit.


Der Ansatz von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte bei der Kalkulation von Benutzungsgebühren ist mindestens dann empfehlenswert, wenn das Vermögen der betroffenen Einrichtung durch langlebige Anlagegüter dominiert wird, die hohen Wertveränderungen unterworfen sind. Dies ist beispielsweise bei der Wasserversorgung oder der Abwasserentsorgung der Fall. So ist der Wiederbeschaffungswert einer Wasserleitung, die im Jahr 1980 installiert wurde, heute ungleich höher als zum Zeitpunkt der Aktivierung. Diese Preissteigerung wird beim Ansatz von Abschreibungen auf die historischen Anschaffungs- und Herstellkosten jedoch negiert. Bis zum Zeitpunkt des Ersatzes der Leitung werden damit Abschreibungen eingenommen, die bei weitem nicht ausreichen, um ein Anlagegut gleicher Art und Güte herzustellen. Es entsteht eine Finanzierungslücke, die durch einen mitunter massiven Gebührensprung oder die Aufnahme von Fremdkapital gedeckt werden muss. Kommt es dann noch, was heute bereits absehbar ist, zu einer Verteuerung der Darlehenskosten, wird es immer schwieriger, die Gebühren über einen langen Zeitraum konstant zu halten.


Anders verhält sich dies, wenn man dem Willen des Gesetzgebers in Bayern folgt. Preissteigerungen werden beim Ansatz von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte in Gebührenkalkulationen während der gesamten Lebenszeit des Anlagegutes erfasst. Mehrerlöse, die sich im Vergleich zum Ansatz von Abschreibungen auf historische Anschaffungs- und Herstellungskosten ergeben, sind der Einrichtung zuzüglich einer angemessenen Verzinsung wieder zuzuführen. Gebührensprünge können damit ebenso vermieden werden wie eine gegebenenfalls teure Fremdkapitalaufnahme. Vereinfacht gesagt legt die gebührenrechnende Einrichtung auf diese Weise frühzeitig einen Kapitalstock an, der für künftige Ersatzbeschaffungen dient, ohne dabei unliebsame „Überraschungen” fürchten zu müssen.


Es wäre wünschenswert, wenn sich die nächsten Jahre mehr Einrichtungsträger in Bayern mit diesem Konzept auseinandersetzen würden. Die notwendige Indizierung des Anlagevermögens lässt sich mit überschaubarem Aufwand bewerkstelligen. Nach erstmaliger Indizierung ist eine jährliche Aktualisierung einfach möglich. Bisweilen sollte noch etwas Zeit eingeplant werden, um die Gremien von der Intention des Ansatzes zu überzeugen. Doch es lohnt sich, schließlich geht es um nichts Geringeres als die richtige Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge.

 

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Tilman Reinhardt

B.A. Betriebswirtschaft

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